Berlin. Der Klimawandel verändert das Geschäft der Weingüter: Im Süden gedeihen die Reben nicht mehr so gut. Kältere Regionen profitieren.

Felix Prinz zu Salm-Salm beobachtet genau, wie sich das Klima wandelt. Der Ertrag seines Weinguts hängt zu großen Teilen davon ab, wie sich das Wetter entwickelt. Er bewirtschaftet in der 32. Generation das 18 Hektar große Weingut seiner Familie im rheinland-pfälzischen Wallhausen – es ist bekannt für seinen hervorragenden Riesling.

Wie ein Forscher registriert Felix Prinz zu Salm-Salm seit Jahren die Temperaturveränderungen. „An unseren Kellerbüchern, in denen wir Lesezeitpunkt, Oechsle-Zuckergehalt, Säure, Erntemenge aufzeichnen, können wir erkennen, ob ein Jahr kühl oder warm war“, sagt er. „Da sehen wir seit den letzten 20 Jahren deutliche Veränderungen.“ Es wird wärmer. Immer früher im Jahr. Und das merkt auch der Wein.

Deutsche Winzer profitieren von den steigenden Temperaturen

Die weiße Traube braucht es im Vergleich etwa zu einem roten Merlot oder Cabernet etwas kühler. Prinz Salms Reben treiben heute eine Woche früher aus als noch vor einiger Zeit. Im Grunde profitierten die deutschen Winzer derzeit von der Erderwärmung, sagt der Winzer. Die Qualität der Trauben habe zugenommen.

Doch was, wenn der Temperaturanstieg weiter geht? Prinz Salm hat sich längst auf den Weg in die Zukunft gemacht. „Wir haben bewusst in Weinberge investiert, die höher liegen“, erzählt er. „Dort bleiben die Alkoholwerte moderat, selbst wenn der Sommer sehr heiß ist.“ Früher habe die Weinbaugrenze in seiner Heimat bei 300 Meter Höhe gelegen. Heute pflanzten sie darüber.

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    Die Erderwärmung lässt den Alkoholgehalt steigen

    Die Erderhitzung führt zu einem Problem: Der Gehalt an Alkohol im Wein steigt. Denn Trauben, die zu viel Sonne und kaum Regen bekommen, werden klein wie Rosinen. Der Zucker konzentriert sich in der Traube. Viel Zucker heißt zugleich: viel Alkohol im Wein. Und das ist für viele Weingüter im Süden schon jetzt ein ernstes Pro­blem.

    Der Temperaturanstieg bedroht die Qualität ihrer Weine, die Ökonomie ganzer Weinregionen in Spanien, Italien und Frankreich. Das französische Institut für Agrarforschung hat bereits ein Forschungsprojekt „Qualitätswein mit niedrigem Alkoholgehalt“ auf den Weg gebracht: Forscher sollen eine neue Technologie zur „Entalkoholisierung“ von Wein entwickeln.

    Früher waren elf Volumenprozent Alkohol in Weinen normal

    Ein Blick ins Regal bei einem gut sortierten Weinhändler in Berlin zeigt das Problem: Anja Däbritz, eine junge Sommelière, zieht einen Wein aus dem südfranzösischen Languedoc hervor: 14 Volumenprozent, und einen Wein von der Rhône: 15,5. Die Weine aus dem Languedoc hätten mittlerweile im Schnitt um die 13 Volumenprozent Alkohol, sagt Däbritz. Früher seien elf die Regel gewesen.

    Ähnliches lasse sich überall im Süden Europas beobachten, in Italien, in Spanien und in Portugal. Oder auch in Kalifornien, im Napa Valley, einer der bekanntesten Weinbauregionen der Welt etwa anderthalb Autostunden nördlich von San Francisco. Dort war der Sommer dieses Jahr wieder heiß. Zu heiß für die Weinreben.

    Der Trend geht zu leichteren Weinen

    Gut 20 Liter Wein trinkt der Deutsche im Schnitt im Jahr. Und der Trend „geht eigentlich zu leichten Weinen“, sagt Pia Johannson vom Deutschen Weininstitut im rheinland-pfälzischen Bodenheim. Ein guter Rotwein zum Fest und zu Silvester darf schon mal schwer sein. Aber 15 Volumenprozent Alkohol sind likörverdächtig. Das passt vielen Kunden nicht.

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      Die deutschen Winzer denken bereits um, auch wenn sich der Wandel in den Weinbergen hierzulande nicht so spektakulär vollzieht. Nach den Modellen der Klimaforscher werden aber auch hierzulande Hitzeperioden und extreme Wetterereignisse zunehmen. Denkbar ist in Zukunft deshalb viel: Ein „Harztraminer“, ein „Pinot Weserbergland“ oder ein „Bad Iburgunder“.

      2021 soll man auch mit einem „Ostfriesen-Riesling“ anstoßen können

      Die etablierten Winzer experimentieren bereits. So hat der Rheinhessische Rieslingspezialist Klaus-Peter Keller sogar einen Weinberg in Norwegen bepflanzt. Vor gut einem Jahr wurde Niedersachsen offiziell zum Weinland erklärt. Es gibt dort zwölf Anbaugebiete für Wein. Viel ist das noch nicht. Aber die kommerziellen Weinbaurechte für Niedersachsen stehen für eine beachtenswerte Entwicklung: Mit dem Klimawandel kommen neue Winzer und zu den klassischen Lagen kommen neue hinzu.

      Die neuen niedersächsischen Weinbaugebiete liegen in Göttingen und in der Region Hannover, Lüneburg, Oldenburg, Schaumburg, Friesland, Osnabrück und im Ammerland. Seit der Genehmigung des Anbaus im letzten Jahr, haben die Winzer drei Jahre Zeit ihre Reben zu pflanzen. Bis die ersten Trauben gekeltert werden können, dauert es weitere drei Jahre. Spätestens im Jahr 2021 kann man dann auch mit einem „Ostfriesen-Riesling“ anstoßen.