Frankfurt/Main. Auf Ryanair kommt am Freitag der erste Streik der Firmengeschichte zu. Die Fluggesellschaft will trotzdem an ihrem Flugplan festhalten.

Für Ryanair ist es eine echte Neuheit: Erstmals seit Gründung 1985 wird die nach Passagieren größte Fluggesellschaft Europas bestreikt. Und das, obwohl sich der Konzernchef des Billigfliegers in rasantem Tempo vom Gewerkschaftsgegner zum verhandlungsbereiten Manager wandelte. Keine Woche brauchte Michael O’Leary, um den europäischen Gewerkschaften, die sich abgesprochen hatten, Gespräche anzubieten. Doch zumindest einen Warnstreik konnte er nicht abwenden.

Für diesen Freitagmorgen hat die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) alle fest angestellten Ryanair-Piloten in Deutschland aufgerufen, die Arbeit ruhen zu lassen. Zwischen 5.01 Uhr und 8.59 Uhr soll möglichst nichts mehr gehen. Betroffen sind nach Aussage der Gewerkschaft 16 Flüge an zehn Standorten, an denen Ryanair Maschinen stationiert hat. Am stärksten betroffen sind Berlin und Frankfurt (Main). Allein in Berlin geht es um sieben Flüge. In Hamburg startet am Freitagmorgen nur ein Flug der irischen Airline.

Ryanair will den Streik ins Leere laufen lassen

Ryanair will den Streik der Piloten am Freitagmorgen ins Leere laufen lassen. „Wir fliegen nach Flugplan“, sagte Peter Bellew, im Ryanair-Vorstand für das operative Geschäft zuständig, unserer Redaktion. „Wir bitten alle Fluggäste, normal zu ihren Flügen an den Flughafen zu kommen.“ Sollte es Verzögerungen geben, werde man sie über den Tag aufholen.

Als Grund für die Streiks gibt die Gewerkschaft an, dass Ryanair die für Mittwoch geplanten Gespräche in Dublin kurzfristig abgesagt hatte. Diese Gespräche hätten den Einstieg bieten sollen in Tarifgespräche zwischen den Arbeitnehmervertretern und der Billigfluglinie. Abgesagt wurden die Gespräche VC zufolge, weil die Ryanair-Konzernführung zwei der fünf angereisten VC-Mitglieder nicht gepasst hätten. „Damit wird deutlich, dass Ryanair die Grundsätze gewerkschaftlicher Autonomie nicht achtet“, sagte Ilja Schulz, Präsident der Gewerkschaft, in Frankfurt/Main. Ryanair bemängelte, dass eines der VC-Mitglieder gerade in einem Rechtsstreit mit Ryanair in Deutschland liege.

Ryanair stellt das anders dar: „Wir haben am Donnerstag mit den Vertretern von VC gesprochen und uns wie Gentlemen per Handschlag verabschiedet“, sagte Vorstandsmitglied Bellew. Man habe einen Verhandlungstermin am 5. Januar vereinbart. Von den Streiks habe man dann aus dem Fernsehen erfahren. Das sei schlechter Stil, er habe so etwas noch nie erlebt. Den nächsten Verhandlungstermin mit VC will Bellew dennoch einhalten. Erstaunlich für ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern in internen Rundschreiben mit Jobverlust gedroht hat, sollten die Kontakt zu Arbeitnehmervertretungen aufnehmen.

VC schloss Streiks an Weihnachten aus

Die Pilotengewerkschaft hatte vor den Gesprächen am Mittwoch bereits angekündigt, sich nicht mit einer Hinhaltetaktik zufrieden geben zu wollen. Denn aus Sicht der Gewerkschafter liegt der Verdacht nahe, dass Ryanair die Gespräche bloß angekündigt hatte, um sich ohne Streiks über die reiseintensive Weihnachtszeit zu retten. Dass nun so plötzlich und kurzfristig gestreikt wird, liegt auch an einem Versprechen, das die VC Ryanair-Kunden gegeben hat. Ab dem 23. nachmittags bis einschließlich 26. Dezember hatte die Gewerkschaft Streiks ausgeschlossen, um Reisen rund ums Weihnachtsfest nicht zu behindern. Dabei soll es bleiben.

Ryanair macht eigenen Piloten Zugeständnisse

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    Mit den nun angekündigten Streiks begehren die Piloten gegen die Arbeitsbedingungen bei dem Billigflieger auf. So arbeiten viele der Piloten selbstständig. Und nach Angaben der Gewerkschaft zu Tarifen, die zwischen 30 und 50 Prozent unter denen liegen, die angestellte Piloten bei Konkurrenten verdienen. Ryanair-Vorstandsmitglied Bellew zufolge beschäftigt die Gesellschaft derzeit 4200 Piloten, davon sind 54 Prozent direkt angestellt. Im Schnitt verdienten diese 150.000 Euro im Jahr.

    Die Gewerkschaft rechnet sich eine gute Verhandlungsposition aus. Denn viele Fluglinien in Europa oder auch im Nahen Osten expandieren und suchen daher nach Piloten. Vor drei Monaten hatte Ryanair zudem angekündigt, in großem Umfang Flüge streichen zu müssen. Offiziell hieß es, man habe die Urlaubsplanung der Piloten verbockt. VC glaubt, dass der Fluggesellschaft die Piloten weglaufen. 2018 würden 25 Prozent gehen. Ryanair nennt das Unsinn.

    Ryanair an Piloten von Niki und Air Berlin interessiert

    „Die haben rund 30 Jahre nicht mit den Piloten und deren Gewerkschaften verhandelt“, sagt Yvonne Ziegler, Luftfahrtexpertin der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Frankfurt/Main. „Nun muss Ryanair schon mit dem Rücken zur Wand stehen, um sich zumindest auf die Gewerkschaften zuzubewegen – und, wie in den vergangenen Tagen, mit den Gewerkschaften aus verschiedenen Ländern immerhin zu verhandeln.“

    Ryanair hatte zuletzt bereits Gehaltserhöhungen angeboten und will mehr Piloten direkt beschäftig. Derzeit stelle man zahlreiche Piloten der insolventen Air Berlin ein, sagte das Vorstandsmitglied Bellew. Auch an Piloten von Niki sei man interessiert.