Berlin. Bei der Bahn läuft die Fehlersuche nach Pannen auf der Prestigestrecke Berlin-München. Die Lokführer bemängeln fehlende Schulungen.

Eigentlich wollte die Bahn mit der Inbetriebnahme ihrer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Berlin und München glänzen und dem Flugbetrieb Konkurrenz machen. Doch seit dem Start am Freitag ist der Wurm drin. Auf der Eröffnungsfahrt der zehn Milliarden Euro teuren Strecke kam selbst ein Teil der Ehrengäste erst mit stundenlanger Verspätung in München an. Und auch am Dienstagmorgen fiel wieder ein Zug aus – offenbar hakt es an der Technik.

Die Deutsche Bahn spricht von „technischen Störungen des neu eingeführten Zugsteuerungssystems ETCS (European Train Control System). Dabei soll gerade diese Technologie den Weg in die Zukunft des europäischen Bahnverkehrs weisen: In die Ära selbstfahrender Züge und der voll digitalisierten Leitung des Verkehrs.

Bahn weist Kritik an Ausrüstung ihrer Züge zurück

Das Prinzip von ETCS ist leicht zu verstehen. In bestimmten Abständen werden im Gleisbett sogenannte Balisen angebracht. Die kleinen gelben Kästen dienen der Ortung der Züge und können Informationen an den Computer im Zug übertragen. Die Positionsmeldungen werden auch an das nächste elektronische Stellwerk der Bahn übertragen. Das alles läuft per Funksignal. So wird der Zug praktisch vollautomatisch geleitet und notfalls auch gebremst.

Was dabei auf der Neubaustrecke schiefgegangen ist, wird derzeit noch von Deutscher Bahn und Bahntechnikkonzern Alstom untersucht. Die Franzosen hatten die Züge mit der neuen Technik ausgestattet. Recht dürftig fällt die Erklärung von Alstom zu den Vorfällen aus. „ETCS gewährleistet maximale Sicherheit für Fahrgäste“, heißt es darin. Teams von Alstom stünden in ständigem Austausch mit dem Kunden. Die Deutsche Bahn wies Vorwürfe zurück, dass nicht genügend Fahrzeuge für den ETCS-Verkehr ausgerüstet sind. Für die jüngsten Ausfälle seien im Wesentlichen Schnee und Eis ursächlich. Der Winter also.

Gewerkschaft: Es hat keinen Probebetrieb gegeben

Das System selbst ist nach Einschätzung des Vorsitzenden der Lokführergewerkschaft (GDL), Claus Weselsky, funktionstüchtig. „Aber wie so oft, läuft manches nicht sofort reibungslos“, sagt er. Der GDL-Chef wirft der Bahn mangelnde Vorbereitung bei der Einführung des Systems vor. „Unsere Lokführer tun ihr Bestes, aber sie haben die Unterlagen für das System zu spät erhalten und sind nicht ausreichend trainiert worden“, kritisiert er. Es habe keinen Probebetrieb für sie gegeben. Sie seien nur mithilfe der Instrukteure, die einen solchen Probebetrieb geleitet haben, gefahren.

Weselsky zufolge habe es auf den Fahrten Ausfälle beim Display im Führerstand gegeben. „Da müssen die Züge angehalten werden“, erläutert er. Die Baureihe 401 zeige diesbezüglich auch anderswo Auffälligkeiten. Auf die Klärung der genauen Gründe der Pannen wartet nun auch die GDL.

Neue Technik könnte internationalen Bahnverkehr bereichern

Mit dem System ETCS verbinden die Bahnunternehmen in Europa große Hoffnungen. So können zum Beispiel zusätzliche Züge auf den Trassen unterwegs sein. Auch der grenzüberschreitende Verkehr wäre mit einem einheitlichen Zugsteuerungssystem problemloser als heute.

Momentan unterhalten die europäischen Bahnen mehr als 20 verschiedene Leitsysteme. Die Einspareffekte bezifferte allein die Deutsche Bahn einmal in ihrer Netzsparte auf rund 640 Millionen Euro jährlich. Dies könnte wiederum zu sinkenden Trassenpreisen und damit zu einer höheren Nachfrage führen. Eingespart werden in der Endphase des Ganzen dann wohl auch die Lokführer.

Die These des ehemaligen Bahnchefs Rüdiger Grube, wonach die Züge 2021 vollautomatisch unterwegs seien, sei Blödsinn, sagt der GDL-Vorsitzende. „Intelligente Fachleute rechnen damit frühestens 2035.“ Zweifelhaft sei außerdem, dass sich die Milliardeninvestition in ETCS für ein 34.000 Kilometer langes Streckennetz überhaupt lohne, um einen einzigen Mann vorne im Führerstand wegzurationalisieren. Ob es sich lohnt, will auch das Bundesverkehrsministerium gerne wissen. Es hat Anfang dieses Jahres ein Gutachten dazu ausgeschrieben. Die Unternehmensberater von McKinsey nehmen das Vorhaben derzeit noch unter die Lupe.

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    In Luxemburg können bald Signalampeln abgebaut werden

    Das automatische Zugsystem ist auf verschiedenen Strecken in Europa bereits im Probebetrieb. Technisch ist es so aufgebaut, dass die Automatisierung verschiedene Grade ausmachen kann. Die Deutsche Bahn fährt zum Beispiel auf dem zweiten von drei Leveln. Luxemburg wird als erstes Land das gesamte Streckennetz umgestellt haben und dann die herkömmlichen Sicherungseinrichtungen wie Signale abbauen können.

    Wetterbedingte Ausfälle, wie es sie am Wochenende wieder vielfach gab, werden jedoch auch mit einem vollautomatischen System vorkommen. Immerhin hat die Bahn die jüngsten Ausfälle durch das schlechte Wetter nun im Griff: „Die Deutsche Bahn konnte den Betrieb heute spürbar stabilisieren“, berichtete das Unternehmen am Dienstag. Dies gelte auch für die Schnellfahrstrecke zwischen München und Berlin.

    Die Reparatur von 16 ausgefallenen ICE-Zügen, die durch den Schneeeinfall am Wochenende witterungsbedingte Schäden davontrugen, kommt demnach gut voran.