Brüssel. EU-Finanzminister erhöhen Druck auf Steueroasen. 17 Staaten stehen auf neuer „schwarzer Liste“. Staaten in Europa sind ausgenommen.

Urlauber schätzen an der Karibikinsel Barbados Sonne, Sandstrand und das Meer, Geschäftsleute und Kapitalanleger aber zieht etwas ganz anderes in die Heimat von Sängerin Rihanna: Das Antillenidyll gilt weltweit als sicherer Hafen für Vermögen auch zweifelhafter Herkunft – Investoren zahlen paradiesisch wenig oder gar keine Steuern, Finanztricksereien werden vom Staat großzügig unterstützt, ausländische Steuerbehörden erfahren davon nichts.

Erst vor wenigen Wochen geriet die Insel in die Schlagzeilen, als durch die „Paradise Papers“ bekannt wurde, wie etwa der ehemalige britische Fußballstar Gary Lineker über eine Offshore-Firma in Barbados Steuern vermied. Wie lange das Karibikeiland sein Geschäftsmodell noch aufrechterhalten kann, ist indes unklar: Die EU stellt den Inselstaat an den Pranger – Barbados ist jetzt mit 16 weiteren Lieblingszielen von Steuerflüchtlingen auf einer „schwarzen Liste“ der weltweiten Steueroasen festgehalten.

Ächtung soll Länder zum Datenaustausch mit EU bewegen

Am Dienstag beschlossen die 28 EU-Finanzminister in Brüssel ein entsprechendes Dokument, um den Kampf gegen Steuerflucht und groß angelegte Steuervermeidung voranzutreiben. Offiziell angeprangert wird, wer aus EU-Sicht bedenkliche Steuerpraktiken erlaubt und fördert oder beim Austausch von Daten unkooperativ ist: Aufgeführt sind neben Barbados auch Samoa, Bahrein, Grenada, Guam, Südkorea, die chinesische Sonderzone Macao, die Marschallinseln, die Mongolei, Namibia, Palau, Panama, St. Lucia, Trinidad und Tobago, Tunesien sowie die Vereinigten Arabischen Emirate.

Die Ächtung soll die Länder zur Aufgabe ihrer unfairen Praktiken und zum Datenaustausch mit der EU bewegen. Zugleich sollen Konzerne davon abgehalten werden, Gewinne in solche Niedrigsteuerzonen zu verschieben. EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici appellierte schon an die EU-Staaten, sich nun zügig auch auf abschreckende Sanktionen gegen die Steueroasen zu einigen. Doch Experten glauben, die Veröffentlichung sei auch für sich schon eine harte Strafe: „Die schwarze Liste ist eine moderne Form des politischen Prangers, der auch ohne Sanktionen funktioniert“, sagt der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Thomas Eigenthaler, dieser Zeitung.

Reihe von Staaten erklärt sich zur Zusammenarbeit mit Brüssel bereit

Dem richtigen Schritt müsse jetzt aber ein zweiter auf nationaler Ebene folgen: „Wir brauchen die generelle Beweislastumkehr für Unternehmen, die in solche Steueroasen investieren“, fordert Eigenthaler. Nicht mehr das Finanzamt müsse in solchen Fällen ein Steuervergehen nachweisen, sondern umgekehrt müsse das Unternehmen beweisen, dass es eine weiße Weste habe. „Das muss die nächste Bundesregierung anpacken“, fordert Eigenthaler. Die Liste aber begrüßt er sehr: Allein deren Existenz genüge schon, „denn die betroffenen Staaten scheuen die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser.“

Tatsächlich erklärten sich eine Reihe von Staaten noch in letzter Minute zur Zusammenarbeit mit Brüssel bereit; so schrumpfte die Liste binnen weniger Tage von rund 30 auf jetzt 17 Staaten und Regionen. Ursprünglich hatte die EU sogar rund 90 Staaten wegen steuerrechtlicher Bedenken angeschrieben. 47 Länder und Gebiete, die Besserung versprachen, sind auf einer „grauen Liste“ erfasst und werden nächstes Jahr überprüft.

Konzerne wie Nike oder Google minimieren Steuern auf Gewinne

An dem Beschluss arbeitet die EU bereits seit April 2016. Damals war durch die „Panama Papers“ die Praxis der Steuerflucht und -trickserei ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Seitdem ist dokumentiert, dass internationale Konzerne wie Nike oder Google komplizierte Systeme aufgebaut haben, um in Steueroasen die Steuern auf ihre Gewinne zu minimieren. Rund 60 Milliarden Euro gehen der EU nach Expertenschätzungen allein dadurch jährlich verloren, in Deutschland sind es demnach rund 17 Milliarden Euro.

Doch nationale Sonderinteressen behinderten eine Einigung der Finanzminister, die in Steuerfragen auf EU-Ebene nur einstimmig Änderungen beschließen können. Der Druck zu einer Verständigung war zuletzt durch die Enthüllung in den „Paradise Papers“ gewachsen. Allerdings: EU-Staaten haben die Finanzminister nicht in die Liste aufgenommen – angesichts der notwendigen Einstimmigkeit im Ministerrat ist das praktisch aussichtslos.

Relevante Finanzplätze wie die USA werden verschont

Doch das Vorgehen löst Kritik aus. „Europäische Steueroasen wie Malta, Madeira, Zypern, die Isle of Man, aber auch Irland, Niederlande und Luxemburg werden außen vor gelassen“, klagt Steuergewerkschaftschef Eigenthaler. „Die EU hätte besser auch vor der eigenen Haustür gekehrt.“ Ähnlich äußert sich im Europaparlament der CSU-Abgeordnete Markus Ferber: „Wir müssen auch EU-interne Steueroasen ins Visier nehmen.“

Sein Grünen-Kollege Sven Giegold spricht gar von einer „weichgespülten schwarzen Liste“, die die Glaubwürdigkeit der EU untergrabe. Wichtige Steueroasen fehlten, meint Giegold – auch relevante Finanzplätze wie die USA würden verschont, obwohl sie die EU-Regeln verletzten.