Brüssel. Die Finanzminister der Euro-Zone wählen einen neuen Euro-Gruppen-Chef. Vier Kandidaten stehen zur Auswahl. Favorit ist ein Portugiese.

Erst wird ein neuer Euro-Gruppen-Chef gewählt, dann legt die EU-Kommission weitreichende Vorschläge für die Reform der Euro-Zone vor: In dieser Woche werden für die europäische Währungsunion wichtige Entscheidungen getroffen. So viel Bewegung war lange nicht. „Es gibt ein Fenster der Gelegenheit“, sagt EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Doch nicht nur die Bundesregierung bremst und ärgert sich über die Kommission.

An diesem Montag wollen die 19 Finanzminister der Euro-Zone einen neuen Chef aus ihren Reihen wählen. Der Niederländer Jeroen Dijsselbloem scheidet nach zwei Amtsperioden aus – weil der Euro-Gruppen-Chef bei seiner Wahl Finanzminister sein muss, Dijsselsbloems Sozialdemokraten aber der neuen niederländischen Regierung nicht mehr angehören, kann er nicht erneut kandidieren.

Euro-Gruppen-Chef vertritt Euro-Länder international

Vier Finanzminister haben sich bis zum Ende der Meldefrist beworben: Mario Centeno aus Portugal, Pierre Gramegna aus Luxemburg, Peter Kazimir aus der Slowakei und die Lettin Dana Reizniece-Ozola.

In der Euro-Gruppe versuchen die Länder mit der Gemeinschaftswährung, ihre Steuer- und Wirtschaftspolitik zu koordinieren. Sie wacht zudem darüber, dass der Wachstums- und Stabilitätspakt eingehalten wird und die Währungsunion funktioniert. Das Gremium ist informell, verfügt aber über sehr große Macht innerhalb der EU.

Der Chef der Euro-Gruppe koordiniert die Treffen und vertritt die Euro-Länder international, etwa beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Der Posten wird mit einfacher Mehrheit für zweieinhalb Jahre vergeben. Für ein positives Votum sind 10 der 19 Stimmen nötig.

Portugiese wäre erster Chef aus einem ehemaligen Euro-Krisenland

Die größten Chancen hat nun offenbar der Portugiese Centeno. Er sitzt für die Sozialisten im portugiesischen Parlament. Und er berichtet von konstruktiven Gesprächen mit Deutschland und Frankreich. Die Berufung Centenos wäre auch eine Geste für die deutsche SPD vor möglichen Koalitionsverhandlungen; schließlich hat SPD-Chef Martin Schulz bei seinen europäischen Parteifreunden schon nachdrücklich für Centeno geworben.

Der 50-Jährige wäre der erste Euro-Gruppen-Chef aus einem ehemaligen Euro-Krisenland. Er hat also Sanierungserfahrung und steht persönlich dafür, dass die Rettungsprogramme mit Reformauflagen wie in Portugal funktionieren können. Inzwischen hat das EU-Land den Rettungsschirm verlassen und ist wieder auf Wachstumskurs – ganz so, wie es sich die Bundesregierung damals vorgestellt hatte.

Währungsunion ist gegen neue Schocks nicht ausreichend gewappnet

Centeno hat Wirtschaftswissenschaften studiert, unter anderem an der Universität Harvard in den Vereinigten Staaten. Zusätzlich besitzt Centeno einen Abschluss in Angewandter Mathematik. Er arbeitete jahrelang für die portugiesische Zentralbank, ist mit einer Studienkollegin verheiratet und hat drei Kinder.

Auf Centeno käme große Verantwortung zu. Die Euro-Krise ist abgeklungen, doch gegen neue Schocks ist die Währungsunion nicht ausreichend gewappnet. Das soll jetzt nachgeholt werden. EU-Kommission und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben bereits eine Reformdebatte angestoßen. Die Euro-Finanzminister spielen dabei eine entscheidende Rolle, und Centeno wird den Vermittler geben müssen: Auch zwischen Deutschland, das in der Euro-Zone auf Regeln und Haushaltsdisziplin pocht, und dem großzügigeren Kurs Frankreichs.

Brüssel bringt Euro-Reformen trotz Krise in Deutschland voran

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    Schon am Mittwoch wird es ernst: Dann geht die EU-Kommission mit einem konkreten Vorschlag in die Offensive. Kurzfristig geht es darum, Banken zu stärken, mittelfristig um einen großen Wurf. Spötter sprechen schon vom „Nikolauspaket“: Es soll, so hat es Währungskommissar Moscovici in kleiner Runde skizziert, einen europäischen Finanzminister geben, der gleichzeitig Vizepräsident der Kommission wäre.

    Geplant ist ein Budget für die Euro-Zone innerhalb des EU-Haushalts. Mit dem Geld sollen externe Schocks in einem Mitgliedsland abgefedert, Investitionen unterstützt und Reformen begleitet werden. Gedacht ist auch daran, den Euro-Rettungsfonds ESM als Europäischen Währungsfonds in eine EU-Institution zu verwandeln.

    EU-Kommission verärgert die Finanzminister

    Die Pläne reichen nicht so weit wie die von Macron, doch einzelne Vorhaben sind ohne Änderung der EU-Verträge nicht realisierbar, wie Moscovici zugibt. Weil die Verträge nur einstimmig geändert werden können, es dafür aber auf absehbare Zeit keine Chance geben dürfte, plant die Kommission bis 2025. Ärger gibt es aber schon kurzfristig. Es handele sich bei dem Plan sicher nicht um die Blaupause für die Reform der Euro-Zone, ätzen EU-Diplomaten. Bei den Mitgliedsstaaten gebe es weniger Unterstützung als die Kommission erwarte.

    Verärgert sind die Finanzminister darüber, dass die Kommission ihre Vorschläge an ihnen vorbei auch gleich für den nächsten EU-Gipfel vorlegen will. Entschieden wird dort nichts. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bringt die Reformoffensive dennoch in Bedrängnis, schließlich ist sie wegen der schwierigen Regierungsbildung in Deutschland nur bedingt handlungsfähig.