Berlin. Gewerkschaft und Politik kritisieren den traditionellen Acht-Stunden-Tag. Die IG Metall könnte nun ein flexibleres Modell durchsetzen.

28 Stunden pro Woche mit Entgeltausgleich arbeiten – so lautet die Forderung der IG Metall in den seit Mittwoch laufenden Tarifverhandlungen der Metall- und Elektrobranche für 2018. Auch das Gremium der Wirtschaftsweisen, das die Bundesregierung berät, hält den Acht-Stunden-Tag für „veraltet“.

An der traditionellen Arbeitsweise könnte sich schon bald etwas ändern, denn nicht nur die Gewerkschaften fordern flexiblere Modelle. Auch bei den aktuellen Sondierungsgesprächen in Berlin steht das Thema auf der Tagesordnung und könnte in den Koalitionsvertrag eingehen. Vorbild für die Neugestaltung könnte etwa Schweden werden. Die Skandinavier haben die Arbeitszeit im Gesundheits- und Sozialsektor bereits auf sechs Stunden täglich verkürzt – bei gleichem Lohn. Untersuchungen zeigen, dass die Produktivität gestiegen und der Krankenstand gesunken ist.

• Was schreibt das Gesetz vor?

Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sieht vor, dass Arbeitnehmer maximal 48 Stunden in der Woche, höchstens acht Stunden am Tag mit einer Ruhepause von mindestens elf Stunden zwischen zwei Arbeitstagen arbeiten dürfen. „Dieses Gesetz legt zwar Höchststufen fest, nicht aber Mindestgrenzen“, sagt Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

Bisher gilt, dass die Arbeitszeit auf zehn Stunden am Tag verlängert werden kann. Werden Maximalzeiten überschritten, muss jedoch zeitnah ein Ausgleich erfolgen. Außerdem sollten auf Spät- oder Nachtschichten keine Frühschichten folgen, Arbeitnehmer müssen darüber hinaus mindestens 15 Sonn- und Feiertage im Jahr frei haben.

Das Arbeitszeitgesetz lässt ausdrücklich Ausnahmen zu. Diese müssen entweder in einem Tarifvertrag, oder in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung festgeschrieben sein. „Sind die Regelungen, die im Tarifvertrag festgeschrieben werden sollen, rechtlich nicht gedeckt, so kann dieser nicht zustande kommen“, sagt Wissenschaftler Brenke. Individualregelungen gibt es in der Landwirtschaft, im Pflege- sowie im Gastronomiesektor.

• Was fordert die IG Metall?

Die Arbeitnehmervertreter wollen für jeden Beschäftigten das Recht erkämpfen, die Arbeitszeit für zwei Jahre von bisher 35 Wochenstunden auf 28 zu verkürzen. Die Option, nach Ablauf der 24 Monate wieder in eine Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren, soll jedem Arbeitnehmer zustehen.

Zwar wird es keinen generellen Lohnausgleich geben. Damit sich aber jeder die zusätzliche Freizeit leisten kann, soll es für bestimmte Gruppen einen Teil-Ausgleich geben. Dieser soll etwa Schichtarbeitern oder Beschäftigten, die Kinder erziehen oder Angehörige pflegen müssen, zustehen.

• Wie argumentiert die Gewerkschaft?

Mehr Flexibilität und Selbstbestimmung – das ist laut der IG Metall vielen Arbeitnehmern wichtig. Die Zahl stressbedingter Erkrankungen steige seit Jahren, heißt es von der Gewerkschaft. Noch nie habe es so viele Fehltage wegen psychischer Erkrankungen gegeben wie heute.

• Wie reagieren die Arbeitgebervertreter?

Zwar zeigte sich der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Reinhard Dulger, empört über die Forderung der IG Metall. Sie sei eine „Kopfgeburt“ und eine „Stilllegprämie für Fachkräfte“. Die Arbeitgeberseite machte aber auch deutlich, dass eine Flexibilität nach unten möglicherweise verhandelbar sein könnte, wenn es diese auch nach oben gäbe. Heißt: Firmen sollen ihre Mitarbeiter auch mehr als 35 Stunden pro Woche beschäftigen dürfen.

• Was will die Politik?

Die Jamaika-Unterhändler haben bei ihren Sondierungsgesprächen erkennen lassen, dass sie das Arbeitszeitrecht modernisieren wollen. Die FDP prescht vor, indem sie eine Anpassung an die EU-Arbeitszeitrichtlinien vorgeschlagen hat. Diese sieht eine wöchentliche Höchstdauer von durchschnittlich 48 Stunden vor.

Unterstützung erhält die FDP von der Union, die möchte auch die tägliche Maximalarbeitsdauer abschaffen. Die Grünen wollen an den bisherigen Regelungen festhalten. Sie sehen in der Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes eine Beschneidung des Arbeitsschutzes. SPD und Linke lehnen eine Gesetzesänderung ab.

• Wie ist die Lage im Ausland?

Die Europäische Arbeitszeitrichtlinie sieht eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden vor, die von nationalen Gesetzen konkretisiert wird. Die Richtlinie würde eigentlich mehr Spielraum zulassen, als es das Gesetz in Deutschland vorsieht. In den Niederlanden ist die Teilzeitquote EU-weit am höchsten. Seit 2015 gibt es dort auch einen Rechtsanspruch auf Arbeiten im Homeoffice.