Wolfsburg. Erneut rücken VW-Bosse in den Fokus von Ermittlern. Am Dienstag wurden Büros in Wolfsburg durchsucht. Verdacht: Steuerhinterziehung.

VW kommt nicht zur Ruhe – nun haben die Wolfsburger das nächste Ermittlungsverfahren am Hals. Diesmal geht es nach Informationen unserer Redaktion um den Verdacht, dass der Konzern zu wenig Steuern gezahlt haben könnte. Deshalb durchsuchten bereits am Dienstag Ermittler von der Staatsanwaltschaft Braunschweig und der Steuerfahndung mehrere Stunden lang die Büros von Personalvorstand Karlheinz Blessing, Finanzvorstand Frank Witter – und von Betriebsratschef Bernd Osterloh. Hintergrund sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts, dass Osterloh womöglich zu viel Gehalt bekommt.

Würde sich bestätigen, dass der Betriebsratschef zu viel verdient, hätte der Autobauer zu viel steuerlich geltend gemacht. Sprecher von Staatsanwaltschaft und Volkswagen bestätigten Durchsuchungen, wollten sich mit Verweis auf das Steuergeheimnis und die laufenden Ermittlungen aber nicht näher äußern.

Laut Staatsanwaltschaft wurden Gegenstände sichergestellt, die als Beweismittel in Frage kommen könnten – nach Informationen unserer Redaktion sind das Unterlagen, Computer und Festplatten. Die Auswertung dürfte mehrere Wochen dauern. Bei großen Unternehmen seien die Ermittlungen umfangreicher als bei kleineren Betrieben oder Privatpersonen, erläuterte die Staatsanwaltschaft ihre Vorgehensweise.

Osterloh nicht im Fokus der Ermittler

Bernd Osterloh, Betriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied bei Volkswagen.
Bernd Osterloh, Betriebsratsvorsitzender und Aufsichtsratsmitglied bei Volkswagen. © dpa | Julian Stratenschulte

Die Ermittlungen zu Osterlohs Gehalt laufen nach Angaben der Behörde noch, deshalb wollte der Sprecher auch dazu keine weiteren Angaben machen. Ein Sprecher des Konzernbetriebsrats betonte am Mittwoch, dass sich die Ermittlungen nach wie vor nicht gegen Osterloh richteten. Beim Verdacht der Untreue stehen nach Informationen unserer Redaktion Personalvorstand Blessing, sein Vorgänger Horst Neumann sowie der Personalchef der Marke VW, Martin Rosik, und dessen Vorgänger Jochen Schumm im Fokus.

„Wir gehen ebenso wie Volkswagen unverändert davon aus, dass das vom Unternehmen festgelegte Gehalt von Bernd Osterloh im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht“, sagte der Betriebsratssprecher. Dies werde durch ein externes Gutachten eines renommierten Arbeitsrechtsexperten bestätigt. Darauf verwies auch ein Konzernsprecher erneut: „Dieser kommt zu dem Schluss, dass die vom Unternehmen vorgenommene Eingruppierung von Bernd Osterloh den Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes entspricht.“ VW gehe daher davon aus, dass die Vergütung in jeder Hinsicht mit den rechtlichen Vorgaben im Einklang stehe. „Dies gilt selbstverständlich auch im Zusammenhang mit steuerrechtlichen Fragen.“

Osterloh soll in einem Jahr 750.000 Euro verdient haben

VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing.
VW-Personalvorstand Karlheinz Blessing. © ddp images/Sven Simon | Malte Ossowski/SVEN SIMON

Osterloh erhält nach eigenen Angaben ein Grundgehalt von 200.000 Euro pro Jahr plus Boni, vergleichbar mit einem Bereichsleiter – der mächtige Betriebsratschef gilt auch als Co-Manager. „In der Spitze lag damit mein Jahresgehalt einmal bei rund 750.000 Euro“, berichtete er im Mai im Interview mit unserer Redaktion, „aktuell ist es deutlich niedriger.“ Weil er – wie die Belegschaft – auf einen Teil seines Bonus verzichtet, würde sich die Bonuszahlung für 2016 von 386.000 auf 290.000 Euro reduzieren. Die Verzichtserklärung gelte auch in diesem Jahr noch.

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz soll ein freigestellter Betriebsrat so viel verdienen, wie er verdienen würde, wenn er sich nicht für eine Betriebsratskarriere entschieden, sondern auf Unternehmensseite weitergearbeitet hätte. Osterloh hätte 2015 Konzern-Personalvorstand werden können. Auch laut VW hatte er „mehrfach konkrete Angebote erhalten, Management-Funktionen zu übernehmen“.

Belasten Ermittlungen die nächsten Betriebsratswahlen?

Der Finanzvorstand von VW: Frank Witter.
Der Finanzvorstand von VW: Frank Witter. © imago/Susanne Hübner | imago stock&people

Kann ein Betriebsrat nachweisen, dass er nur aufgrund der Übernahme des Mandats nicht in eine besser bezahlte Position gekommen ist, hat er einen Anspruch auf diese Vergütung. Das erklärt Horst Call, Professor für Arbeitsrecht an der Ostfalia-Hochschule – unabhängig von VW. Aber: „Ob für einen solchen Nachweis die bloße Vorlage arbeitgeberseitiger Angebote ausreicht, die das Betriebsratsmitglied während einer langjährigen Tätigkeit als freigestelltes Betriebsratsmitglied erhalten hat, kann bezweifelt werden – zumal in diesen Fällen ein gewisses Missbrauchsrisiko nicht auszuschließen ist.“

„Ich bin da mit mir im Reinen“, hatte Osterloh im Interview gesagt – auch wenn ihn die Ermittlungen belasteten. Belasten könnten diese auch die Betriebsratswahlen im März. Stefan Bratzel, der das Auto-Institut in Bergisch Gladbach leitet, meint: „Das stärkt nicht gerade die Position des amtierenden Betriebsrats.“

Osterloh hatte den Vorsitz 2005 nach dem Rücktritt von Klaus Volkert übernommen. Der musste später ins Gefängnis – wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue.

Einen Kommentar zum Thema finden Sie hier: Razzia im Vakuum