Berlin. In zwölf Monaten stieg der Preis von Butter um 70 Prozent. Wie es zu der Entwicklung gekommen ist und was daraus folgt.

Noch vor gut einem Jahr demonstrierten Bauern regelmäßig gegen den Verfall der Milchpreise. Zwischenzeitlich verteuerte sich Butter bis September innerhalb von zwölf Monaten um 70 Prozent – und damit so stark wie seit gut 26 Jahren nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Beim Discounter kostet ein halbes Pfund derzeit etwa 1,99 Euro. Viele Verbraucher schütteln verwundert den Kopf, können die Entwicklung kaum nachvollziehen. Unsere Zeitung beantwortet dazu wichtige Fragen:

• Warum ist Butter so teuer geworden?

Ein Grund ist die Liberalisierung des Marktes. Die früher in der Europäischen Union übliche Regulierung der Milchproduktion gibt es seit 2015 nicht mehr. In der Folge haben die Landwirte mehr Milch erzeugt, was zu einem Überangebot führte. Die Preise waren daraufhin zunächst eingebrochen. Im letzten Jahr hatte die Milchkrise ihren Höhepunkt erreicht. Für einen Liter Rohmilch zahlten die Molkereien nur gut 23 Cent an die Landwirte.

Als eine Reaktion auf die finanziell für viele Betriebe existenzbedrohende Lage verringerten die Bauern die Milchproduktion in Deutschland um bis zu drei Prozent. Da zugleich die Nachfrage nach Milchfett, aus dem Butter hergestellt wird, anstieg, gingen auch die Erzeugerpreise wieder kräftig nach oben. Im August konnten die Landwirte für jeden Liter Milch rund 37 Cent einnehmen. Diese Steigerung wurde an die End­verbraucher im Supermarkt weitergegeben, der wichtigste Grund.

• Gibt es auch bei anderen Milchprodukten Preissteigerungen?

Das Statistische Bundesamt hat am Montag die aktuelle Teuerung bei Molkereiprodukten veröffentlicht. Spitzenreiter ist Butter mit einem Plus von 70 Prozent gegenüber dem Herbst 2016. Sahne ist 34 Prozent teurer als vor einem Jahr, Frischmilch 27 Prozent und Hartkäse elf Prozent.

• Wie beliebt ist Butter?

Im Durchschnitt verbraucht jeder Bundesbürger sechs Kilogramm Butter im Jahr – mit steigender Tendenz. Als Geschmacksträger werde sowohl von Verbrauchern als auch von der Ernährungsindustrie wieder mehr Milchfett verwendet. Milchmarktexperte Andreas Gorn sieht darin auch eine Rückkehr der Konsumenten zum Genuss. Zwar ist der Verkauf reiner Butter in diesem Jahr aufgrund der gestiegenen Preise um fast neun Prozent gesunken. Doch greifen viele Verbraucher inzwischen mehr zu Mischprodukten aus Butter und Pflanzenöl. Dieses Streichfett wird im Kühlschrank nicht so hart und ist oft in praktischen Behältern verpackt.

• Haben die Milchbauern damit ihre finanzielle Krise überwunden?

Die Landwirtschaftsverbände sehen durch den Preisanstieg allenfalls eine Erholdung der gebeutelten Milchbauern. Nach Berechnungen des Büros für Agrarsoziologie und Landwirtschaft (BAL) liegen die Erzeugerkosten bei 41 Cent je Liter Milch. Damit würden die Landwirte immer noch zu wenig für ihre Milch einnehmen. Es gibt auch andere Berechnungen, die von einer Kostendeckung ab 35 Cent ausgehen. Die rege Investitionstätigkeit der Viehhalter deutet darauf hin, dass es wieder Spielräume für neue Ställe gebe. Das aktuelle Konjunkturbarometer des Deutschen Bauernverbands (DBV) zeigt wiederum, dass sich die Zukunftserwartungen der Landwirte eingetrübt haben.

• Bilden sich die Preise für Milch, Käse und Butter frei am Markt?

Grundsätzlich sollen Angebot und Nachfrage das Preisniveau regeln. Doch die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist so wichtig, dass die Politik immer wieder eingreift. Die Agrarwirtschaft ist der größte Subventionsempfänger der EU. Während der Preiskrise am Milchmarkt 2016 gewährte die Politik den Bauern Millionenhilfen. Zweimal jährlich setzen sich Handel und Molkereien zusammen und legen den Milchpreis fest. Die Preismacht der Handelskonzerne ist dabei enorm. Die größten Lebensmittelketten erzielen 80 Prozent des Umsatzes. Die Molkereilandschaft ist dagegen zersplittert – Erzeugern und Molkereien fällt es deshalb schwer, ihre Vorstellungen durchzusetzen.

• Steigen die Preise weiter?

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Anfang November stehen die nächsten Preisverhandlungen zwischen Handel und Molkereien an. Die Verträge laufen jeweils über ein halbes Jahr. Vom Ergebnis wird die Preisentwicklung der nächsten Monate abhängen. Ute Egner vom Statistischen Bundesamt sieht keinen Grund zur Entwarnung: „Es gibt noch keinen Abbruch der Tendenz.“ Dagegen sieht der Sprecher des Milchviehhalter-Verbands, Hans Foldenauer, die Gefahr eines erneuten Einbruchs beim Milchpreis. Die Milchmenge sei um drei Prozent gestiegen. „Das hat riesige Auswirkungen auf den Markt.“

• Warum betrifft die Preisentwicklung Butter stärker als andere Milchprodukte?

Das hat mehrere Ursachen. Die Nachfrage nach Milchfett, aus dem Butter gemacht wird, stieg zunächst an. Zugleich ging die hergestellte Menge zurück. Die Bauern hätten die Futterzusammensetzung für Milchkühe verändert, erläutert Foldenauer, sodass der Fettanteil der Milch gesunken sei. Zudem hätten die Molkereien ihre Absatzchancen falsch eingeschätzt und verstärkt in die Produktion von Milchpulver investiert, statt in Fettprodukte. Doch die erhoffte Nachfrage aus China oder Indien blieb aus. So gibt es derzeit gewaltige Lagerbestände an Milchpulver. Für die Verbraucher ist dies eine eher gute Nachricht. Denn das Milchpulver wird von der Industrie für viele Produkte eingesetzt. Etwa Kekse, Schokoladen oder Eiscreme. Hier dürften die Preise also erst einmal stabil bleiben.