Salzgitter. Der Zugbauer Alstom will mit Siemens’ Bahngeschäft fusionieren. Was Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge zu dem Zusammenschluss sagt.

Henri Poupart-Lafarge leitet als Vorstandsvorsitzender und CEO den französischen Zugbauer Alstom. Stimmen die Kartellbehörden der Fusion zu, wird der 48-Jährige im Jahr 2018 Chef des neuen Bahn-Riesen Siemens-Alstom, in dem Siemens sein Bahn-Geschäft mit Alstom zusammenlegt. In seinem ersten Interview seit Bekanntgabe der Fusionspläne, berichtete er von seinen strategischen Visionen.

Welche Pläne haben Sie für das Unternehmen Siemens-Alstom?

Henri Poupart-Lafarge: Es gibt eine globale Vision mit zwei Elementen. Zum einen ist das Unternehmen global und richtet sich auch an den weltweiten Markt. Deshalb müssen wir eine kritische Größe auf allen Kontinenten erreichen. Zum anderen wollen wir technische Lösungen für Verkehrsbehörden anbieten. Alle Städte und Regionen der Welt stehen vor extremen Mobilitäts­herausforderungen, die Mobilitätsrevolution ist da. Die Städte sind vom Verkehr belastet. In schnell wachsenden Ländern gibt es nicht genug Mobilitätsangebote, sie versinken im Stau. Wir glauben, die einzige Antwort auf diese Herausforderungen sind nicht einzelne Produkte, sondern ein komplettes Mobilitätssystem. Für uns bedeutet das, globale Lösungen anzubieten, die sowohl die Steuerung des Schienennetzes einschließen als auch das multimodale Management zwischen Zugverkehr und Bussen, Taxis, den autonomen Autos der Zukunft, Parken und so weiter.

Aber Ihr chinesischer Konkurrent CRRC – ein Grund für den Zusammenschluss – wird auch künftig noch größer sein. Können Sie da mithalten?

Poupart-Lafarge: Die Wettbewerber aus China versuchen weltweit Fuß zu fassen. Aber wir haben unsere eigenen Stärken. Zum einen bieten wir Gesamtlösungen an, zum anderen sind unsere Züge maßgeschneidert. Ein Ziel der Partnerschaft mit Siemens ist, die Plattform-Strategie auszubauen, also gleiche Bauteile zu nutzen. Zugleich bauen wir damit exakt den Zug, den der Kunde braucht. Wir bieten Lösungen vom einzelnen Zug bis zum Gesamtsystem an und sind schon heute weltweit präsent. Der Zusammenschluss wurde nicht von einem Element diktiert, es geht nicht um Konkurrenz aus China. Ich glaube, am Ende werden ein paar wenige globale und ein paar regionale Player miteinander konkurrieren. Wir wollen der Anführer der Global Player sein.

Siemens war auch an Bombardier interessiert, und auch Alstom führte Gespräche mit Bombardier. Wie haben Sie Siemens-Chef Joe Kaeser von sich überzeugt?

Poupart-Lafarge: (lacht) Wir wussten seit Langem, dass Siemens die perfekte Partie ist. Und Siemens wusste lange, dass Alstom die perfekte Partie ist. Als wir in der Vergangenheit Gespräche geführt haben, erwog Siemens noch verschiedene Modelle von der Ausgliederung bis zum Joint Venture. Diesmal kamen wir mit einer sehr zufriedenstellenden Lösung, die wir jetzt auch anstreben: die beiden Gesellschaften zu kombinieren, während Siemens die Mehrheit der Anteile hält. Das heißt eine agile eigenständige Gruppe, die gleichzeitig von Siemens’ und Alstoms’ Technologien profitiert.

Wie werden die Aufgaben zwischen Alstom und Siemens verteilt?

Poupart-Lafarge: Heute sind wir Wettbewerber – und das sind wir bis zum erfolgreichen Abschluss des Deals. Wir haben gemeinsam ein großes Produktportfolio, das danach globaler sein wird und nicht mehr zu Siemens oder Alstom gehört. Im zweiten und dritten Schritt werden wir das Portfolio zwar nicht verkleinern, aber eine Plattform daraus machen. Das heißt, wir brauchen gemeinsame Produktionsprozesse. In unserer Industrie entscheidet aber immer der Kunde. Wenn er einen Zug haben will, den bisher Siemens baut, bekommt er den, wenn er einen möchte, den Alstom baut, bekommt er den. Wir konkurrieren übrigens bisher nur bei etwa zehn Prozent unseres Angebots mit Siemens. Überschneidungen gibt es kaum. Bei mehr als der Hälfte des Angebots ist einer von beiden viel besser als der andere. Es wird also nicht zu komplex.

Der ICE wird also nicht von den Gleisen verschwinden?

Poupart-Lafarge: Auf keinen Fall, große Projekte laufen natürlich weiter. Außerdem unterscheidet sich das französische Schienennetz sehr vom deutschen. Deutschland hat viele große Städte, während es in Frankreich wenige sehr große Städte gibt.

Haben Sie konkrete Einsparziele?

Poupart-Lafarge: Dafür ist es zu früh. Nochmal: Beide Unternehmen sind stark, machen Gewinne. Zusammen werden wir besser sein. Natürlich gibt es ein finanzielles Element, aber es ist zu früh für genaue Zahlen.

Warum soll Siemens-Alstom in Paris sitzen, obwohl Siemens 51 Prozent der Anteile hält? Zudem ist der neue Chef Franzose.

Poupart-Lafarge: Niemand ist perfekt (lacht). Wir sollten nicht in Nationalitäten denken. Dass die Zentrale in Paris ist, illustriert die Balance, die Siemens und wir haben möchten.