Berlin. Nach dem Teilkauf von Air Berlin durch Lufthansa werden die Folgen klar: Kunden müssen sich auf weniger Flugverbindungen einstellen.

Jahrelang kannten die Zahlen an Berlins Flughäfen nur eine Richtung: steil nach oben. Mehr Verbindungen, mehr Passagiere. Das Aus für Air Berlin wird jedoch für eine Delle sorgen, auch wenn die Lufthansa am Donnerstag große Teile der insolventen Airline übernommen hat. „Es wird eine Verringerung des Angebots geben“, sagte Berlins oberster Tourismuswerber Burkhard Kieker. Mitte 2018, so vermutet Kieker, werde der bisherige Zustand im Berliner Luftverkehr wieder erreicht.

Kunden in ganz Deutschland spüren die Engpässe bereits. Und sie sorgen sich, die Lufthansa und ihre Tochter Eurowings könnten auf einzelnen Strecken ein Monopol ausnutzen. Tüv-Mitarbeiter Thomas Pfaff fliegt seit Jahren jede Woche von Berlin nach Köln und zurück. Die Lufthansa und ihre Töchter seien hoffnungslos mit der Bewältigung der Fluggastzahlen auf der Strecke Berlin–Köln–Berlin überfordert, berichtet der Vielflieger. Die Preise auf dieser Strecke hätten sich „im Vergleich zu Air-Berlin-Zeiten verzweifacht bis verdreifacht“.

Lufthansa will „möglichst viel Verkehr“ aufrecht erhalten

Lufthansa-Chef Carsten Spohr sagte am Donnerstagmorgen im Berliner Capital Club, man werde versuchen „möglichst viel Verkehr aufrechtzuerhalten“. Er hoffe, „stabile Operations“ in sechs bis neun Monaten zu erreichen. Um möglichst wenige Passagiere stehen zu lassen, setzt die Lufthansa zwischen Tegel und Frankfurt sogar einen Jumbo vom Typ Boeing 747 ein.

Das Ende von Air Berlin – Chronik eines Sinkflugs

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    Es gebe aber ein „klares Commitment der Lufthansa, die Lücken zu besetzen“, blickte Spohr in die Zukunft. Berlin sei der dynamischste Luftverkehrsmarkt in Europa, da werde man „nicht so blöd sein, das zu verpennen“, sagte Spohr.

    Lufthana kehrt an ihren Gründungsort zurück

    So sei man im Gespräch, ein zweites Langstreckenflugzeug in Tegel zu stationieren, mehr ließen sich dort nicht sinnvoll betreiben. Spohr bemühte große Worte. Von einem „historischen Tag“ sprach der Manager. Die Lufthansa sei damit an den Ort zurückgekehrt, wo sie 1926 gegründet worden war: „Die Lufthansa wird wieder zum Heimatcarrier von Berlin.“

    Von dem bereits vor einem halben Jahr vereinbarten Gespräch mit Berliner Wirtschaftsvertretern eilte Spohr zum Notar, um den Vertrag zur Übernahme der Air-Berlin-Teile zu unterzeichnen, die vor allem die Billigtochter Eurowings betreiben soll. Der Ferienflieger Niki und die Regional-Airline Walter gehen an die deutsche Nummer eins. Zudem übernimmt die Lufthansa 20 weitere Jets. Insgesamt gehen für 210 Millionen Euro 81 Flugzeuge über, etwas mehr als die Hälfte der Flotte des einstigen Konkurrenten. Die Jets werden jedoch nicht gekauft, sondern Lufthansa steigt in die Leasingverträge der Air Berlin ein.

    Air Berlin kann mit der Kaufsumme Kredit vom Bund bedienen

    Spohr nannte im Capital Club noch die Zahl von 1,5 Milliarden Euro, die der Lufthansa-Aufsichtsrat genehmigt habe. Damit meinte der Manager jedoch das gesamte Budget, um der Billigtochter Eurowings zu Wachstum zu verhelfen. Mit den Air-Berlin-Jets wird die Fluglinie mit 210 Flugzeugen zu den größten in Europa zählen. Lufthansa bekommt also mit Air Berlin sehr schnell und relativ günstig die Möglichkeit, seine Tochter groß zu machen.

    Mit den 210 Millionen Euro Kaufpreis kann Air Berlin die 150 Millionen Notkredit zurückzahlen. Damit hatte der Bund im August ein „Grounding“ verhindert, nachdem Großaktionär Etihad nach Milliardenverlusten den Geldhahn zugedreht hatte.

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      Gespräche mit Easyjet noch nicht abgeschlossen

      Noch nicht abgeschlossen waren bis Donnerstagabend die Gespräche des Air-Berlin-Generalbevollmächtigten Frank Kebekus mit Easyjet, wie Air Berlin am Donnerstag offiziell mitteilte. Der Billigflieger interessiert sich für etwa 30 Maschinen. Branchenkenner halten es für kaum denkbar, dass sich die Briten die Expansionschancen aus der Konkursmasse entgehen lassen. Zumal ihr Hauptkonkurrent Ryanair derzeit wegen Engpässen beim Personal seine Expansion drosseln muss und zuletzt Tausende Flüge gestrichen hatte.

      Sollte sich eine Einigung aber auch nur bis Freitag hinziehen, endet die Exklusivität für Easyjet. Kebekus könnte für die Air Berlin wieder mit anderen Bietern verhandeln. Die Zeit drängt. Am 28. Oktober wird Air Berlin den Betrieb einstellen. Am 24. tagt der Gläubigerausschuss. Dieser Termin ist die letzte Möglichkeit, vor einem „Grounding“ der verbleibenden Teile der Airline ein Übernahmeangebot abzusegnen.

      EU-Kommission muss noch ihr Okay geben

      Noch ist aber auch der Lufthansa-Deal nicht perfekt: „Aufatmen können wir jedoch erst, wenn die EU-Kommission die Transaktion final bestätigt hat“, sagte Kebekus. Das Europäische Kartellamt wird prüfen, ob und auf welchen Strecken die Lufthansa eben doch eine marktbeherrschende Stellung erlangt.

      Carsten Spohr bemühte sich am Donnerstag, die Position der Lufthansa kleinzureden. Er verwies auf den zersplitterten europäischen Luftfahrtmarkt, in dem die fünf größten Airlines zusammen auf einen Marktanteil von 43 Prozent kämen. In Amerika teilten sich die größten fünf Wettbewerber 90 Prozent. In Deutschland habe die Lufthansa derzeit 34 Prozent Marktanteil, mit dem Zukauf bei Air Berlin würden es 41 Prozent sein. Luftfahrtexperten gehen davon aus, dass es in anderen europäischen Ländern stärkere Positionen früherer Staatsairlines wie Air France gibt, ohne dass Brüssel das beanstandet.

      Perspektive für Teil der Air Berlin-Belegschaft

      Auch wenn die Lufthansa auf eine positive Entscheidung der Wettbewerbshüter hofft, stellt die Übergangsphase aber ein Problem dar. Der Käufer in spe muss einen Weg finden, seine neuen Beteiligungen bis zum Okay des europäischen Patentamtes in der Luft zu halten, obwohl er noch kein Geld zuschießen darf. Spohr deutete an, die Lufthansa könnte deshalb einfach alle Niki-Sitze aufkaufen und an eigene Kunden weiter veräußern. Die Regionalflieger von Walter könnten mitsamt Crews geleast werden.

      Für Teile der 8000 Air-Berlin-Mitarbeiter gibt es mit dem Abschluss mit der Lufthansa eine Perspektive. Die Belegschaften von Niki und Walter, zusammen 1700 Personen, werden mit Betriebsübergängen kollektiv übernommen. 1300 weitere Beschäftigte sollen neu eingestellt werden. Air-Berliner müssen sich individuell bewerben.

      Fliegendes Personal hat gute Chancen auf neue Jobs

      Die Chancen für das fliegende Personal dürften nicht schlecht sein, denn Eurowings braucht schnell Personal. Die Air Berlin-Crews seien sehr gut darin, das auch für Lufthansa wichtige „emotionale Thema“ des Fliegens zu bedienen, lobte Spohr: „Deshalb will ich so viele wie möglich zu uns holen.“

      Die Gewerkschaft Verdi hält es nach den Worten eines Sprechers jedoch für eine „Sauerei“, dass sich die Mitarbeiter nun wieder auf ihre alten Jobs bewerben müssten. Die Lufthansa picke sich die Rosinen aus. Ältere, teurere und weniger leistungsfähige Beschäftigte blieben dabei auf der Strecke.

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