Berlin. Viele Jugendliche vertrauen beim Kauf von Kleidung den Tipps von Freunden. Das Berliner Start-up Yeay bietet dafür eine Plattform.

  • Per Video Klamotten anbieten und den Kleider ausmisten: Dabei will eine App helfen.
  • „Yeay“ macht damit international Wirbel und spricht Influencer an
  • Dahinter steckt ein Start-Up aus Berlin

Wenn Justin Schmidt lacht, dann lachen seine Augen mit. Auch wenn er lächelt, in Videos oder Fotos im Internet, dann steht in den Kommentaren darunter: „Du bist voll hübsch.“ Justin ist ein sogenannter Influencer, erreicht also Hunderttausende Jugendliche mit dem, was er sagt und im Internet postet. Er „beeinflusst“ sie, auf englisch: „to influence“. Und weil Englisch für Justin schon so normal geworden ist, sagt er Sätze wie: „It’s all about Wirkung.“ Er meint damit, dass er glaubwürdig bleiben muss, wenn er in die Kamera spricht. „Es kommt darauf an, dass du es ehrlich rüberbringst“, sagt er, „sonst merken das die Kiddies ganz schnell und abonnieren deine Videos nicht mehr.“

Kiddies, so nennt Justin Schmidt seine Zielgruppe, und ganz falsch ist das nicht, denn die meisten sind so wie er Jugendliche oder junge Erwachsene. Er selbst ist 18 Jahre alt, geht in die 13. Klasse einer Fachhochschule und ist seit zwei Jahren Influencer. Er erreicht seine Fans bei Twitter (10.000) Snapchat (20.000), bei Youtube (35.000), Instagram (220.000) oder Musically (fast 400.000). Seit gut einem Jahr verkauft er auch Kleidung – und zwar auf Yeay im Internet.

Eigene Mode anbieten oder für große Marken werben

Yeay ist eine neue App, die wie geschaffen ist für Leute wie Justin Schmidt. Per Kurzvideo wird ein Produkt angepriesen – wie Sportschuhe, Ohrringe oder Hoodies –, und mittels weniger Klicks kann man es sich nach Hause schicken lassen. Diese Videos kann jeder erstellen, der sich die kurze Einführung anschaut. Darunter ist Pa­tricia Fields, die Ex-Designerin der US-Serie „Sex and the City“, aber auch viele Jugendliche, die eine Schirmmütze oder ein Paar Schuhe zu viel haben und diese verkaufen möchten. Jeder kann auf dem Marktplatz etwas anbieten. Aber Zielgruppe sind besonders die 14- bis 22-Jährigen, weil diese bereits durch Snapchat und Instagram intuitiv wissen, wie man per Video ein Produkt am besten in Szene setzt.

Die Berliner Gründerin von Yeay, Melanie Mohr, kam auf die Idee zu der App, weil sie bei ihren zwei älteren Kindern – 19 und 16 Jahre alt – gesehen hat, wie diese mit ihrem Telefon umgehen. „Sie nutzen ihr Smartphone zum Großteil dazu, um mit Freunden in Kontakt zu bleiben“, sagt sie. Da gehe es nicht nur um Selbstdarstellung, vielmehr sei das Schicken von Fotos oder Videos eine grundsätzlich neue Art, miteinander zu kommunizieren. „Als ich dann in einem Artikel las, dass diese Generation nicht mit TV-Shopping erreichbar ist, dachte ich, dass es da eine Lücke gibt, die ich füllen könnte.“

Der M-Commerce wächst 200 Prozent schneller als der E-Commerce

Sie schuf eine App, die wie eine Mischung aus Snapchat und Ebay aussieht: ein buntes sich ständig bewegendes Warenhausschaufenster. Die Models sind meist die Jugendlichen selbst. „Jeder Jugendliche hat doch irgendwas zu Hause, das er gern verkaufen will“, sagt Mohr, „und andere designen schon mit 16 ihre ersten T-Shirts selbst und wollen diese vielleicht auch selbst verkaufen.“ Die Idee hat bisher funktioniert. Begonnen im Dezember 2015 konnte Mohr die App innerhalb eines Jahres starten. Weltweit haben sich die App bereits 700.000 Menschen in 160 Ländern heruntergeladen, die in 18 Sprachen erhältlich ist.

Rund 200.000 aktive Mitglieder hat Yeay – Tendenz steigend. Sie verkaufen Dinge oder machen Werbung für Konzerne, vor allem für solche Unternehmen, die junge Zielgruppen erreichen wollen. Denn mit landläufiger Werbung im Fernsehen und klassischem Internet erreichen sie Jugendliche nicht mehr. Laut „Forbes“ könnten 2018 auf dem Markt des mobilen Shoppings bereits rund 500 Milliarden Euro umgesetzt werden. Dieser sogenannte M-Commerce wächst 200 Prozent schneller als der E-Commerce, der traditionelle Handel im Internet.

Nachhilfe bekommen die großen Firmen

Alles, was die jungen Modeschöpfer zunächst brauchen, ist eine Mode-Idee, die sie dann selbst zum Beispiel bei einer T-Shirt-Firma wie „Shirtinator“ oder „Print all over me“ bestellen können. „Wir haben schon 15-Jährige auf unserer Plattform gehabt, die sehr originelle Kollektionen entworfen haben“, sagt Melanie Mohr. Viele vermarkten ihr Produkt mit einem eigenen Video, verbreiten es in sozialen Netzwerken und schaffen so eine Nachfrage. „Den meisten der jungen Menschen müssen wir das gar nicht erklären, wie sie ein Produkt in Szene setzen für ein kurzes Mobil-Video“, sagt Mohr, „aber wir geben einigen großen Unternehmen Nachhilfe, damit sie den richtigen Ton treffen.“ Dabei helfen 40 Mitarbeiter, die oft jünger sind als die 44-jährige Chefin.

Bisher verdient Yeay nicht daran, wenn Justin Schmidt oder andere ihre selbst kreierte Mode dort verkaufen. Doch künftig können Jugendliche auch Werbevideos für Kleidung von Herstellern drehen. Entscheidet sich ein Käufer dann aufgrund dieser Präsentation für das Produkt, bekommt der Videomacher einen Anteil der Kaufsumme. Und auch Yeay erhält dann zwischen zehn und 15 Prozent des Preises.

„Der beste Drive für guten Content ist Leidenschaft“

Melanie Mohr vergleicht den möglichen Erfolg gern mit dem Video einer Frau mit der Chewbacca-Maske, dem Fellmonster aus Star Wars. Die 37-Jährige Texanerin Candace Payne hatte sich mit der Maske gefilmt – und das Video wurde weltweit 140 Millionen Mal geteilt. Die Chewbacca-Masken waren daraufhin in den USA vorübergehend ausverkauft.

In ihrem Business-Englisch drückt Mohr es so aus: „Der beste Drive für guten Content ist Leidenschaft.“ Das sei etwas, das man nicht oder nur schwer fälschen könne. „Die Generation Z lässt sich anders kaum noch erreichen“, ist sie überzeugt. „Wir wissen aus einer Umfrage, dass 83 Prozent der jungen Internetnutzer keine Branded Posts haben wollen.“ Sie vertrauten vielmehr auf das, was ihre Freunde ihnen empfehlen.