Hamburg. Anbieter von Lebensversicherungen prüfen den Verkauf der Bestände an Abwickler. Verbraucherschützer warnen vor Nachteilen für Kunden.

Eine Lebensversicherung galt den Deutschen jahrzehntelang als Symbol für Stabilität. Sie bot nicht die höchste Rendite, die man als langfristig orientierter Sparer erzielen konnte, aber eine vergleichsweise ordent­liche – und das mit garantierter Untergrenze. Doch je länger die Niedrigzinsphase dauert, umso stärker leidet das Image der Branche. Jetzt dürfte es sich weiter verschlechtern: Zwei der größten Anbieter, Ergo und Generali, prüfen den Verkauf ihrer Lebensversicherungsbestände an spezialisierte Abwickler, Neuverträge schließen sie ohnehin nicht mehr ab. Verbraucherschützer fürchten Nachteile für die Kunden.

• Wie „funktioniert“ eine Lebensversicherung?

Lebensversicherungen sind Verträge mit einer Laufzeit von oft 30 Jahren oder mehr. Zwischen 70 und 80 Prozent der regelmäßigen Beitragszahlungen der Kunden legt der Anbieter am Kapitalmarkt an, der Rest deckt laufende Kosten des Unternehmens. Aus den Erträgen der Kapitalanlagen muss eine Garantieverzinsung finanziert werden, die über die gesamte Vertragslaufzeit konstant bleibt. Die Zinsgarantie orientiert sich an durchschnittlichen Renditen erstklassiger Staatsanleihen und wird in regelmäßigen Abständen vom Bundesfinanzministerium für Neuverträge festgelegt.

Erzielt der Versicherer bei der Anlage des Kundengelds höhere Erträge, als er für die Garantie benötigt, verwendet er einen Teil des Gewinns für einen Sicherheitspuffer und schreibt den Policen in seinem Bestand außerdem eine sogenannte Überschussbeteiligung gut. Sie gilt jeweils für ein Jahr im Voraus. Wird ein Versicherungsvertrag regulär beendet, erhält der Kunde zudem einen Anteil an dem Sicherheitspuffer in Form des Schlussüberschusses.

• Warum kommen Lebensversicherer jetzt in Bedrängnis?

Wegen der langfristigen Garantien sind die Anbieter bei der Kapitalanlage an strenge Vorschriften gebunden, sie dürfen nicht nach Belieben spekulieren. Festverzinsliche, lang laufende Wertpapiere machen den Großteil der Kapitalanlagen aus. Daher drückt die anhaltende Niedrigzinsphase die Versicherer immer stärker: Wenn ältere, noch gut verzinste Anleihen auslaufen, finden sich am Kapitalmarkt keine neuen, hinreichend sicheren Anlagemöglichkeiten mit attraktiver Rendite mehr. Im Branchenschnitt liegt die laufende Verzinsung aus Kapitalanlagen schon unter der Gesamtverzinsung, die man den Kunden bietet – die Lebensversicherer müssen also Reserven auflösen.

• Wie wollen die Abwickler profitabel arbeiten können?

In Deutschland haben sich mehrere professionelle Abwickler wie Viridium und Frankfurter Leben etabliert, die solche Verträge im Block kaufen. Bisher haben sie nur kleinere Bestände übernommen. Sollten sich aber Ergo und Generali für den Verkauf entscheiden, ginge es um insgesamt etwa zehn Millionen Verträge. Die Abwickler setzen auf IT-Ausstattung, die der der Versicherer überlegen ist, und auf eine schlanke Organisation: Weil es kein Neugeschäft gibt, gibt es keinen Vertrieb. Wegen dieser Kostenvorteile versprechen sich die Spezialisten einen Gewinn aus den Altverträgen.

• Hat ein Kunde Nachteile aus dem Verkauf seines Vertrags?

Das ist umstritten. Die Abwickler sagen, für die Kunden ändere sich nichts. Sie müssten sogar an den entstehenden Kostenvorteilen beteiligt werden, das sei gesetzlich geregelt – schließlich muss die Aufsichtsbehörde Bafin jeden Verkauf von Versicherungsbeständen prüfen. Der Bund der Versicherten sieht Gefahren für die Kunden. „Wenn ein Investor diese Bestände kauft, dann tut er das mit dem Ziel, möglichst viel Rendite zu erwirtschaften. Das geht aber nur, wenn er den Versicherten möglichst viele Überschüsse vorenthält und in die eigene Tasche steckt“, sagt Vorstandssprecher Axel Kleinlein.

• Kann sich ein Kunde gegen den Verkauf seiner Versicherung wehren?

„Nein, man kann nichts dagegen tun“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir raten aber dazu, Beschwerden an die Aufsichtsbehörde Bafin zu richten.“

• Kann man sein in die Versicherung eingezahltes Geld verlieren?

Bisher ist das in Deutschland nicht geschehen. Für den Fall, dass ein Lebensversicherer ins Straucheln kommt, hat die Branche die Firma Protektor gegründet. Sie soll Verträge eines insolventen Anbieters fortführen, sodass die Leistungen für die Versicherten gleich bleiben. Experten sind sich einig, dass Protektor mit einer Schieflage mehrerer größerer Anbieter überfordert wäre. Dann könnte eine Ausnahmeregel greifen: Der Garantiezins für Altverträge darf rückwirkend gesenkt werden, damit würde der Versicherer entlastet.