Berlin. Hartmut Esslinger gestaltete die legendären Macintosh-Computer des Technikkonzerns Apple. An den Produkten heute stört ihn einiges.

Im Silicon Valley nennen sie ihn den „German Guy“: Hartmut Esslinger. Der Designer hat schon während seines Studiums an der Fachhochschule für Gestaltung in Schwäbisch Gmünd 1969 seine eigene Firma gegründet und für Louis Vuitton, Texas Instruments, Sony und Kaldewei gearbeitet, dann lernte er 1980 Apple-Gründer Steve Jobs kennen.

„Als Steve meine ersten Entwürfe für den Mac und Apple 2 sah, fragte er mich, ob ich spinne. Steve wollte den Sony-Stil, er war auch ein Kopierer, das wird heute oft vergessen“, sagt Esslinger heute. „Ich sagte ihm, Steve, das geht nicht. Guck nicht auf Sony, das passt nicht zu Apple.“

Mac-Design von Bauhaus und Braun geprägt

Im jungen Unternehmen hätten viele Mitarbeiter seine Ideen zum Teil sogar boykottiert, verrät Esslinger jetzt bei einem Treffen in Frankfurt/Main. „Am Ende sagte Steve: Wenn sich das verkauft, fliegt ihr raus. Wenn nicht, fliegt der Deutsche.“ Am ersten Tag gingen 50.000 Computer über die Ladentheke. Der German Guy blieb und schuf mit Jobs das von deutschen Institutionen wie Bauhaus und Braun geprägte Design der Macintosh-Computer.

Wenig zufrieden ist Esslinger dagegen heute mit dem jüngst vorgestellten iPhone X. „Ich mag das Display nicht. Das Problem ist, dass der schwarze Balken am oberen Rand das ganze Bild zerstört. Unter Steve wäre das nicht passiert.“

Designer fordert von Autoindustrie mehr Mut

Esslinger, der heute die US-Staatsbürgerschaft besitzt, nutzte seinen Besuch auf der Zukunftsmesse me Convention in Frankfurt auch dazu, um von deutschen Autoherstellern und Zulieferern mehr Mut bei neuen Produkten und Designs zu fordern. „Die vernetzte Mobilität erfordert ein ganz neues Denken“, sagt Esslinger. „Autofirmen müssen Computerfirmen werden. Aber die Autofirmen mit ihren langen und die Computerfirmen mit ihren kurzen Produktzyklen finden nicht zusammen.“

Computer müssten in Zukunft viel austauschbarer werden. „Im Augenblick fordert der TÜV, dass in den Autos wegen der Crashsicherheit alles fest eingebaut ist. Theoretisch kann man ein iPad ins Auto einbauen, das muss dann aber andere physikalische Dinge überstehen, als es im Augenblick vermag.“

Problem der E-Autos: Sie sehen aus wie Autos

1998 hatte Esslinger behauptet, dass E-Autos in Zukunft ganz anders aussehen würden. Damit lag er falsch. „Das Problem mit Tesla ist, dass es wie ein Auto aussieht, aber keins ist“, sagt Esslinger. „Aber die Autoindustrie definiert sich über Styling, nicht über Design.“ Dass bei E-Autos die Begrenzung durch den Verbrennungsmotor weggefallen sei, sei am Design noch nicht erkennbar.

Die vernetzte Mobilität der Zukunft bedeute einen Paradigmenwechsel, den die Industrie noch nicht verstanden habe. „Es reicht nicht, Skizzen zu machen, wie der Lufteinlass neben dem Armaturenbrett aussehen soll. Man muss Mobilität ganz neu denken. Design ist Konzept.“ Für Esslinger gibt es in der Autoindustrie keine Elektro-, eher eine Vernetzungswelle. „Wir wollen mehr Mobilität mit weniger Aufwand. Das geht aber nur mit Sharing-Konzepten, und das ist in Deutschland schlecht vermittelbar.“

Esslinger: Brauchen mehr austauschbare Teile

Das Fortschreiten des „Internet der Dinge“ macht Esslinger aber Hoffnung, dass die Industrie mehr smarte Produkte entwickelt, die vernetzt miteinander arbeiten können. „Es macht keinen Sinn, eine Kamera in einen Kühlschrank einzubauen. Sinnvoller wäre ein Display mit einem Speisezettel und Bereiche mit unterschiedlichen Temperaturen für Getränke, Milchprodukte, Fleisch und Gemüse. Da wäre das Bier nie zu kalt und die Butter nicht zu hart.“

Esslinger, der 2006 bei seiner legendären Firma Frog Design ausschied, blieb dem Unternehmen als Berater verbunden. „Man hat dann zwar nichts mehr zu sagen, kann aber seine Freiheit genießen“, sagt der 1944 im baden-württembergischen Beuren geborene Designprofessor, der sich heute vor allem für mehr Nachhaltigkeit bei Produkten einsetzt.

„Wir brauchen mehr Produkte mit austauschbaren Teilen. Wenn bei Smartphones die Batterie kaputtgeht, aber das Display noch völlig heil ist, müssen sie das Gerät wegwerfen. Man sollte das eher so machen wie bei einem Lego-Baukasten, wo man einzelne Teile zusammenstecken kann.“

Umbrüche nicht vor lauter Selbstgewissheit verschlafen

Eine solche Innovation könne man am ehesten von einem neuen, disruptiven Unternehmen erwarten. „Das schöne ist ja, dass man als Unternehmer gewinnen kann, wenn jemand anderes pennt. Microsoft hatte Milliarden. Aber sie haben an ihrer alten Denke festgehalten, und heute gibt es Google und Facebook.“ Dass große Organisationen dazu neigen, vor lauter Selbstgewissheit große Umbrüche zu verschlafen, sei auch in Deutschland erkennbar.

Das Silicon Valley sei zwar immer noch innovativ, sagt Esslinger, aber Amerika hätte unter Donald Trump im Prinzip die Führung schon aufgegeben. „Es gibt keine Visa mehr für Immigranten, dabei ist über die Hälfte der Firmen hier von Immigranten gegründet worden, auch Google.“ Der Brain Drain sei unverkennbar. „Jetzt sind die Mexikaner plötzlich Verbrecher, dabei sind das hier alles tolle Unternehmer.“