Berlin. Im ersten Halbjahr gab es bereits 1200 Übergriffe mit Körperverletzung gegen Zugbegleiter. Die Bahn pumpt mehr Geld in die Sicherheit.

Am Ende fließt Blut im Bahnabteil. Dabei sah bei dieser Fahrt des ICE von München nach Dortmund alles ruhig aus. Der Fahrgast war betrunken, zeigte aber sein Ticket. Er war nicht weiter auffällig. Doch dann sticht er mit einem Messer zu. Wahllos auf einen Mitreisenden. So erzählt das Dennis Bitzer. Dennis Bitzer ist Zugbegleiter und hatte Dienst an diesem Tag im April. Er muss sich solchen Angreifern stellen – und die Zahl solcher Vorfälle steigt.

Die Gewalt in Zügen ist nicht neu, aber sie nimmt zu. Davor hat Klaus-Dieter Hommel, der Vizechef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG gewarnt. In Zahlen: Allein bei der Deutschen Bahn wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres gut 1200 Übergriffe mit Körperverletzung in Bahnen und Bussen gemeldet. Das sind knapp sieben am Tag – und gut sieben Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im gesamten Jahr 2016 wurden etwa 2400 Fälle registriert, 2015 waren es rund 1900. Noch gar nicht einberechnet: spucken, beleidigen oder pöbeln.

Die meisten Angriffe passieren in Nordrhein-Westfalen

Die Zunahme der gemeldeten Attacken kann auch damit zu tun haben, dass Bahnmitarbeiter heute anders als früher nicht mehr alles hinnehmen wollen und einen Vorfall nicht mehr verschweigen. Doch der Gewerkschafter Hommel geht vielmehr davon aus, dass die Dunkelziffer immer noch enorm ist. Vor allem passieren die Übergriffe in ICE, in Bussen, in Regional- oder S-Bahnen ohne Vorwarnung immer öfter. Frauen pöbeln. Männer in Anzügen. Männer ohne Anzüge. Deutsche und Migranten. Alte und immer mehr Junge. Sie machen den Bahn-Mitarbeitern das Leben schwer – und Angst.

Zugbegleiter Bitzer wurden schon Schläge angedroht, ein Ich-kann-Karate entgegengeschmettert, nur weil er seinen Job machte und sagte: „Den Fahrschein, bitte!“ Anders als man denken könnte, beschränken sich die Angriffe auch nicht hauptsächlich auf Fahrten zu Fußballspielen oder in den Karnevalswochen. Sie passieren überall in Deutschland, auch wenn Nordrhein-Westfalen mit 246 Übergriffen den unrühmlichen ersten Platz belegt, gefolgt von Bayern und Hessen. Bei den Bahnhöfen liegen Frankfurt, Hamburg und Nürnberg vorn.

Gewerkschafter haben ein Helfertelefon eingerichtet

Die Attacken richten sich seltener gegen die Reisenden, meist gegen die Bahn-Mitarbeiter. Bitzer sagt: gegen „alle mit Uniform“. Das verkraftet nicht jeder so leicht und geht einfach zum Alltag wieder über. Für Betroffene haben die Gewerkschafter darum jetzt sogar ein Helfertelefon eingerichtet – Name: „Ruf Robin“. Dort können sie sich rund um die Uhr melden.

Die Bahn hat ihr Sicherheitsbudget in diesem Jahr bereits um zehn Millionen auf 170 Millionen Euro aufgestockt. 100 Sicherheitsleute seien in den letzten Monaten eingestellt worden, weitere seien in Ausbildung, berichtet ein Bahnsprecher. Denn klar sei: „Jeder Angriff ist einer zu viel.“