Metten. Michael Lenke hat schon hunderte Dinge erfunden. Mit dem „Womanizer“ macht er einen Millionenumsatz – und weltweit Frauen glücklich.

An die erste Berührung mit der Erfindung ihres Mannes hat Brigitte Lenke keine gute Erinnerung. Kein Wunder, den Prototyp hatte er aus einer Aquarienpumpe, einem Schlauch und einer Art Saugnapf zusammengebaut. Nicht gerade das, was man sich an einer der empfindlichsten Stellen des Körpers wünscht.

„Das war eher etwas für Sadomaso-Fans“, erinnert sich die 54-Jährige. Ihr Mann sitzt neben ihr am Gartentisch. Abgesehen vom Gesprächsthema machen die beiden einen bürgerlichen Eindruck: Er trägt Brille und ein weißes Hemd, sie eine rosa Bluse und Perlenkette. Ihr Einfamilienhaus steht am Ortsrand von Metten, einem Dorf in Niederbayern. Hier, in seiner Werkstatt im Keller, hat Michael Lenke ein Sexspielzeug entwickelt, das er mittlerweile weltweit verkauft: den Womanizer – eine Art Vibrator.

Frauen, die nicht zum Orgasmus kommen? Das wollte er ändern

Mit der Erotikbranche hatte das Paar bis vor einigen Jahren nichts zu tun. Michael Lenke ist Erfinder, einer der schon hunderte außergewöhnliche Ideen hatte. Zu seinen Patenten gehören ein batteriebetriebenes Erdbebenfrühwarnsystem und ein Blumentopf, der verhindert, dass Wurzeln wachsen. So lassen sich Miniaturpflanzen kultivieren. Auf die Idee, ein Sexspielzeug zu erfinden, brachte ihn eine medizinische Studie. Darin las der 67-Jährige, dass mehr als 50 Prozent aller Frauen nur selten oder nie zum Orgasmus kommen. Das wollte er ändern.

Er sprach mit Frauenärzten und entwickelte eine Technik, die anders als Vibratoren ohne direkte Berührung funktioniert. Der „Womanizer“ saugt die Klitoris leicht an und versetzt sie durch Druckwellen in Schwingung. 18 Monate tüftelte der Erfinder an dem Mechanismus – bis seine Frau endlich überzeugt war. „Wenn das bei allen so gut funktioniert wie bei mir“, sagte sie, „wird das ein Welthit.“

Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe

Michael Lenke und seine Frau Brigitte im heimischen Metten. Den „Womanizer“ hat der 67-Jährige in seinem Keller entwickelt.
Michael Lenke und seine Frau Brigitte im heimischen Metten. Den „Womanizer“ hat der 67-Jährige in seinem Keller entwickelt. © julia weiss | julia weiss

Nach Brigitte Lenke testeten weitere 60 Frauen im Alter von 20 bis 65 Jahren das Gerät. Bei 98 Prozent erfüllte das Gerät beim ersten Versuch seinen Zweck. Dass der „Womanizer“ kurz darauf tatsächlich in vielen Ländern auf den Markt kam, liegt auch an Lenkes Marketing-Talent. Im August 2014 fuhr der Branchen-Neuling zu einer der weltweit größten Erotikmessen nach Hongkong und präsentierte seine Erfindung neben den Großen der Branche. Händler wie Amazon und die Erotik-Versandhäuser Amorelie und Orion wurden daraufhin auf ihn aufmerksam und bestellten den Womanizer für ihr Sortiment.

Zusätzlich vertreibt der Erfinder das Gerät über die eigene Webseite. In den vergangenen drei Jahren hat Lenke das Gerät über eine Million Mal verkauft, in 40 Ländern. Produziert wird das Gerät in China. Die eigens gegründete Firma „epi 24“ hat ihren Sitz in Berlin. Die mittlerweile 800 Mitarbeiter kümmern sich um Marketing und Vertrieb. Das Unternehmen erwirtschaftet einen Jahresumsatz in zweistelliger Millionenhöhe.

Die Sexindustrie hat Frauen als neue Zielgruppe entdeckt

Mit dem Womanizer ist dem Erfinder ein Coup gelungen – in einer Branche, die sich stark wandelt. Im stationären Erotikhandel gehen die Umsätze schon seit Jahren zurück. Die Zahl der Sexshops in Deutschland hat sich in den vergangenen fünfzehn Jahren auf circa 600 halbiert, schätzt Uwe Kaltenberg, Geschäftsführer des Bundesverbandes Erotikhandel.

„Früher bestand das Sortiment zu 70 Prozent aus Pornofilmen, die bekommt man mittlerweile gratis im Internet“, sagt Kaltenberg. „Den Verlust wollen die Händler mit dem Verkauf von Sexspielzeug kompensieren“, sagt Kaltenberg. Die neue Zielgruppe: Frauen und Paare. Für sie hat die Branche das Schmuddel-Image abgelegt. „Die Läden sehen oft nicht mehr aus wie typische Sexshops. Das Interieur ist unauffällig, stilvoll und hochwertig“, sagt Kaltenberg.

Der „Womanizer“ mit Swarovski-Steinen ist in Russland sehr beliebt

In Metten am Gartentisch nimmt Michael Lenke den Womanizer in die Hand. Der Anschaltknopf ist mit einem glitzernden Stein verziert, auf der schwarzen Oberfläche schimmern goldene Elemente. Es gibt unterschiedliche Farben und Designs zu kaufen – das günstigste Modell für 99 Euro, das teuerste ist mit Swarovski-Steinen besetzt und kostet 499 Euro. „Das ist in Russland sehr beliebt“, sagt Lenke.

Auf Knopfdruck beginnt das Gerät zu pulsieren. Optisch erinnert es an ein elektrisches Fieberthermometer, die Form hat nichts Anstößiges. „Den Womanizer können Sie auf dem Tisch liegen lassen, und niemand stört sich daran“, sagt Lenke. Gerade das kommt bei Frauen an, ist sich Lenke sicher.

Lenkes Erfindung könnte es schon bald in Drogeriemärkten geben

„Befragungen haben ergeben: Unsere Kundinnen wollen nicht, dass man Sexspielzeug seine Funktion ansieht.“ Das Design ist Teil des Erfolgs, erklärt Lenke. Sexspielzeug muss sich so nicht mehr in düsteren Shops verstecken. „Die Branche ist seriös geworden“, sagt Lenke. Sogar in den Regalen der Drogeriemärkte könnte der Womanizer bald liegen. Derzeit stehe er mit einer deutschen Drogeriekette in Verhandlungen, sagt Lenke.

Und Michael Lenke selbst? Trotz seines großen Erfolgs hat den Erfinder wieder der Ehrgeiz gepackt. In seinem Keller bastelt er an einem neuen Projekt. Diesmal will er Männer zum Orgasmus bringen – mit dem „Manizer“. Doch der bereitet ihm Kopfzerbrechen. „Der Mann ist so was von kompliziert“, sagt er. Vor allem die anatomischen Unterschiede machen ihm Sorgen. „Eigentlich müsste es den ,Manizer’ in verschiedenen Größen geben“, sagt er. „Aber welcher Mann kauft schon gerne XS?“