Berlin. Die deutschen Autokonzerne sind viel besser als sie derzeit gemacht werden, sagt BDI-Chef Kempf. Er findet manche Vorwürfe „grotesk“.

Wegen der Dieselaffäre sind die deutschen Autohersteller massiv unter Beschuss geraten. Jetzt schaltet sich der Präsident des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf, in die Debatte ein – und formuliert klare Erwartungen an die Politik.

Herr Kempf, Abgasmanipulationen und ein Kartell-Verdacht haben die deutsche Autoindustrie in Verruf gebracht. Wie groß ist der Schaden für den Standort Deutschland?

Dieter Kempf: Manipulationen sind nicht akzeptabel. Kein Geschäft rechtfertigt es, gesetzliche und ethische Grenzen zu übertreten. Die Verantwortlichen müssen hart dafür arbeiten, verloren gegangenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Ich wehre mich aber strikt gegen die generelle Diskreditierung der deutschen Autobauer.

Halten Sie die Kritik an den Autobauern für unfair?

Kempf: Wer manipuliert, muss sich verantworten. Das ist klar. Die Debatte hat aber jedes vernünftige Maß verloren. Grotesk ist beispielsweise der Vorwurf, die deutsche Automobilindustrie sei innovationsschwach. Mit 35 Prozent der Investitionen steckt keine andere Branche hierzulande mehr Geld in Forschung und Entwicklung. Hersteller und Zulieferer zusammen investieren jährlich weltweit fast 40 Milliarden Euro in Zukunftsthemen wie die Optimierung des Verbrennungsmotors, automatisiertes Fahren oder die Elektromobilität. Und der Beitrag der Automobilbauer für Wohlstand und Beschäftigung in Deutschland und Europa ist enorm. Die Branche steht allein für über 800.000 Beschäftigte in Deutschland, jeder zweite Pkw in der EU trägt ein deutsches Logo.

Reichen die Beschlüsse des Dieselgipfels von Politik und Autoindustrie, um Fahrverbote zu vermeiden?

Kempf: Erste wichtige Schritte der Autobauer sind mit Nachrüstungen und Umstiegsprämien gemacht. Diese Maßnahmen müssen nun erst mal wirken. Machen wir uns keine Illusionen: Verbrennungsmotoren werden in naher Zukunft immer noch den größten Teil an Neuzulassungen ausmachen, sie werden aber immer sauberer. Elektromobilität wird eine Schlüsseltechnologie des Mobilitätswandels sein. Bis 2025 könnten die Neuzulassungen von Elektroautos 15 bis 25 Prozent Marktanteil erreichen. Damit das klappt, brauchen wir eine kluge Flankierung. Ich denke da an öffentliche Ladeinfrastruktur, steuerliche Anreize und entsprechende Rahmenbedingungen beim Miet- und Wohneigentumsrecht.

Kanzlerin Merkel ist langfristig für ein Verbot von Verbrennungsmotoren, SPD-Kanzlerkandidat Schulz dringt auf eine Quote für Elektroautos. Welches Vorgehen halten Sie für zielführender?

Kempf: Von planwirtschaftlichen Instrumenten wie einer E-Auto-Quote oder einem Verbot von Verbrennungsmotoren halten wir in der deutschen Industrie nichts. Der Staat kann Ziele und Rahmen vorgeben. Angelegenheit der Unternehmen ist es aber, durch Forschung und Entwicklung Technologien zu erarbeiten, die diese Ziele am besten erfüllen. Technologieoffenheit ist das Zauberwort. Die Industrie treibt den elektrischen Antrieb voran, sie forscht an alternativen flüssigen und gasförmigen Kraftstoffen. Ich bin überzeugt, die ambitionierten Klimaziele der Bundesregierung lassen sich nur im engen Zusammenspiel von Zukunftstechnologien und Brückentechnologien wie Diesel, Hybrid, Biokraftstoffen und Erdgas erreichen.

Was würde ein Wegfall der Steuervorteile für Diesel bedeuten?

Kempf: Allein aus Klimaschutzgründen wäre der Wegfall nicht klug. Ein Diesel braucht bis zu 25 Prozent weniger Kraftstoff als ein Benziner, sein CO2-Ausstoß ist bis zu 15 Prozent niedriger. Wir brauchen den Diesel wegen seiner geringeren CO2-Emissionen als Brückentechnologie, bis alternative Technologien flächendeckend den Durchbruch schaffen.