Glashütte. Das Unternehmen A. Lange & Söhne aus dem sächsischen Glashütte stellt mit enormem Aufwand Luxus-Chronographen her. Ein Besuch vor Ort.

Uhrmacher Robert Hoffmann setzt sich gern abends in Ruhe hin und versenkt sich noch einmal in sein Arbeitsstück. „Ich schenke mir einen Whisky ein und schaue mit der Lupe in die Tiefe des Uhrwerks.“ Bei den Zeitmessern, die Hoffmann fertigt, geht das: Die Rückseite ist aus Glas.

Hoffmann arbeitet für A. Lange & Söhne im sächsischen Glashütte. Seit 1845 werden hier Chronometer hergestellt, mittlerweile einige der teuersten Serien-Armbanduhren der Welt. Das Spitzenmodell „Grand Complication“ kostet 1,92 Millionen Euro. Es werden sechs Stück gefertigt. Verknappung hält den Preis hoch. Das Einsteigermodell ist für 14.900 Euro zu haben, für mittelteure Exemplare geben die Kenner um die 100.000 Euro aus.

Gehäuse besteht aus Gold oder Platin

Hoffmann arbeitet schon lange bei dem Luxushersteller. Mit 16 begann er seine Lehre in der Manufaktur A. Lange & Söhne. Hoffmann ist nun 32 Jahre und leitet die Herstellung des Armbanduhrenmodells „Zeitwerk“. Sieben Jahre arbeitete er in London, dann kam er in das Städtchen im sächsischen Erzgebirge zurück. „Hier gehöre ich hin“, sagt Hoffmann. „Eine bessere Tätigkeit kann ich mir nicht vorstellen.“ Der Mann mit den rötlichen krausen Haaren trägt eine Uhr aus eigener Produktion am Handgelenk, „zum Testen“. Eine eigene hat er sich noch nicht leisten können. Und die Kollegen? „Die Ferrari-Mechaniker fahren nicht alle Ferrari“, sagt Unternehmenssprecher Mark Stelzer.

Die Gehäuse aller Lange-Uhren bestehen aus Gold oder Platin. Rolex-Uhren, für viele Menschen der Inbegriff des teuren Chronometers, nennen sie hier „Arbeitstiere“. Fraglos sehr gute Uhren seien das, heißt es, Schweizer Qualität, ultrapräzise, aber eben maschinell gefertigt – nicht komplett per Hand wie bei Lange.

Eine Besonderheit: Jede Uhr wird zweimal gebaut

Das ist eines der Merkmale, mit denen Lange wirbt. Das andere: „Wir bauen jede Uhr zweimal“, erklärt Stelzer. In der ersten Runde setzen sie das Uhrwerk zusammen, um zu sehen, ob es tadellos funktioniert. Dann nehmen sie es wieder auseinander. Kleinste Teile werden unter dem Mikroskop poliert oder mit Gravuren verziert, Flächen erhalten einen Endschliff. Es eilt nicht. Benötigt ein Uhrmacher mal ein paar Tage länger, macht das die Con­troller nicht nervös.

Beim zweiten Zusammenbau werden künstliche rote Rubine in winzigen Goldfassungen fixiert, kornblumen­blaue Schräubchen halten den Mechanismus zusammen. Nun verwendet man Schraubenzieherchen, die keine Kratzer verursachen dürfen. Das wird sehr ernst genommen. Selbst wenn man das Uhrwerk von vier Zentimeter Durchmesser auf eine Projektion von einem Meter vergrößert, soll nicht die Spur einer Beschädigung erkennbar sein.

Uhren kosten fünf bis zehn Jahreseinkommen auf Hartz-IV-Niveau

Das meiste im Leben ist halb gar, verbesserungswürdig, jedenfalls nicht perfekt. Die Lange-Uhren symbolisieren und transportieren den Anspruch der vollständigen Perfektion. Besser und schöner geht es nicht, lautet die Botschaft. Tatsächlich bieten die verglasten Chronometer faszinierende Einblicke. Unter zehnfacher Vergrößerung erkennt man die übereinanderliegenden Schichten der Zeit-Maschine, sie sehen aus wie Stockwerke von Gebäuden, auf denen sich die Zahnräder drehen. Stelzer schwärmt: „Wie eine kleine Stadt, die lebt.“

Die Uhren sind aber auch eine Parabel auf die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen in der Gesellschaft. Der Preis einer Lange „Zeitwerk“ kann fünf bis zehn Jahreseinkommen auf Hartz-IV-Niveau betragen. Oder drei Jahresgehälter eines bundesdeutschen Durchschnittsarbeitnehmers. Die meisten Kunden sind also Menschen, die sich um Geld keine Sorgen machen müssen. Manche von ihnen werden nach Glashütte eingeladen, um mit den Uhrmachern zu sprechen, die an ihrem Modell arbeiten.

Region freut sich über 1000 gut bezahlte Arbeitsplätze

Der Ort liegt in einem engen Tal. Aus den hohen Fenstern des Manufakturgebäudes fällt der Blick auf bewaldete Berghänge. Entlang des Flusses Müglitz stehen weitere Uhrenfirmen, etwa Nomos und Union. Viele der Beschäftigten kommen aus der Gegend. Für die Region sind die über 1000 gut bezahlten Arbeitsplätze ein Segen.

Trotz rechter Pegida-Demonstrationen und vieler fremdenfeindlicher Vorfälle in benachbarten Städten wie Dresden, Freital und Heidenau gelinge es Lange, Fachkräfte von außen anzuwerben, sagt Firmenchef Wilhelm Schmid. „Obwohl der Imageschaden für Dresden und die Region belegt ist, hat das für uns keine spürbaren Auswirkungen gehabt. A. Lange & Söhne ist nach wie vor ein begehrter Arbeitgeber für gut ausgebildete Menschen über die Grenzen Deutschlands hinaus.“ Das Unternehmen bekenne sich „nach innen und nach außen zu Weltoffenheit und Vielfalt“, so Schmid.