Hamburg. Facebook startet in den USA ein neues Videoportal: „Watch“ soll auch professionelle Filme zeigen. Damit greift der Konzern YouTube an.

Als Google im Oktober 2006 die damals noch nicht einmal zwei Jahre alte Firma YouTube mit ihren seinerzeit 67 Mitarbeitern für 1,31 Milliarden Euro kaufte, konnte das selbst im Silicon Valley nicht jeder nachvollziehen. Warum sollte man so viel Geld in ein Bewegtbild-Portal investieren? Damals waren die Ladezeiten für Videos deutlich länger als heute. Wer Pech hatte, sah statt bewegter Bilder minutenlang nur Ladebalken.

Das hat sich grundlegend geändert. Videos zählen heute zu den beliebtesten Inhalten des Internets. Und folglich boomt auch das Geschäft von YouTube. In diesem Jahr könnten die Werbeeinnahmen des Portals erstmals die Marke von sieben Milliarden Euro knacken. Wie es aussieht, hat Google vor elf Jahren beim Kauf des damaligen Start-ups einiges richtig gemacht.

Testlauf mit ausgewählten Nutzern

Da, wo der Wettbewerber aus dem kalifornischen Mountain View mit YouTube heute ist, möchte eines Tages auch Facebook stehen. Dabei beschreitet das Soziale Netzwerk allerdings einen anderen Weg als Google. Statt ein Bewegtbild-Portal zu kaufen, hat Facebook eines gegründet: Wie das Unternehmen nun mitgeteilt hat, heißt sein neuester Ableger „Watch“. Den Dienst dürfen seit Donnerstag ausgewählte amerikanische Nutzer testen. Nach Informationen des Wirtschaftsportals „Businessinsider“ soll das Portal vom 28. August an in den USA für jedermann zugänglich sein. Es werde mit 40 Angeboten starten. Offiziell heißt es bei Facebook, der Start erfolge „bald“.

In einer Pressemitteilung geht das Netzwerk auf vier Programme näher ein. Zwei von ihnen belegen bisher auch Kanäle auf YouTube: die Reise-Erlebnisse des Journalisten Nuseir Yassin alias Nas Daily sowie die Tipps der Motivationstrainerin Gabby Bernstein. Erwähnt wird auch eine Kochshow mit Kindern namens „Little Kitchen“. Zudem hat sich Facebook offenbar Übertragungsrechte an der US-Baseball-Liga MBL gesichert. Jede Woche soll ein Spiel live übertragen werden.

Auch exklusive Inhalte sind geplant

„Wir hoffen, dass Watch die Heimat vieler verschiedener Programme wird – von Reality Shows über Comedy bis zu Live Sport“, schreibt Facebook-Gründer Mark Zuckerberg in seinem Netzwerk. „Einige dieser Angebote werden von professionellen Programmmachern, andere von ganz normalen Leuten aus unserer Community produziert werden.“

Hier liegt womöglich der größte Unterschied zum Wettbewerber Youtube. Exklusive, von Profis produzierte Inhalte findet man dort kaum. Live Sport gibt es bei YouTube ebenfalls nicht. In ersten Kommentaren wird Watch bereits mit dem Fernsehen verglichen. Laut „Businessinsider“ soll das Portal mit hochqualitativen Videos „Werbegelder einsammeln, die bisher für das herkömmliche Fernsehen reserviert sind“.

Fast Hälfte der Erlöse geht an Facebook

Nach Informationen des Technikportals „TechCrunch“ ist geplant, 55 Prozent der über Watch erlösten Werbegelder an die Produzenten der Videos auszuschütten. Die übrigen 45 Prozent gehen an Facebook. Ein weiterer Grund für Watch ist laut „Businessinsider“, jüngere Zielgruppen zu binden. Diese hatten zuletzt Facebook den Rücken gekehrt und nutzen stattdessen Snapchat.

Ob und wann Watch nach Deutschland kommt, ist unklar. „Wir haben derzeit keine konkreten Pläne für weitere Länder“, sagt eine Facebook-Sprecherin auf Anfrage. Man konzentriere sich mit dem Angebot ganz auf die USA. Allerdings schaue man sich den Markt für Video-Angebote auch in anderen Regionen an.

Sollte Facebook mit Watch reüssieren, könnte es den Abstand zum Rivalen Google womöglich verkürzen. Derzeit liegt der Börsenwert des Netzwerks bei gut 407 Milliarden, der des Wettbewerbers bei etwa 580 Milliarden Dollar. Allerdings ist der Aufbau eines profitablen Bewegtbild-Portals ein langer Weg: 2015 meldete das „Wall Street Journal“, Youtube stehe zwar kurz davor schwarze Zahlen zu schreiben, habe bis 2014 aber noch keinen Cent verdient. Als Grund wurden fehlende Kanäle mit qualitativen Inhalten genannt. Also solche Inhalte, wie sie Facebook für Watch plant.