Berlin. Pieter van Midwoud hat bei der Suchmaschine Ecosia einen einzigartigen Job. Als Chef-Aufforster sucht er nach Standorten in aller Welt.

Als 17-Jähriger hatte Pieter van Midwoud einen Traum: „Ich wollte wirklich den Regenwald retten“, erzählt der inzwischen 36-Jährige. Heute arbeitet er tatsächlich daran: Seit September vergangenen Jahres ist der Niederländer Tree Planting Officer bei Ecosia, einem in Berlin gegründeten Unternehmen mit 21 Mitarbeitern. Mit den Einnahmen aus seiner Internet-Suchmaschine finanziert Ecosia Aufforstungsprogramme in Afrika, Südamerika und Asien.

Zu Beginn seines Studiums „Forest and Nature Conserva­tion“ an der Universität Wageningen in den Niederlanden glaubte Pieter van Midwoud noch, er müsse nur die ökologischen Zusammenhänge genau kennenlernen und dann an den richtigen Stellen eingreifen, um die Welt besser zu machen. Doch dann stellte er fest: Eigentlich entscheidet der Einfluss des Menschen, ob Wälder verschwinden oder erhalten bleiben. Also wählte er im Masterstudium an der Uni Freiburg den Bereich Politikprozesse als Studienschwerpunkt.

Mit eigener Entwicklung zum Arbeitgeber WWF

Der Berufseinstieg nach dem Abschluss war etwas holprig: Van Midwoud begann als Trainee bei einem Unternehmen, das mit Holz aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern (FSC-Holz) handelt. Es passte nicht zu ihm, war ihm nach sechs Monaten klar.

Ein Studienfreund aus Freiburg rief ihn zu dieser Zeit an und erzählte vom stark wachsenden Kohlenstoffmarkt: 1997 hatten die Vereinten Nationen im Kyoto-Protokoll be­schlossen, dass Indus­trie­nationen in Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern investieren dürfen, um damit die eigene CO2-Bilanz zu verbessern.

Immer mehr Unternehmen wollten solche Zertifikate kaufen. Doch welchen Kriterien ein gutes Aufforstungsprojekt genügen musste, war noch nicht endgültig festgelegt. Sein Studienfreund und er hätten sich gefragt, ob sie dafür nicht einen Standard entwickeln könnten, erzählt van Midwoud. „Und das haben wir dann gemacht.“

Für den WWF gearbeitet

Gemeinsam mit Experten erarbeiteten sie den sogenannten CarbonFix-Standard, ein strenges Regelwerk, nach dem sich Waldschutz- und Aufforstungsprojekte eine hohe Qualität bestätigen lassen können. 2012 führten sie ihr Regelwerk mit dem vom World Wide Fund For Nature (WWF) entwickelten sogenannten Gold-Standard zusammen. In diesem Zug wechselte van Midwoud zur Gold Standard Foundation des WWF, für die er anschließend mehrere Jahre tätig war.

Dann kam die Stellenausschreibung von Ecosia. Mit seiner gleichnamigen Suchmaschine generiert das Unternehmen Werbeeinnahmen, die im Mai 2017 bei rund 749.000 Euro lagen. 80 Prozent des Gewinns wird verwendet, um Bäume zu pflanzen. Nun wurde ein Beauftragter gesucht, der Baumpflanzprojekte beurteilen und begleiten sollte.

„Ich wusste: Ich kenne all die großartigen Projekte, die überall aufforsten, ich habe viele Beispiele und Methoden gesehen von Leuten, die das richtig toll machen, und von Leuten, die das nicht so toll machen“, erzählt van Midwoud. „Also habe ich mich beworben, und jetzt bin ich Tree Planting Officer.“

Suche nach neuen Projekten

Rund ein Drittel seiner Arbeitszeit verwendet der 36-Jährige auf die Suche nach neuen Projekten und lokalen Partnern. Er schließt mit ihnen Verträge, in denen genau festgelegt wird, was wann zu tun ist. Für seine Auswahl entscheidend sei die große Idee, die dahintersteckt, der Nutzen für die lokale Bevölkerung und eine überzeugende Führungspersönlichkeit vor Ort.

Für den Erfolg eines Aufforstungsprojekts kann dies wichtiger sein als die Kontrolle, sagt van Midwoud. Trotzdem geht ein weiteres Drittel seiner Arbeitszeit in Beobachtung und Dokumentation: Werden die vertraglich festgelegten Zeitpläne eingehalten? Wurden die Flächen für den neuen Wald rechtzeitig vorbereitet, die Setzlinge eingepflanzt?

Verhandlungen in fünf Sprachen

Die Projektpartner schicken ihm Fotos, man unterhält sich via Skype. Pieter van Midwoud spricht außer seiner Muttersprache Niederländisch und Deutsch auch Englisch, Französisch und Spanisch. Er nutzt Satellitenbilder, um ein Auge auf die Projekte zu haben. Aktuell sind es zehn. Er hat sich vorgenommen, jedes einmal pro Jahr zu besuchen.

Die Ecosia-Nutzer zu informieren, füllt den Rest seiner Arbeitszeit. Auf Twitter und Facebook berichtet er von seinen Reisen, seiner Arbeit und den Menschen, denen er begegnet. „Wir haben etwa sechs Millionen User, und die nutzen Ecosia, weil wir Bäume pflanzen“, sagt van Midwoud. „Deswegen müssen wir wirklich gut zeigen, dass wir diese Bäume tatsächlich pflanzen und wie wir das machen.“

Reisen nach Burkina Faso, Marokko und Brasilien

Seine Arbeit erledigt Pieter van Midwoud nur zum Teil am Schreibtisch im Ecosia-Büro, einer Fabriketage nahe dem Maybachufer. Viel Zeit verbringt er im Zug zwischen Berlin und Maastricht, wo er eine Wohnung hat („Ich bin ein großer Fan der Deutschen Bahn“). Und natürlich immer wieder in fernen Ländern: Im Juli war er eine Woche in Marokko, im September folgen Peru und Brasilien, im Oktober wird er nach Äthiopien reisen und im Dezember nach Burkina Faso.

Und seine nächsten beruflichen Ziele? Das Ziel von Ecosia erreichen: bis zum Jahr 2020 eine Milliarde Bäume gepflanzt zu haben. Zurzeit sind es rund elf Millionen, die runde Zahl von zehn Millionen wurde groß gefeiert. Das heißt für den Baumpflanzbeauftragten, immer neue Partner zu suchen, viele Expertengespräche zu führen und Know-how zusammenzutragen.

Bislang ist Pieter van Midwoud wohl der weltweit einzige Tree Planting Officer. Er sieht zwar wachsende Chancen für dieses oder ähnliche Berufsbilder in vielen Unternehmen, aber Ecosia sei schon etwas Besonderes: „Das Pflanzen von Bäumen ist hier der entscheidende Faktor und nicht nur schmückendes Beiwerk“, sagt er. „Ja, Ecosia ist eine Suchmaschine, die Bäume pflanzt. Aber man könnte genauso sagen, wir sind Baumpflanzer, die eine Suchmaschine haben.“