Berlin. Das Kraftfahrt-Bundesamt soll Autobauern geholfen haben. Rufe nach einer Reform werden laut. Wie unabhängig ist die Behörde wirklich?

„Herzlichen Dank für die konstruktive Zusammenarbeit“ – so endet ein Schriftverkehr zwischen einem Mitarbeiter des Luxuswagenherstellers Porsche und einem hochrangigen Beamten des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA). Worüber sich Porsche so erfreut zeigt: Der Konzern durfte im Detail und ohne Widerspruch einen Untersuchungsbericht der Bundesregierung zum Abgasskandal schönen, wie eine Abschrift der Korrespondenz belegt, die unserer Redaktion vorliegt.

Der Vorgang ist grundsätzlich schon länger bekannt – befeuert aber erneut die Diskussion um die Unabhängigkeit des KBA, der obersten Aufsichtsbehörde für die Automobilhersteller. Sie ist direkt Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) unterstellt.

Beaufsichtigung der Autoindustrie soll reformiert werden

Nun wächst der Druck, die Beaufsichtigung der Autoindustrie zu reformieren. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte, dem Kraftfahrt-Bundesamt wichtige Aufgaben zu entziehen. Die Zuständigkeiten für Auto-Typgenehmigungen und Kontrollen – bislang beim KBA angesiedelt – müssten getrennt werden. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte einen ähnlichen Schritt gefordert.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).
Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). © ddp images/NurPhoto | NurPhoto

Auch bei den Verbraucherschützern schwindet die Geduld. „Das Kraftfahrtbundesamt muss seine Zulassungs- und Marktüberwachungsaufgaben ernst nehmen“, sagte Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), dieser Redaktion: Alle Verbraucher erwarteten vom KBA Unabhängigkeit, nicht zuletzt von den Wünschen der Autoindustrie.“ Das Aufsichtsziel „Verbraucherschutz“ müsse künftig in den Aufgaben des KBA verankert werden.

Porsche Macan nach Zweifeln an den Abgaswerten zurückgerufen

Dobrindts Ressort wies den Vorwurf zurück, das Ministerium habe den Untersuchungsbericht zugunsten von Porsche „entschärft“. Ein Ministeriumssprecher erklärte, dass es beim Modell Porsche Macan wie auch bei anderen Modellen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abgas-Reinigung gegeben habe und dies im Bericht auch so ausgedrückt worden sei. Der Macan sei dann wie andere Modelle zurückgerufen und mit neuer Software nachgerüstet worden

Bei einer genaueren Betrachtung der Korrespondenz zwischen Autohersteller und Kraftfahrt-Bundesamt können allerdings durchaus Zweifel an der Unabhängigkeit der Behörde aufkommen: Acht größere Änderungswünsche hatte der Autokonzern, die allesamt angenommen wurden und sich anschließend eins zu eins im „Bericht der Untersuchungskommission ‘Volkswagen’“ vom April 2014 wiederfinden.

Heikle Passagen wurden vollständig gestrichen

Vollständig gestrichen wurde etwa folgende aufschlussreiche Passage: „Obwohl der Audi A6 und der VW Touareg mit demselben Motortyp unauffällige NOx Werte (Stickoxide) liefern, kann der (Porsche) Macan diese nicht erreichen.“ Offenbar fürchtete der Autohersteller, der Vergleich mit den Konzernschwestern könnte ein schlechtes Licht auf Porsche werfen.

Weiter wurde auch die Einschätzung des KBA gestrichen, der sogenannte „Bauteilschutz“, mit dem die weitgehende Abschaltung der Abgasreinigung ab bestimmten Temperaturen von den Autoherstellern begründet wird, sei „sehr weitreichend“. Damit wollte der Autohersteller offenbar den Vorwurf entkräften, er benutze den Bauteilschutz zur Verschleierung der Abgas-Schummelei.

Frühzeitiges Herunterfahren der Abgasreinigungsraten

Damit nicht genug. Ein weiterer Eingriff ist aktenkundig: Das frühzeitige Herunterfahren der Abgasreinigungsraten (AGR) beim Porsche Macan sei „nach Vorschrift als Abschalteinrichtung zu sehen“, hieß es in der ursprünglichen Version des Berichts des KBA. Für den Endbericht wurde das kritische Wort „Abschalteinrichtung“ dann von Porsche getilgt – und das KBA akzeptierte die Änderung. Der Satz lautete dann: „Dies kann nach Vorschrift als eine Veränderung des Emissionsverhaltens des Abgassystems gesehen werden.“

„Unabhängige Aufklärung sieht definitiv anders aus“, sagte der Verkehrsexperte der Bundestags-Grünen, Oliver Krischer dieser Zeitung. Die Hersteller hätten bei den Aufklärungs-Versuchen des KBA den Hut auf, weil sie Rückendeckung von Verkehrsminister Dobrindt genössen. „Die können sich alles erlauben“, sagte Krischer. Die Aufklärung sei lediglich gespielt.

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