Berlin. Das einstige Wunderkind Soundcloud steckt in der Krise, 173 Mitarbeiter werden entlassen. Das hat Einfluss auf den Berliner Tech-Markt.

Die Personalvermittler hatten in dieser Woche in Berlin besonders viel zu tun. „Wenn so viele Topmitarbeiter auf einmal ihren Job verlieren“, sagt Ivo Betke, „dann ist bei uns natürlich Goldgräberstimmung.“ Betke ist Deutschlandchef von talent.io, einem Internetportal, bei dem sich IT-Fachkräfte registrieren können, wenn sie einen neuen Job suchen.

Der Grund für die Hochstimmung des Personalberaters: Das Berliner Musikportal Soundcloud steckt in der Krise und streicht die Belegschaft zusammen. „Als Soundcloud vergangene Woche 173 Entlassungen ankündigte, hatten wir einen Tag später die Liste mit den Namen aller Mitarbeiter – und die werden sich vor Angeboten kaum retten können“, berichtet Betke.

Einstiges Wunderkind

Das ist zumindest eine positive Nachricht für die betroffenen Beschäftigten, nachdem es so viele schlechte im Zusammenhang mit dem einstigen Wunderkind der Berliner Start-up-Branche gab. Soundcloud ermöglicht es, selbst produzierte Musik auf das Portal hochzuladen und anderen Nutzern kostenlos zum Streamen anzubieten. Ende vergangener Woche musste das Unternehmen 40 Prozent der Mitarbeiter entlassen.

Die Standorte in San Francisco und London werden komplett geschlossen. Die 175 Millionen Nutzer in 190 Ländern werden künftig von den Büros in Berlin und New York betreut. Die Gründer Alexander Ljung und Eric Wahlforss versuchen nun, ein finanzierungsfähiges Modell aufzubauen. Daran hat es dem Musikportal in der Vergangenheit nach Ansicht von Marktbeobachtern gemangelt.

Dilemma bei Start-ups

Andreas Gebhard, der als Chef der Berliner Tech-Konferenz Re:publica das Unternehmen seit Jahren verfolgt, weiß noch genau, wie sich Wahlforss vor zehn Jahren bei einer Veranstaltung mit seiner Vision vorstellte. „Schon damals war klar, dass ein tragfähiges Geschäftsmodell dafür schwierig zu finden sein würde.“ Gebhard sieht dieses Dilemma bei vielen Start-ups. „Letztlich hat auch Twitter das Problem und ist heute genauso wenig aus dem Netz wegzudenken wie Soundcloud.“

Für den Berliner Start-up-Markt allerdings macht sich Gebhard keine Sorgen, auch wenn eines der großen „Vorzeige-Start-ups“ gerade schlingert. Das Musik-Unternehmen hofft nach eigenen Angaben, durch den Stellenabbau gesundzuschrumpfen. Auf Anfrage teilte Soundcloud mit, dass die Finanzierung „in das vierte Quartal hinein“ gesichert sei. Durch die Veränderungen sei das Unternehmen „zuversichtlich“, in Zukunft profitabel arbeiten zu können und „langfristig überlebensfähig“ zu sein. Außerdem betont Soundcloud, die entlassenen Mitarbeiter finanziell weiterhin zu unterstützen.

Wichtigstes Netzwerk für unabhängige Musiker

Matthias Strobel hofft, dass all das keine leeren Versprechen sind. Er ist Präsident des Bundesverbandes der Musiktechnologie Deutschland. Für ihn sei Soundcloud „ein Leuchtturm“, der für „die Demokratisierung der Musik“ gesorgt habe. Es sei heute das wichtigste soziale Netzwerk für unabhängige Musiker, sagt Strobel, und aus Berlin nicht wegzudenken.

Mit großen Firmen wie Ableton, Native Instruments und UHE gebe es noch weitere große Vertreter in der Stadt – aber: „Soundcloud kam zu einer Zeit nach Berlin, als dieser Hype noch nicht absehbar war.“ Es bleibt die Frage, was vom Hype übrig geblieben ist. Als Wahlforss in einem Meeting von „Familie“ sprach, sollen einige laut gelacht haben – auch in Berlin. Keiner der Verbliebenen weiß, wie sicher sein Job noch ist. Betke von talent.io sagt über die verbleibenden Mitarbeiter: „Einige von ihnen haben sich schon bei uns gemeldet.“