Berlin. Chinas Fluggesellschaften bestellen 140 Flugzeuge im Wert von 20,1 Milliarden Euro. Konzernchef Tom Enders stellt sich noch mehr vor.

Aufgeregt wirkt Tom Enders nicht – oder er lässt es sich einfach nicht anmerken. Dabei hat der Airbus-Chef gerade im Kanzleramt einen Milliardenauftrag mit der staatlichen chinesischen Luftfahrt-Handelsgesellschaft CAS unterschrieben. Mit dabei: Chinas Präsident Xi Jinping und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – auch für den Chef des größten europäischen Luftfahrtkonzerns kein alltäglicher Termin. Jetzt sitzt Enders in der Konzernrepräsentanz in Sichtweite des Kanzleramts und erklärt, wie sich Airbus im Reich der Mitte entwickeln will.

Chinas Fluglinien bestellen 140 Flugzeuge bei Airbus. Der Auftrag hat einen Wert von 20,1 Milliarden Euro. Es ist einer der größten Aufträge in der Firmengeschichte. Liefern werden die Europäer in den kommenden Jahren 100 Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge der A320-Familie (überwiegend in der neo-Variante Sprit sparenden Triebwerken und nach oben gebogenen Flügelspitzen) sowie 40 Langstreckenflieger vom Typ A350. Die ersten Maschinen sollen bereits im zweiten Halbjahr bei den Kunden landen.

Chinesen fertigen inzwischen auf deutschem Qualitätsniveau

Der Auftrag stärkt auch den Standort Hamburg, wo die Flugzeuge der A320-Familie rund zur Hälfte fertig gestellt werden. Derzeit entsteht die vierte Endmontagelinie am Standort Finkenwerder. Enders will die Produktion im chinesischen Tianjin ausbauen. Bis zu 50 Prozent der neu bestellten A320 sollen dort fertiggestellt werden. Die Qualität sei inzwischen auf dem Niveau von Hamburg und Toulouse, sagt der Airbus-Chef.

Airbus-Vorstandschef Tom Enders (r.) und CAS-Chef Sun Bo (l.) unterzeichnen den Vertrag unter den Augen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Chinas Staatspräsident Xi Jinping.
Airbus-Vorstandschef Tom Enders (r.) und CAS-Chef Sun Bo (l.) unterzeichnen den Vertrag unter den Augen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Chinas Staatspräsident Xi Jinping. © dpa | Wolfgang Kumm

Der A350 kommt komplett aus Toulouse, wobei Enders sich vorstellen kann, nach 2020 in China auch die Kabinenausstattung und das Auslieferungszentrum für diesen Langstreckenflieger in China aufzubauen. Ohnehin ist Airbus gerade dabei, die chinesische Fabrik zum Werk für ganz Asien aufzurüsten.

6000 zusätzliche Maschinen in 20 Jahren

Airbus verspricht sich viel von China. Seit das Unternehmen 1985 die erste Maschine dorthin geliefert hat, ist der Markt immer wichtiger geworden. Das Unternehmen ist mit eigenen Werken vertreten, arbeitet mit chinesischen Konzernen zusammen. 2015 betrug der Wert der Industriekooperationen laut Airbus eine halbe Milliarde Dollar (440 Millionen Euro), 2020 sollen es eine Milliarde Dollar sein.

China bietet aus Enders’ Sicht enorme Chancen: Allein im ersten Vierteljahr 2017 habe die Zahl der Passagiere um 15 Prozent zugelegt, sagt er. „Wir erwarten, dass die Zahl in den nächsten zehn Jahren im Schnitt um zehn bis 15 Prozent jährlich zulegt.“ Deshalb würden in den kommenden 20 Jahren wohl 6000 Flugzeuge zusätzlich benötigt. „Wir wollen da einen Marktanteil von 50 Prozent haben.“ Derzeit liegt er bei 49 Prozent, 1440 Maschinen der Europäer sind im Einsatz. 153 davon wurden 2016 ausgeliefert. Größter Konkurrent ist US-Anbieter Boeing.

Airbus will vom Knowhow der Chinesen profitieren

Die Chinesen selbst arbeiten derweil an einem eigenen Mittelstreckenflugzeug namens Comac, das vor wenigen Wochen erstmals abhob. Für Enders kein Problem: Airbus könne in Zukunft nur weiter gut im Markt unterwegs sein, „wenn wir uns langfristig dort verankern. Wenn wir nur aus Europa liefern, geht das nicht.“

Erst Anfang Juni unterzeichnete der Konzern eine Absichtserklärung mit den Chinesen, die umreißt, wie sich die Zusammenarbeit in den nächsten 20 Jahren entwickeln soll. Das Werk in Tianjin soll erweitert werden, ein neues Innovationszentrum entstehen. „Geplant ist auch eine Zusammenarbeit in der Raumfahrt und bei Helikoptern“, sagt Enders. Und beim Thema unbemannte Flugobjekte seien die Chinesen beim Knowhow weit vorn.

„Den A380 zu vermarkten, ist offenbar schwierig“

Einen A380, das größte Passagierflugzeug der Welt mit großer Absatzschwäche, haben die Chinesen nicht bestellt. Bisher sind lediglich fünf dieser Maschinen (Listenpreis 437 Millionen Dollar) dort im Einsatz. „Wir verhandeln mit den Chinesen“, sagt Enders. „Und wir sind zuversichtlich, dass wir da Aufträge an Land ziehen können.“

Enders schätzt das Marktpotenzial in China auf 100 Maschinen. Konkret absehbar ist hingegen nichts. Auch im Rest der Welt kommt die Maschine, anders als der A320 und A350, gerade nicht recht an. Ender: „Den A380 zu vermarkten, ist offenbar schwierig.“

Ein Machtkampf bei Airbus? Enders sieht das nicht so

Es ist auch der erste Großauftrag in Enders’ neuer zusätzlicher Funktion. Denn seit 1. Juli ist er auch für den Verkauf im Konzern zuständig. Bisher lag die Verantwortung dafür bei Fabrice Bregier, der das Geschäft mit Zivilflugzeugen leitet. Dieser Bereich steht für etwa 70 Prozent des Umsatzes. Die neue Aufgabenverteilung ist Teil des Konzernumbaus hin zu einer schlankeren Verwaltung: Airbus hat die Holding auf das größte Geschäftsfeld, den kommerziellen Flugzeugbau, verschmolzen, um Kosten zu sparen.

Insider glauben, dass der Airbus-Chef den Franzosen entmachten wollte. Aber Enders will davon nichts wissen. Er sagt, Bregier sei jetzt als Vorstand für das laufende Geschäft aller Bereiche sowie die Digitalisierung zuständig und habe sogar mehr Aufgaben als bisher. „Diese COO-Funktion hatten wir bisher nicht.“ Und um die Lasten im Vorstand besser zu verteilen, sagt Enders, „berichtet der Verkaufschef jetzt direkt an mich“.