Berlin. Oft reicht es, wenn die Verbraucherschlichtungsstelle Firmen auf Mängel hinweist. Kunden alleine kommen da meist nicht mehr weiter.

Im Prospekt klingt alles verlockend. Die Hotelanlage liegt nicht nur direkt am Meer, sondern verfügt auch über Pool und Restaurant. Das ganze pauschal, alles inklusive. Doch als Herbert Schweizer mit seiner Familie in Spanien landet, macht ihn ein Schild mit der Aufschrift „geschlossen“ in der Herberge stutzig. Wegen Bauarbeiten war nicht nur die Gaststätte während seines Aufenthalts dicht, sondern auch das hauseigene Schwimmbecken gesperrt. Entsprechend gemindert war der Ferienspaß.

Schweizer lässt sich noch während seines Aufenthalts von der Reiseleitung die Mängel bestätigen. Nach seiner Rückkehr bittet der Familienvater den Reiseveranstalter um eine Preisminderung. Als jedoch mehrere Wochen keine Reaktion erfolgt, wendet sich Schweizer an die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle im baden-württembergischen Kehl. Er schilderte sein Problem und stellt einen Antrag auf Schlichtung. Plötzlich geht alles sehr fix. Schon kurz nachdem das Unternehmen über den Antrag informiert wurde, erhält Schweizer einen Anruf: Innerhalb weniger Tage einigt er sich mit dem Reiseunternehmen auf eine Rückerstattung – und zwar einvernehmlich und außergerichtlich.

Fälle aus ganz Deutschland werden unabhängig geprüft

„Manchmal reicht schon unser Hinweis, dass Verbraucher sich an die Schlichtungsstelle gewandt haben, damit Unternehmen auf Beschwerden reagieren“, berichtet Felix Braun, geschäftsführender Vorstand. Die Schlichtungsstelle wurde erst vor gut einem Jahr – im April 2016 – gegründet und findet bereits großen Zuspruch. „Im vergangenen Jahr wurden bei uns 825 Anträge eingereicht, was etwa 92 pro Monat entspricht“, berichtet Braun. „In diesem Jahr wurden bis Ende Mai bereits 758 Anträge auf Schlichtungen gestellt. Dies entspricht mit rund 151 pro Monat einer Steigerung um rund 65 Prozent.“ Doch damit ist die Nachfrage offenbar bei Weitem noch nicht am Ende. „Da die Informationspflichten oft erst nach Monaten zu einer Antragstellung führen, gehe ich davon aus, dass sich die Zahl der Anträge 2017 verdreifachen oder sogar vervierfachen wird.“

Die Allgemeine Schlichtungsstelle sieht sich wie ein Amtsgericht – allerdings zuständig für Beschwerden aus ganz Deutschland. „Wir prüfen jeden Fall wie Richter – unabhängig und objektiv“, berichtet Braun. „Wenn wir zu einem Ergebnis gekommen sind, unterbreiten wir beiden Seiten einen Schlichtungsvorschlag, wie der Streit gelöst werden könnte.“ Die Fälle werden dabei von einem kleinen Team von neun Juristen bearbeitet und zwar ausschließlich schriftlich.

Für Banken, Finanzen und Versicherungen gibt es eigene Schlichtungsstellen

Zuständig ist die Schlichtungsstelle für alle Verbraucherbeschwerden, für die es keine branchenspezifische Stelle gibt. Die meisten Beschwerden gingen 2016 für Pauschalreisen mit 122 Anträgen ein. Danach folgten Mängel bei Elektronikgeräten (66), Mobilfunkgeräten (58), aber auch Möbeln (47) sowie Kleidung und Schuhe (36). Mal geht es um Sofas, die in der falschen Farbe oder anderem Leder geliefert werden, mal um Schränke, die in Eiche statt Buche gebaut wurden, Armbanduhren deren Legierungen sich verändern oder Mobiltelefone, die ihren Geist aufgeben.

Gleichzeitig mussten aber auch rund 88 Fälle weiterverwiesen werden: Denn für Angelegenheiten rund um Banken, Finanzen, Versicherungen, Personenbeförderung, Telekommunikation und Energie gibt es ein gutes Dutzend von eigenen Schlichtungsstellen oder Ombudsmännern.

„Bislang dauern die Verfahren bei der Allgemeinen Schlichtungsstelle 54 Tage bis ein Fall abgeschlossen ist“, berichtet Braun. „Wir hoffen, dass wir hier noch schneller werden können.“ Allerdings ist eine Beschleunigung der Verfahren aus rechtlichen Gründen begrenzt. Denn jede Partei hat gesetzlich drei Wochen Zeit für eine Stellungnahme zu dem Schlichtungsvorschlag. Generell haben die Parteien die Wahl, den Vorschlag anzunehmen oder gerichtlich zu klagen. Doch in den meisten Fällen folgte bisher eine gütliche Einigung, die auch eingehalten wurde, sagt Braun: „Die Quote liegt bislang zwischen 70 und 80 Prozent.“

Verbraucher müssen sich zunächst selber bemühen

Voraussetzung für jedes Schlichtungsverfahren ist, dass die Verbraucher sich zunächst bei den Herstellern um eine Entschädigung oder einen Ersatz ihrer beanstandeten Käufe bemühen. Erst wenn dies fehlgeschlagen ist, können sie sich an die Schlichtungsstelle wenden. „Dem Verbraucher dürfen bei den Verfahren keine Kosten entstehen“, sagt Braun. Diese müssen die Hersteller oder Verkäufer anteilig tragen. Der Beitrag je Schlichtung bewegt sich je nach Streitwert zwischen 50 und 600 Euro, was nicht kostendeckend ist. Hauptfinanzier der Schlichtungsstelle ist deshalb der Bund.

Seit Februar sind Händler mit mehr als zehn Beschäftigten verpflichtet, ihre Kunden in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf der Webseite zu informieren, ob sie bei Streitigkeiten bereit sind, an Schlichtungen teilzunehmen. Betroffen sind der Bundesregierung zufolge rund 230.000 Firmen. Bislang haben zahlreiche Unternehmen die Pflicht umgesetzt, darunter große Firmen wie H&M. Doch es gibt auch noch viele Verweigerer – unter anderem Amazon, Apple, Saturn, Tchibo, Telekom oder Zalando. „Insgesamt verzeichnen wir aber eine wachsende Anzahl an Unternehmen, die im Rahmen ihrer Informationspflichten auf uns verweisen und zu einem Schlichtungsverfahren bereit sind“, berichtet Braun.