Berlin. Die Fluggesellschaft Ryanair erzielt Milliardengewinne, während andere Konkurrenten schwächeln. Das macht die irische Firma besser.

Michael O’Leary sieht an diesem Dienstag zur Bilanzkonferenz fast aus wie immer: die oberen Knöpfe am Hemd geöffnet, leicht verstrubbelt, wegen des seriösen Anlasses trägt er aber Jackett. Dann erklärt der Ryanair-Chef in knapp elfeinhalb Minuten die Welt seines Unternehmens im abgelaufenen Geschäftsjahr: mehr Passagiere, mehr Umsatz, mehr Gewinn, mehr Wachstumsmöglichkeiten, als er Flugzeuge beschaffen kann. Und natürlich: Die Preise werden weiter fallen.

Warum gelingt es Ryanair, trotz der Unsicherheit des Terrors und der möglichen Folgen des EU-Austritts Großbritanniens so gute Zahlen vorzulegen, während die Konkurrenz kämpft? Air Berlin schrumpft und fliegt immer tiefer ins Minus, Alitalia steckt im Insolvenzverfahren, Easyjet, zweitgrößter Billigflieger Europas nach Ryanair, schreibt Millionenverluste. Worauf basiert das Erfolgsrezept O’Learys?

Extras gesondert zahlen

Finanzchef Neil Sorahan fasst die Strategie kurz zusammen: mehr Passagiere, strenge Kostenkontrolle, kaum Flugausfälle und hohe Auslastung. Was einfach klingt, ist aufwendig und basiert auf einem konsequenten Geschäftsmodell: Ryanair fliegt bisher nur von einer Stadt zur anderen, es gibt keine eigenen Anschlussflüge, die alles komplizierter machen würden. Hinzu kommt die Preispolitik: Jeder Gast zahlt für Extras gesondert. Da viele Fluggäste ungern für Koffer extra bezahlen wollen, beschränken sich viele aufs Handgepäck.

Das Unternehmen braucht damit in der Folge weniger Check-in-Personal und spart Geld. Dadurch können die Flieger zudem wieder schneller starten, was ebenfalls Gebühren spart. Um die Flugzeuge gut zu füllen, setzt Ryanair auf attraktive Ziele. Auslastungen um die 90 Prozent gelten intern als schlecht, angestrebt sind 94 bis 95 Prozent. Zudem gibt es ein ausgeklügeltes System, um Passagiere über günstige Preise anzulocken. Rentiert sich eine Strecke nicht, werden die Flugzeuge auf anderen Routen eingesetzt.

Niedriger Ölpreis

Im Zuge der Brexit-Debatte hat Ryanair bereits Maschinen aus Großbritannien abgezogen und in Deutschland und Italien eingesetzt. Ryanair profitiert auch von dem Ideenreichtum seines Chefs O’Leary, der das Unternehmen seit Anfang der 90er-Jahre von einer kleinen Regionalfluggesellschaft zur Nummer eins Europas nach Passagieren entwickelte. Und O’Leary weicht bisher nicht von seinem Prinzip ab: Alles, was zusätzliche Kosten verursacht und den schlanken Betrieb stört, wird nicht gemacht – ganz anders als beim Konkurrenten Air Berlin, den keiner der vielen Chefs in den Griff bekam.

Ryanair setzt nur einen Flugzeugtyp – Boeing 737-800 – ein, was Wartungs- und Schulungskosten minimiert. Auch das Personal bezahlt Ryanair nicht gerade üppig. Wie alle Fluggesellschaften profitiert das Unternehmen zudem vom niedrigen Ölpreis. So konnte Ryanair im umkämpften europäischen Markt im vergangenen Jahr gut überleben: Tickets kosteten nach Firmenangaben im Schnitt 41 Euro, 13 Prozent weniger als ein Jahr zuvor.

Ryanair überholt Lufthansa

In diesem Jahr sollen sie weitere fünf Prozent billiger werden. Geld verdient Ryanair bereits ab rund 38 Euro je Ticket. Die Zahl der Passagiere stieg auf 120 Millionen, der Umsatz um zwei Prozent auf 6,6 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 1,3 Milliarden Euro. 2016 überholte Ryanair sogar erstmals die Lufthansa bei Passagieren – beim Umsatz liegen die Deutschen mit 31,7 Milliarden und beim Gewinn mit 1,8 Milliarden Euro deutlich vorn.

2017 will O’Leary vor allem in Italien und Deutschland weitere Strecken bedienen und von der Schwäche Alitalias und Air Berlins profitieren. Wo andere Krisen sehen, sieht O’Leary jede Menge Chancen: „Wir können gar nicht so viele Flugzeuge bekommen, wie wir Wachstumsmöglichkeiten haben“, sagt er. Er verhandele bereits mit Boeing über zusätzliche Maschinen.

Angebot startet in Rom

Auch löst sich O’Leary jetzt von der klassischen Strategie: Ryanair bietet auch Zubringerflüge an, zunächst für den spanischen Langstreckenbilligflieger Air Europa. Die Iren fliegen Passagiere nach Madrid, von dort aus geht es dann nach Nord- oder Südamerika. Über solch eine Zusammenarbeit hatte O’Leary nach eigenen Angaben auch mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr gesprochen. Dieser setzt aber auf die eigene Billigflugtochter Eurowings.

Zudem bietet Ryanair künftig testweise Umsteigeverbindungen an, bei denen der Passagier seinen Koffer durchchecken kann. Das Angebot startet in Rom. Ausgebaut wird auch das Programm „Amazon of travel“, mit dem das Unternehmen im Internet alles rund ums Reisen anbieten will. Vorbild ist der US-Handelskonzern Amazon. Das Angebot scheint zu funktionieren: Auf der entsprechenden Seite meldeten sich bereits 20 Millionen Nutzer an. O’Learys Kurzzeitziel: „Ende März 2018 erwarten wir 30 Millionen.“