Essen. Ausgerechnet an seinem Geburtstag musste der frühere Arcandor-Topmanager Thomas Middelhoff im Untreue-Prozess vor Gericht erscheinen.

Er ist nicht mehr der Alte. Im Prozess gegen den früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und sechs frühere Aufsichtsratsmitglieder des Konzerns wegen mutmaßlich überhöhter Sonderzahlungen gibt sich der 64-Jährige am Donnerstag vor dem Landgericht Essen wortkarg und verschlossen. Seine Verteidigerin Anne Wehnert hat es übernommen, die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft in einer Erklärung zurückzuweisen.

Als der früher so gepriesene Manager aus Bielefeld 2014 in Essen vor Gericht stand, hatte er sich ganz anders gegeben. Da ließ er kaum eine Gelegenheit aus, mit Journalisten ins Gespräch zu kommen, erklärte den Richtern lang und breit, dass er unschuldig sei und nicht er den Arcandor-Konzern als Nachfolger von Karstadt-Quelle in den Ruin getrieben habe. Gedankt wurde es ihm damals nicht. Die zuständige XV. Strafkammer verurteilte ihn zu drei Jahren Gefängnis, ließ ihn im Gerichtssaal verhaften.

Im offenen Vollzug

Und zu den mündlichen Ausführungen von Middelhoff und seinen Unternehmerfreunden gab es einen Kommentar von Richter Jörg Schmitt im Urteil: „Wir sind noch nie so viel belogen worden, wie in diesem Verfahren.“ Jetzt schweigt er also. Ausgerechnet auf den Prozessauftakt vor der I. Strafkammer fällt am Donnerstag Middelhoffs 64. Geburtstag.

Vorsitzender Richter Edgar Loch verzichtet auf einen Glückwunsch, spricht das Ereignis aber kurz an: „Seien Sie versichert, es wäre einfacher Ihren Geburtstag zu verlegen als diesen Prozessauftakt angesichts der vielen Verfahrensbeteiligten.“ Middelhoff fährt nicht mehr mit Limousine vor.

Er kommt zu Fuß, drei Verteidiger an seiner Seite. Freigänger im offenen Vollzug ist er, wird deshalb nicht aus der Haft vorgeführt. Kurz und knapp beantwortet er die Fragen des Richters zu seinen Personalien. „Wohnort?“ „Gefängnis Bielefeld-Senne.“ „Familienstand?“ „Verheiratet, in Scheidung lebend.“

Teil der Vorwürfe

Der frühere Vorstandsvorsitzende der Arcandor AG, Thomas Middelhoff (M).
Der frühere Vorstandsvorsitzende der Arcandor AG, Thomas Middelhoff (M). © dpa | Ina Fassbender

Neben ihm auf der Anklagebank sitzen der frühere Aufsichtsratschef Friedrich Janssen, auch Leo Herl, der Ehemann der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz. Rund eine Stunde lang verlesen die Staatsanwälte die Anklage gegen die frühere Arcandor-Spitze. Nur einen Teil der Vorwürfe gegen ursprünglich 15 Angeklagte hatte die Strafkammer zugelassen, in vielen anderen Punkten hatte sie keinen Tatverdacht gesehen.

Im Kern geht es noch um Sonderzahlungen an Middelhoff und den früheren Finanzvorstand Peter Diesch. Den beiden soll nach Anstiftung durch Middelhoff der Aufsichtsrat 2,3 Millionen beziehungsweise 1,38 Millionen Euro gewährt haben, obwohl diese Zahlungen nicht mehr im Interesse des Konzerns gelegen hätten. Schließlich sei da schon klar gewesen, dass beide das Unternehmen verlassen wollten.

Auf Gehalt verzichtet

Die Anklage erinnert daran, dass zu jener Zeit auch der wirtschaftliche Niedergang des Unternehmens begonnen habe, der letztlich in die Insolvenz führte. Seinerzeit hatten Tausende einfache Mitarbeiter auf Gehalt verzichtet, um ihren Arbeitgeber retten zu helfen. Vielen blieb später trotzdem nur die Arbeitslosigkeit. Und oben floss das Geld.

Zwei Sanitäter sitzen im Saal, die an jedem der geplanten 34 Verhandlungstage eingreifen sollen, falls es einem der Herren auf der Anklagebank plötzlich schlechtgehen sollte. Einer von ihnen zuckt plötzlich zusammen und guckt seinen Kollegen an. Da hatte Staatsanwalt Fuhrmann gerade bei einem der Vorstandskollegen das Gehalt in Höhe von 55.000 Euro vorgelesen. Brutto und monatlich, versteht sich. Am Montag wird der Prozess fortgesetzt.