Berlin. Auf dem Ozeanboden sollen bald Metalle für Handys und Batterien geschürft werden. Der Wettlauf um den Bergbau unter Wasser beginnt.

Die Industrialisierung der Ozeane beginnt: Rohstoffjäger wollen den Grund der Meere aufreißen und umpflügen – es herrscht Goldgräberstimmung. Kobalt, Mangan, Nickel sollen an die Oberfläche befördert werden, Metalle, die in Handys verarbeitet werden, in Windkraftanlagen, in Batterien. Allein in einem Smartphone steckten 30 verschiedene Metalle und in einer einzigen Windkraftturbine 500 Kilogramm Nickel, 1000 Kilogramm Kupfer und 1000 Kilogramm Seltene Erden.

In den Ozeanen kommt das alles vor. Millionen Tonnen Manganknollen, die in fünf Kilometer Tiefe auf dem Meeresgrund ruhen. Sie gelten als besonders rohstoffreich, denn sie enthalten die begehrten Metalle.

Dazu kommen dicke Sulfidschichten, die heiße Quellen am Meeresgrund, sogenannte Schwarze Raucher, ausspucken und Kobalt-Krusten an den Hängen unterseeischer Gebirge. In internationalen Gewässern, Tausende Meter unter der Wasseroberfläche, hat zwischen den Industriestaaten längst ein Wettlauf um Abbaugebiete begonnen – ein gigantisches Monopoly am Meeresgrund.

Deutschland hat schon 27.000 Quadratkilometer reserviert

Die Industrie, auch die deutsche, will diesen Schatz bergen. Zumal derzeit viele Rohstoffe aus unsicheren, politisch instabilen Ländern stammen. So kommen zum Beispiel 40 Prozent der weltweiten Kobaltproduktion aus der Demokratischen Republik Kongo, einem ehemaligen Bürgerkriegsland, in dem es viel Korruption gibt.

„Der Tiefseebergbau würde einen großen Beitrag zur Rohstoffsicherheit leisten. Die Bevölkerung weltweit wächst, der Bedarf an Erzen, Metallen auch“, sagt Henry von Klencke, Rohstoffexperte beim Bundesverband der Deutschen Industrie, BDI. „Wichtig sind angemessene Umweltstandards, die einen nachhaltigen Abbau von Tiefseerohstoffen ermöglichen.“ Nur ob die Umweltauswirkungen überhaupt in den Griff zu bekommen sind, das Ökosystem das Schürfen am Grunde verkraftet, das ist unter Experten umstritten.

Meeresforscher warnen vor den Risiken

Windkraftanlagen im Offshore Windpark „Nordsee-Ost“ vor der Insel Sylt (Schleswig-Holstein) in der Nordsee.
Windkraftanlagen im Offshore Windpark „Nordsee-Ost“ vor der Insel Sylt (Schleswig-Holstein) in der Nordsee. © dpa | Daniel Reinhardt

„Wir erleben einen ungeheuren Run auf Rohstoffquellen in der Tiefsee“, sagt Barbara Unmüßig aus dem Vorstand der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung – und warnt vor Risiken. Sie steht damit nicht allein. Unmüßig beruft sich auf Daten und Fakten aus dem am Mittwoch veröffentlichten „Meeresatlas 2017“. Diese Informationen hat ihre Stiftung zusammen mit hochrangigen Kieler Meeresforschern zusammengetragen. Das Geschäft mit den Schätzen aus dem Meer scheint demnach verlockend. Es könnte milliardenschwer werden – sowohl bei den Gewinnen als auch bei den Schäden.

Die Bedenken der Meeresforscher sind groß. Die Ozeane seien ohnehin schon im „Stress“. Martin Visbeck forscht am Kieler Geomar-Helmholtz-Zentrum, ist Sprecher des Exzellenzclusters „Ozeane der Zukunft“ und macht eine „Meereskrise“ aus. Die Ozeane hätten eine große „Bedeutung für das Leben auf der Erde. 2,9 Milliarden Menschen deckten 20 Prozent ihres Proteinbedarfs durch Fisch. Der Ozean puffere den Klimawandel, weil er Kohlendioxid speichert. Doch längst würden Fische rar, dafür nähme der Müll zu.

Der Mensch belaste die Ozeane schon heute. Vieles sei noch „nicht entdeckt“, sagt Visbeck, bis jetzt tappe die Wissenschaft im Dunkeln, wisse nicht, was genau passiere, wenn der Meeresboden sozusagen umgepflügt werde. Bislang gelten nur zehn Prozent der Tiefsee als topographisch vermessen, weniger als ein Prozent als tatsächlich erforscht. Klar sei aber, so Visbeck, dass unter Wasser, in der Tiefe alles sehr langsam geschehe. Einmal Zerstörtes regeneriere sich lange nicht. Visbecks Beispiel: „Es gibt Meeresorganismen, die 4000 Jahre leben und erst im Alter von 1000 Jahren Nachwuchs bekommen“. Ein anderes: Manganknollen brauchen eine Million Jahre um fünf bis zwanzig Millimeter zu wachsen.

Umweltschützer wollen 20 bis 50 Prozent der Ozeane unter Schutz stellen

Umweltschützer fordern darum ein „globales Moratorium für Rohstoffgewinnung und Tiefseebergbau, bis potenzielle Folgen und notwendige Grenzen geklärt sind.“ Sie wollen ohnehin, dass 20 bis 50 Prozent der Ozeane unter Schutz gestellt werden. Stark geschützt seien bislang nur knapp zwei Prozent der Flächen. Einfach drauflosschürfen, das gehe jedenfalls nicht.

„Das machen wir auch nicht“, sagt Carsten Rühlemann von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, BGR. Die Internationale Meeresbodenbehörde hat bereits 27 Lizenzen für die Schatzsuche im Meer vergeben, zwei davon an Deutschland. Das eine 75.000 Quadratkilometer große Gebiet liegt in der Nähe von Hawaii, das andere im Indischen Ozean.

Noch berechtigen diese Lizenzen nur zur Exploration, später könnten sie dann aber in Abbaurechte umgewandelt werden. Rühlemann und seine Kollegen schicken von ihren Forschungsschiffen nun immer wieder Kameras und Messsonden in die Tiefe. „Wir untersuchen das wirtschaftliche Potenzial und die Umweltbedingungen.“ Der ökonomische Wert der Manganknollen, die „dicht an dicht lägen“, sei jedenfalls „enorm“.

Experten bezweifeln die Rentabilität des Abbaus

Aber die Rentabilität bestreiten Meeresforscher wie Visbeck. Das zeigten Erfahrung der kanadischen Firma Nautilus Minerals. Die habe mehrfach angekündigt vor Papua Neuguinea in den Ozeantiefen zu schürfen. Nie sei daraus etwas geworden. Der Bergbau in der Tiefe sei zu teuer, zu aufwendig. Mehr sei mit Recycling zu erreichen.

Die deutsche Wirtschaft lässt sich dadurch allerdings nicht beirren. Johannes Post ist Geschäftsführer der Deepsea Mining Alliance, eine Art Tiefseebergbauverein. Den haben hiesige Unternehmer vor drei Jahren gegründet. Heute gehören 20 deutsche Firmen dazu und fünf ausländische. Post meint, den Tiefseebergbaufirmen sei 2007 die Weltfinanzkrise dazwischengekommen. Damals seien die Preise für Rohstoffe gefallen.

Das bleibe aber nicht langfristig so. Theoretisch könne Deutschland sich zwar heraushalten aus dem Monopoly am Meeresgrund. „Doch dann bestimmen demnächst andere die Spielregeln: Russland, China – im Zweifel werden die Umweltauflagen dann weniger strikt sein.“