Hannover/Berlin. Auf der Hannover Messe dreht sich viel um Roboter. Doch so feinfühlig die Maschinen auch sind, sie gefährden klassische Arbeitsplätze.

Scheu vor Robotern kennt die Naturwissenschaftlerin Angela Merkel offenbar nicht. Auf ihrem Rundgang zum Start der Hannover Messe jedenfalls lässt die Kanzlerin beim Hersteller Festo ihren Arm von der tentakelartigen Extremität eines Roboters greifen. Bei Siemens bestaunt sie nicht nur die Beweglichkeit eines Spinnenbots, sondern auch eine ihr nachempfundene Figur aus dem 3-D-Drucker. „Was kann der so?“ fragt die CDU-Politikerin dann am Stand des Herstellers Kuka und zeigt dabei auf einen Roboterarm.

Mensch und Roboter kommen sich auf der größten Industrieschau der Welt näher, viel näher als bisher. Allerdings ganz im Sinne des vom Schriftsteller Isaac Asimov 1942 formulierten „Ersten Robotergesetzes“, nachdem ein Roboter keinem menschlichen Wesen Schaden zufügen darf.

Feinfühlige Bewegungen dank Druckluft

Wie sich auf der Hannover Messe zeigt, sind die Mensch-Maschinen sogar einen Schritt weiter: Sie werden geradezu kuschelig, etwa der Ironman von Magnetbau Schramme, der Besucher umarmt. Festo zeigt neben dem Kraken-Arm auch einen pneumatischen Leichtroboter, der dem menschlichen Arm sehr ähnelt und feinfühlige Bewegungen ausführt. „Der Bionic Cobot ist besonders für die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Robotern konzipiert“, sagt Elias Knubben, Leiter Corporate Bionic Projects bei Festo.

„Unser Roboter kann gemeinsam mit einem Menschen am gleichen Werkstück arbeiten, weil er sehr sicher und nachgiebig gestaltet ist.“ Der große Unterschied zu anderen Robotern sei bei diesem Modell die Verwendung von komprimierter Luft als Antriebsmedium. „Durch die stufenlose Einstellung der Kraft kann sich der Roboter ganz ähnlich wie ein Mensch bewegen“, glaubt Knubben. Befehle des mitarbeitenden Menschen nimmt der Cobot („Collaborative Robot“, mitarbeitender Roboter) über die grafische Oberfläche eines Tablets entgegen.

Roboter nehmen Menschen Arbeit ab

Ein Anblick, der in einigen Jahren in deutschen Industrieunternehmen nach Vorstellung der Entwickler die Regel sein sollte. „In der Fabrik der Zukunft werden Menschen und Roboter Hand in Hand arbeiten“, sagt Stefan Aßmann, Leiter Bosch Connected Industry, auf der Hannover Messe. „Schon heute können intelligente Assistenten selbstständig lernen und dem Menschen eintönige, gefährliche und anstrengende Arbeiten abnehmen.“

Dass die Cobots besonders achtsam und feinfühlig agieren, demonstriert Bosch mit einem Roboterarm, dessen Sensoren die Nähe eines Menschen erfassen und der seine Bewegung schon vor dem Kontakt abbricht. Das ist neu, denn Industrieroboter halten gewöhnlich erst bei direkter Berührung inne.

Roboter spielt Tischtennis

Ein netter Kollege in Arbeit und Freizeit – so zeigen die Hersteller die Roboter auf der Hannover Messe gern. So lädt der Tischtennis spielende Roboter Forpheus von Omron Electronics Besucher zu einem Match auf der Platte ein. Seine Entwickler haben ihm die Fähigkeit einprogrammiert, komplexe Bewegungen vorherzusehen. Die Bahn eines vom Spielpartner aufgeschlagenen Balls kann Forpheus mit 80 Berechnungen pro Sekunde vorhersehen.

Einen mehr Sinn stiftenden Roboter hat Festo bereits im Programm. Der Hersteller entwickelte in einem von der EU-Kommission geförderten Forschungsprojekt einen Ernte-Roboter. Die auf einem Roboter befestigten Greifer erkennen mit Hilfe von Kameras und weiterer Sensorik nicht nur die Position der Früchte, sondern auch ihren Reifegrad. Halbreife und überreife Früchte lässt Kollege Ernteroboter hängen.

Künstliche Intelligenz als Wachstumsmarkt

Mit den fest am Boden verschraubten oder in Käfigen eingesperrten Industrierobotern haben die freundlichen Bots von nebenan heute nicht mehr viel gemein. Ihren Anteil daran haben sogenannte Roboter-Apps, die das Programmieren der mechanischen Helfer vereinfachen. All dies möglich macht der Boom der Künstlichen Intelligenz (KI). 2016 haben laut CB Insights Risikokapitalgeber bereits in mehr als 200 Unternehmen investiert, die sich in irgendeiner Form mit KI befassen.

Zudem arbeiten zahlreiche KI-Start-ups daran, Plattformen und Systeme menschenähnlicher zu gestalten. Damit wittern Unternehmen das große Geschäft. Den Marktforschern von Tractica zufolge soll der Umsatz mit Unternehmensanwendungen im Bereich KI in Europa von rund 93 Millionen Dollar (87 Millionen Euro) im Jahr 2016 auf rund 7,8 Milliarden Dollar im Jahr 2025 steigen.

Deutschlands Beschäftigte haben wenig Angst

Die Angst, ihr Job könnte in Zukunft von einem Roboter übernommen werden, ist bei Deutschlands Beschäftigten noch nicht verbreitet. Bei einer Umfrage von TNS Infratest im Auftrag EU-Kommission gaben 72 Prozent der Befragten an, „überhaupt keine Angst“ davor zu haben. Nur sieben Prozent erwarteten, dass Roboter ihren Job in der Zukunft „vollständig“ oder „größtenteils“ erledigen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betrachtet eine Merkel-Figur aus dem 3-D-Drucker neben Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, beim Eröffnungsrundgang zur Hannover Messe.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betrachtet eine Merkel-Figur aus dem 3-D-Drucker neben Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, beim Eröffnungsrundgang zur Hannover Messe. © picture alliance / Julian Strate/picture alliance | Julian Stratenschulte

Das wird sich wahrscheinlich ändern. Denn in der bereits angelaufenen nächsten Welle der industriellen Revolution („Industrie 4.0“) soll es auch Angestellten an den „weißen Kragen“ gehen. Sieben Millionen Stellen stehen zur Disposition, wobei einer Umfrage zufolge im Gegenzug bis 2020 allerdings auch zwei Millionen neue Stellen für Computerspezialisten und Techniker geschaffen werden sollen. Deutschland mit seiner starken Autoindustrie ist von diesem Umbruch besonders betroffen.

Preisverfall bei Standardrobotern

Deutlich zeigt sich der Boom beim weltweiten Absatz von Industrierobotern. Wurden 2009 weltweit 60.000 Industrieroboter verkauft, waren es 2015 bereits 254.000. Für 2018 wird ein weltweiter Bestand von rund zwei Millionen Industrierobotern vorhergesagt. 2025 soll ein Punktschweiß-Roboter nur noch etwa 70 Prozent des heutigen Kaufpreises kosten. Mehr Roboter, die obendrein günstiger produziert werden – in diesem Szenario gerät der menschliche Arbeiter zwangsläufig ins Hintertreffen. Die kuscheligen Zeiten mit den netten Cobots am Arbeitsplatz gehören dann wohl der Vergangenheit an.