Frankfurt/Main. Banken üben schon lange Druck auf den EZB-Chef Mario Draghi aus: Der solle die Politik der niedrigen Zinsen möglichst schnell ändern.

Die Nullzinsen in der Eurozone sind an vielen Stellen zu spüren: Inflation entwertet das Geld von Sparern, Immobilienmärkte laufen heiß, Banken geraten in die Klemme. Nun steigt der Druck auf Mario Draghi, die Geldpolitik zu straffen. Vorsichtig, aber beharrlich mahnen Ökonomen den Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), die Zügel anzuziehen.

Jüngst waren es die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in Deutschland, die mittlerweile einstimmig dazu raten, den Einstieg in den Ausstieg vorzubereiten – wenn auch vorsichtig. Denn die Finanzinstitute müssen ihre langfristigen Kontrakte und ihre Anlagepolitik allmählich anpassen, damit es nicht zu Verwerfungen an den Märkten kommt. Das hatte die amerikanische Notenbank Fed vor einigen Jahren erlebt, als sie Ende 2013 erstmals den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik angekündigt hatte.

Draghi will weiter bis zum Inflationsziel

Kürzlich hat EZB-Präsident Draghi auf einer Konferenz deutlich gemacht, dass eine baldige Straffung noch nicht gerechtfertigt sei. Er hielt aber offenbar die Zeit für gekommen, Spekulationen zu beenden, ob die Notenbank vielleicht doch beginnen könnte, die Zinsen zu erhöhen, bevor sie ihre milliardenschweren Wertpapierkäufe weiter reduziert. Mit diesen Käufen werden die Marktzinsen zusätzlich niedrig gehalten, sie gehen bis mindestens Ende 2017 weiter.

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    Draghi argumentiert, dass die Inflationsrate eben noch nicht bei knapp zwei Prozent angekommen sei. Das formelle Ziel wird damit noch verfehlt. Während Deutschlands Wirtschaft schon jetzt robust genug ist und mit höheren Zinsen gut zurechtkäme, würden sich vor allem die südlichen Staaten Europas schwerer tun. Abwürgen möchte die EZB die Konjunktur aber auf keinen Fall. Unterstützung erhält Draghi vom Chef der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer: Dem Beispiel Amerikas zu folgen und die Geldpolitik zu normalisieren wäre falsch, sagt Hoyer. Der Investitionszyklus in Europa verlaufe anders als in den USA.

    Banken üben Druck auf Draghi aus

    Die Diskussionen zeigen aber, dass ein Umdenken beginnt. Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die Zentralbank der Zentralbanken, hat jetzt die Notenbanken vor dem zu späten Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik gewarnt. Diese sei nicht mehr unbedingt notwendig, und man dürfe auch die Risiken einer anziehenden Inflation nicht verkennen.

    Die Finanzinstitute üben schon länger Druck auf Draghi aus. Denn ihre Gewinne schrumpfen wegen der niedrigen Zinsen. Zwar bemühen sie sich, die negativen Einlagezinsen nicht auf ihre Privatkunden überzuwälzen, doch stattdessen ziehen sie die Gebührenschraube an – jüngstes Beispiel dafür sind Gebühren, die einige Banken von Kunden verlangen, wenn diese Bargeld am institutseigenen Geldautomaten abheben. Deshalb dürften die Verbraucher sich auch über allmählich höhere Zinsen freuen: Denn aktuell verlieren sie Geld, wenn sie es auf dem Tages- oder Festgeldkonto deponieren. Zieht man die Inflationsrate von den mageren Zinsen ab, bleibt real ein Minus.

    Forscher schlagen zuerst neue Kommunikation vor

    So sehr die Finanzinstitute auch die EZB kritisieren: Es ist in ihrem eigenen Interesse, dass die EZB behutsam die Wende einleitet. Denn da gibt es noch das „Zinsänderungsrisiko“, vor dem etwa Bankenexperte Martin Hellwig, Direktor am Bonner Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, warnt. Gerade in der Immobilienfinanzierung hätten viele Banken die niedrigen Zinsen für ihre Kunden auf 10, 15 oder 20 Jahre festgeschrieben: „Lassen Sie die Marktzinsen mal auf vier Prozent hochgehen, dann haben die Banken ein Problem.“

    Deshalb raten auch die Wirtschaftsforscher zu einer Kommunikationsänderung. Das wäre zwar noch keine harte Zinserhöhung, aber durchaus wirksam. Sobald Anleger glauben, dass die Zinsen bald steigen, gehen auch die Renditen langlaufender Papiere nach oben.