Braunschweig. Ferdinand Piëch hat die Autoindustrie verändert wie kein Zweiter. Das ist nun Geschichte. Am Montag wird der Porsche-Erbe 80 Jahre alt.

Die Weltgeschichte kennt viele Helden, die unerwartet scheiterten. Ferdinand Piëch ist eben so einer. Der VW-Patriarch, der Volkswagen zu einem der größten Konzerne der Welt formte, wird am Montag 80 Jahre alt. Genau zu diesem Zeitpunkt hat er nun auch seine Anteile am Konzern verkauft. Damit endet Piëchs VW-Verbundenheit, die zur Familien-DNA gehört.

Als Piëch 1993 als Vorstandsvorsitzender in Wolfsburg startete, taumelte VW am Abgrund. Eines Abends kam Piëch aus dem Büro und sagte zu seiner Frau Ursula: „Ich weiß nicht, ob wir in zwei Monaten das Geld für die Löhne haben.“ Neun Jahre später, als Piëch ging, stand VW so glänzend da wie nie zuvor. Mit fünf Prozent Umsatzrendite nach Steuern.

Piëch war der mächtigste Manager der Autobranche

Die folgenden Jahre als Chef des Aufsichtsrats waren geprägt von fantastischem Wachstum. Und nach der sensationellen Übernahme der Firma Porsche durch VW war Piëch nun auch noch VW-Mitbesitzer und damit der mächtigste Manager der Autobranche.

Bis zum April 2015. Bis zu dem Zitat, das alles änderte: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Der Grund? Piëch sah diverse Probleme in den USA, Ertragsschwächen bei der Marke VW, fehlende Zukunftsstrategien. Er wollte seinen Nachfolger loswerden. Das Präsidium des Aufsichtsrats stemmte sich jedoch dagegen. Piëch trat zurück. Martin Winterkorn, der später als Folge des Diesel-Betrugs selbst abdankte, war Piëchs engster Weggefährte gewesen. 30 Jahre lang.

Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW

Unvergessen ist Piëchs Statement: „Winterkorn ist der beste Vorstandsvorsitzende der Welt.“ Das war 2009 auf dem Siedepunkt der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und VW. Danach vereiste das Verhältnis zwischen dem einst treuen Vasallen und dem Chef in Salzburg. Zog zu viel Hochmut in der VW-Chefetage ein? Es gab in Wolfsburg Berater, die Winterkorn zur Abgrenzung vom „Alten“ rieten.

Schließlich soll es 2015 zu einem Gespräch gekommen sein, dessen Folgen die Autowelt veränderten. Laut „Spiegel“ soll Piëch im Februar 2015 von einem Informanten den Hinweis über Probleme in den USA erhalten haben. Kurze Zeit später soll er Winterkorn darauf angesprochen haben. Das habe er bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig ausgesagt. Offiziell bestätigt ist dies bisher nicht.

Damit fand eine der großen Karrieren der Motorwelt ihr Ende. Alles begann mit Ferdinand Porsche, der einst das VW-Werk aufbaute und rollende Ikonen schuf wie das erste Hybrid-Auto (1899), den Auto-Union-Rennwagen, den VW-Käfer. Als Porsche 1951 starb, bestimmte er nicht etwa seinen Sohn zum Haupterben der Firma Porsche, sondern gab Ferry und dessen Schwester Louise Piëch die gleichen Anteile. Jeweils 50 Prozent. Probleme tauchten auf, als die Kinder der beiden in die Firma drängten.

Er hat Humor, ist ein Familienmensch

Vier Porsches, vier Piëchs! So kam es 1971 zum Krach. Einer, nämlich Ferdinand Piëch, hatte sich so überzeugend hoch gekämpft, dass klar schien: Nur er, der Fähigste, wird künftig Porsche führen. Doch das wollten die anderen nicht. So entstand die Sonderregelung, dass kein Familienmitglied mehr im operativen Geschäft tätig sein durfte.

Piëch war mit viel Ehrgeiz bei Porsche gestartet. Er perfektionierte den 911, stieg zügig zum Chef der Entwicklung auf und brannte im Motorsport ein Feuerwerk ab. Er wollte Porsche durch Rennsiege Weltgeltung verschaffen. So ließ er Boliden bauen, die alle Konkurrenten (ob Ferrari oder US-Konzern Ford) in Grund in Boden fuhren. Synonym dafür war der Porsche 917, ein Gigant mit 1200 PS (Piëch: „Das größte Risiko meines Lebens“). Monate später heuerte Piëch 1972 bei Audi an, wurde Technikvorstand und schließlich Audi-Chef. Quattro, Leichtbau, Achtzylinder, Weltmeistertitel – die betulichen Audi-Kutschen verwandelten sich in Premiumprodukte. Wie Mercedes und BMW.

Vier-Tage-Woche anstelle von Entlassungen

VW-Chef Hahn unkte: „Nun ist Piëch wohl auch als VW-Chef nicht zu verhindern.“ Und so kam es. Piëch krempelte in Wolfsburg alles um. Mit der Streichung von Hierarchie-Ebenen, mit Vier-Tage-Woche (um nicht 30.000 Mitarbeiter entlassen zu müssen), mit Plattformstrategie und effizienten Kostenstrukturen. Stets suchte und fand er mächtige Unterstützer bei Gewerkschaft und Betriebsräten.

Piëch hat sein Leben lang extrem hart gearbeitet. Jetset-Partys? Gab es bei ihm nicht. Und er hat Seiten, die er verbarg. Er kann anregend erzählen, hat Humor, ist ein Familienmensch, spendet im Verborgenen für gute Zwecke.

Seine Kindheit war nicht unbeschwert: früher Tod des Vaters, eine Mutter, die unermüdlich im Geschäft rackerte, Schulzeit im kargen Internat. Das hat ihn hart, misstrauisch, kämpferisch gemacht. Dass Großvater Porsche sein Vorbild war, hat Piëch stets verneint. Aber er übernahm dessen Führungsstil. Er war kein überragender Konstrukteur, aber ein Moderator, der den Weg wies.