Dresden/Berlin. VW produziert in Dresden den ersten E-Golf und setzt auf neue Ladestationen. Gerät dadurch die traditionelle Tankstelle in Gefahr?

In der gläsernen Manufaktur von Volkswagen in Dresden ist am Montag der erste E-Golf vom Band gerollt. Ab Mai sollen täglich 35 Elektroautos produziert werden, wie der Konzern in Dresden mitteilte. VW investierte in den Umbau der Dresdner Produktionsstätte insgesamt 20 Millionen Euro. Vor der Gläsernen Manufaktur wurde zudem eine solarbetriebene Elektrotankstelle in Betrieb genommen. „Das ist die Tankstelle der Zukunft“, sagte Robert Franke, Leiter der Dresdner Wirtschaftsförderung. „Wir wollen zur Modellstadt für Elektromobilität werden.“

Geht diese Begeisterung für Elektromobilität weiter, könnte die traditionelle Tankstelle in Gefahr geraten. Denn den Stoff, den Tankstellen anbieten, werden künftig immer weniger Leute brauchen. Schon diskutiert die Politik darüber, ab wann keine Pkw mit Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Ab 2030, fordern die Grünen, was ehrgeizig anmutet. Das Signal aber ist klar: Strom folgt auf Öl – und Elektroautos tanken kein Benzin.

„Die Geschäftsmodelle werden sich verändern“

Dennoch sieht der Ölkonzern Total Deutschland noch keine Gefahr für das Geschäftskonzept der Tankstellen. „Tankstellen verschwinden nicht“, sagt der Total-Sprecher Manuel Fuchs. Bis 2030 schon gar nicht, denn bis dahin würden konventionelle Treibstoffe weiterhin die meisten Fahrzeuge antreiben. Und auch für die weitere Zukunft sieht Fuchs eine Chance für die Mineralölkonzerne und Tankstellenbetreiber. „Die Geschäftsmodelle werden sich verändern. Die Firmen bieten dann zusätzliche Energieträger, Dienstleistungen und Produkte an.“

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Aber ist das realistisch? Angenommen, in 20 Jahren fährt die Mehrheit der Automobile mit Elektrizität. Dann müssen sich die Tankstellen gegen einen mächtigen Konkurrenten behaupten – das Stromnetz. Steckdosen und Stromladesäulen gibt es fast überall, wo Elektrizitätskabel verlaufen – vor jedem Haus, in jeder Tiefgarage, an Straßenlaternen, auf Parkplätzen, an Supermärkten. Warum soll man noch zur Tankstelle fahren, wenn sich die Autobatterien über Nacht und nebenbei aufladen?

Außerdem sind viele traditionelle Tankstellen heute als Stromanbieter schlecht geeignet. Denn sie könnten viel weniger Fahrzeuge mit Elektrizität versorgen als mit Benzin. Der Grund: Einmal traditionell volltanken und bezahlen dauert derzeit etwa fünf Minuten. Pro Zapfsäule werden pro Stunde etwa zwölf Fahrzeuge versorgt.

Die Ladetechnik wird schnell fortentwickelt

Ein elektrischer Ladevorgang braucht dagegen viel länger. Selbst mit leistungsfähigster Technik arbeiten die Ladesäulen der US-Firma Tesla eine halbe Stunde, um Saft für 200 Kilometer zu spendieren. Im Vergleich zu zwölf werden pro Stunde so nur zwei Fahrzeuge bedient. Wollte eine Tankstelle den Umsatzverlust ausgleichen, müsste sie eine wesentlich höhere Zahl von elektrischen Lade- als derzeit Zapfsäulen aufstellen. Dafür allerdings ist an vielen Tankstellen kein Platz. Dies betrifft vor allem Standorte in dicht besiedelten Gebieten, wo die Grundstücke klein und die Bodenpreise hoch sind.

Dass Tankstellen, die von Benzin auf Strom umrüsten, einen Nachteil haben müssen, bezweifelt Axel Thielmann vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Der Physiker erklärt, dass die Technik sowohl der Ladesäulen als auch der Autobatterien schnell fortentwickelt werde. „Man kann davon ausgehen, dass Elektrofahrzeuge in einigen Jahren ähnlich schnell zu laden sind, wie heute ein Tankvorgang dauert.“

„Wir gehen optimistisch an die Zukunft heran“, sagt auch Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbands der Freien Tankstellen (BFT). Er glaubt nicht, dass reine Elektrofahrzeuge schnell zum Rückgrat des Individualverkehrs werden. „Für die benötigten gigantischen Strommengen sind die Netze vorläufig gar nicht ausgelegt.“ Außerdem werde es auch nicht nur eine Art neuer Antriebe geben. „Denken Sie an die Hybrid-Technologie“, so Ziegert. Dabei kombiniert man in den Fahrzeugen E- und Benzin-Motoren. Die brauchen zwar weniger Benzin, aber sie brauchen welches.

Autogas, Erdgas und Wasserstoff

In diese Richtung argumentiert auch der Total-Sprecher Fuchs. Von den rund 1200 Tankstellen, die der Konzern in Deutschland betreibt, sind bisher zwölf zu Stationen neuen Typs umgebaut worden. Dort gibt es nun nicht nur Benzin und Diesel, sondern auch die anderen Treibstoffe: Autogas, Erdgas und Wasserstoff, außerdem Ladesäulen für Batterie-Fahrzeuge. Diversifizierung sei das Motto. Denn auch heute schon sind Getränke, Lebensmittel und Dienstleistungen rund um’s Auto wichtige Einnahmequellen. In ländlichen Gebieten übernehmen Tankstellen sogar soziale Dienste: Nachdem das letzte Lebensmittelgeschäft geschlossen hat, sind sie oft einziger Nahversorger und zugleich öffentliche Begegnungsstätte.

Aber auch dieser Wandel erfordert zum Teil hohe Investitionen. Gerade für kleine, umsatzschwache Tankstellen rechnen sich diese oft nicht. Einige der derzeit gut 14.000 Standorte mit knapp 100.000 Arbeitsplätzen in Deutschland werden die Wende zu alternativen Antrieben deshalb wohl nicht überleben.