Washington/Berlin. US-Präsident Donald Trump startet seine protektionistische Wirtschaftspolitik. Erste Opfer sind die Salzgitter AG und Dillinger Hütte.

US-Präsident Donald Trump will bei seiner nationalistischen Wirtschafts- und Handelspolitik Nägel mit Köpfen machen. Erste Opfer, so Handelsminister Wilbur Ross, könnten die deutschen Stahlfirmen Salzgitter AG und Dillinger Hütte sein. Sie stehen auf einer Liste von Unternehmen aus sieben Ländern, die aus US-Sicht ihre Produkte unterhalb der Herstellungskosten verkauft haben. Ihnen drohen nachträglich hohe Strafzölle. Es geht um einen Importwert von rund 200 Millionen Dollar. Die US-Regierung hat errechnet, dass die deutschen Firmen ihre Preise um rund fünf, beziehungsweise 23 Prozent gedrückt haben sollen.

Um dem „Dumping“ zu begegnen, soll der amerikanische Zoll angewiesen werden, kurzfristig von den Unternehmen Geld einzutreiben. Diese Barsicherheiten, sollen bis zu einer endgültigen Entscheidung der US International Trade Commission über die Strafen blockiert bleiben. Falls die Bundesbehörde ITC zugunsten von Salzgitter und Dillinger entscheiden sollte, werde das Geld zurückgezahlt.

Mehrere Länder betroffen

Ross rechnet aber offenbar nicht damit. Er sieht die amerikanische Stahlindustrie „unter Beschuss durch ausländische Produzenten, die ihre Exporte verschleudern und subventionieren lassen“, erklärte der Minister. Neben den deutschen Firmen sind Stahlerzeuger in Österreich (hier Voest­alpine), Frankreich, Belgien, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan betroffen.

Für die Bundesregierung übte Außenminister Sigmar Gabriel massive Kritik an der Entscheidung. Die zugrunde liegende Berechnung der Zölle verstoße gegen die Richtlinien der Welthandelsorganisation (WTO). „Die US-Industrie soll geschützt werden, indem man die bessere deutsche Stahlindustrie benachteiligt“, sagte Gabriel.

Unverständnis in Deutschland über angekündigte Bestrafung

Auch Sprecher von Dillinger und Salzgitter AG, wo Gabriel seinen Wahlkreis hat, äußerten Unverständnis über die angekündigte Bestrafung. „Die Entscheidung und die Höhe der Strafzölle für unsere Produkte sind für uns nicht nachvollziehbar“, sagte eine Sprecherin von Salzgitter.

„Der globale Stahlmarkt verträgt keinen Protektionismus“, kritisierte der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff. Das Problem müsse an der Wurzel gelöst werden. Die Ursache liege in den weltweiten Überkapazitäten. Tatsächlich leidet der Stahlmarkt seit Jahren an einem massiven Überangebot. Dabei ist auch die europäische Stahlindustrie unter Druck geraten.

Auslöser war eine starke Ausweitung der Produktionsmenge in China. Allein diese Werke liefern monatlich gut 61 Millionen Tonnen Stahl, fast die Hälfte der Weltproduktion von 126 Millionen Tonnen pro Monat. Deutschland kommt auf rund 13 Millionen Tonnen monatlich und ist damit Spitzenreiter in der EU. Seine Mengen bringt China nach Überzeugung der europäischen Hersteller zu Dumpingpreisen auf den hiesigen Markt. Dagegen geht die EU selbst seit Jahren mit Strafzöllen vor. Für Grobbleche aus China verlangt die EU seit vergangenem Oktober 74 Prozent Zoll. Und als Wirtschaftsminister hat sich Sigmar Gabriel oft für Anti-Dumping-Verfahren gegen Chinesen starkgemacht.

Doch der Konflikt zwischen den USA und der EU birgt viele Zutaten für eine Eskalation bis hin zu längst überwunden geglaubten Handelskriegen: Wirtschaftsexperten in Washington gehen davon aus, dass alle ins Visier genommenen Länder Protest bei der WTO einlegen werden.

EU-Kommission erwägt eine Klage bei der WTO

Die EU-Kommission erwägt deshalb sogar eine Klage bei der WTO, im Namen Deutschlands. Diese Klage würde vor einem internationalen Schiedsgericht verhandelt. Sollten die Richter urteilen, dass die US-Zölle gegen WTO-Recht verstoßen, dürfte die EU ebenfalls Strafzölle erheben. Korea hat bei einer ähnlichen Klage gegen US-Zölle unlängst recht bekommen – die neue Ära des Protektionismus hat begonnen. Das zeigen auch die ersten beiden offiziellen Schritte Trumps, um das hohe Handelsdefizit (knapp 500 Milliarden Dollar) auszugleichen, das die USA mit den meisten Industrienationen der Erde unterhält.

Durch zwei Dekrete machte Trump am Freitag den Weg für Untersuchungen frei, die „Land für Land und Produkt für Produkt“ (Wilbur Ross) ergeben sollen, warum aus US-Sicht die Importe aus dem jeweiligen Staat die Exporte dorthin übersteigen. Ross sprach vom Verdacht der „Schummelei“, ohne genaue Beispiele zu nennen.

Auch hier spielt Deutschland als traditionell starkes Exportland eine zentrale Rolle. Das Handelsdefizit aus US-Sicht betrug zuletzt knapp 64 Milliarden Dollar. Allerdings gab Ross indirekt Entwarnung – etwa für den deutschen Maschinenbau. „Einige Länder sind bei der Herstellung eines Produktes besser als wir oder billiger“, sagte Ross. Dies allein begründe noch keinen Anlass für Strafmaßnahmen. Die zweite „Executive Order“, die Trump unterzeichnete, zielt auf das passgenaue Eintreiben von Zöllen und Gebühren im Welthandel. Regierungsberater Peter Navarro sprach davon, dass sich die USA knapp drei Milliarden Dollar entgehen lassen. Beobachter erwarteten, dass diese protektionistischen Aktionen Trumps im Vorfeld des G20-Gipfels im Sommer in Hamburg noch für viel Verstimmung sorgen werden.