Berlin/Stuttgart. Überraschend will der Patriarch Ferdinand Piëch seine Anteile an der Familienholding verkaufen. Es ist das Ende einer turbulenten Ära.

In die eng verknüpfte Geschichte von Porsche und VW wird Freitag, 17. März, als großes Datum eingehen. Es ist der Tag, an dem bekannt wird, dass Ferdinand Piëch sich zurückzieht – wohl endgültig.

Der Enkel des legendären Ingenieurs Ferdinand Porsche plant, sich vom Großteil seiner Aktien an der Familienholding Porsche SE zu trennen. Es ist das Ende einer Ära. Allerdings eins mit Tücken. Dennoch wird mancher in der Familie und in den Unternehmen jetzt aufatmen.

Stammaktien in der Hand der Familien

Die Porsche SE ist so etwas wie das wirtschaftliche Herz der Familien Porsche und Piëch. Über die Holding halten sie 52 Prozent der Stimmrechte und 31 Prozent des Kapitals am Autobauer VW, jenes Unternehmen, dass Stammvater Ferdinand Porsche mit dem VW Käfer nachhaltig voranbrachte.

Die Porsche-Vorzugsaktien sind an der Börse notiert, die Stammaktien in der Hand der Familien. Ferdinand Piëch kontrolliert etwa 14,7 Prozent der Stammaktien, die – orientiert am Kurs der Vorzugsaktien – etwa 1,15 Milliarden Euro wert sind.

Warum steigt er jetzt aus?

Piëch muss seine Stammaktien zunächst den anderen Familienmitgliedern anbieten. Es werde schon länger verhandelt, hieß es aus dem Umfeld der Familien.

Aber warum steigt der ehemalige Spitzenmanager jetzt aus? Am Geld allein kann es nicht liegen, der Porsche-Aktienkurs steht derzeit bei 51 Euro, vor zwei Jahren notierte das Papier zeitweilig über 90 Euro. Und die VW-Beteiligung ist an der Börse deutlich mehr wert als die Porsche SE.

Will er einen Schlussstrich ziehen?

Warum also der Verkauf? Will er die anderen Familienmitglieder ärgern, weil die jetzt kurzfristig eine ziemlich große Summe Geld aufbringen müssen, praktisch als Rache dafür, dass sie ihn fallen lassen?

Vielleicht wolle Piëch im Alter auch einen Schlussstrich ziehen, vermutet Ferdinand Dudenhöffer, Autospezialist der Universität Duisburg-Essen. „Mit seinem Traum hat es nicht geklappt, jetzt will er sich von den Resten trennen.“ Piëch wird am 17. April 80 Jahre alt. Der Traum: Großvater Ferdinand Porsche nachzueifern, sogar besser zu sein.

Von Porsche zu Audi zu Volkswagen

Piëch begann seine Karriere 1963 bei Porsche in Zuffenhausen, wo er unter anderem die Entwicklungsabteilung leitete. Später wandelte er die eher behäbige Audi AG vor allem durch technische Neuerungen wie den Turbodieselmotor mit Direkteinspritzung zur sportlichen Marke. 1993 übernahm er dann den Chefposten bei VW, damals ein hochdefizitärer Konzern, den er radikal umbaute und auf Gewinn trimmte.

Ferdinand Piech, bei Kollegen als „Kontroll-Fanatiker“ gefürchtet.
Ferdinand Piech, bei Kollegen als „Kontroll-Fanatiker“ gefürchtet. © REUTERS | FABIAN BIMMER

Piëch war bei vielen Mitarbeitern mit seiner Detailversessenheit und seinen Anforderungen gefürchtet. Einige, die ihn erlebten, bezeichnen ihn als Kontrollfanatiker, der auch kleinste Schrauben und etwa das Geräusch beim Zuschlagen einer Tür noch optimieren wollte, notfalls selbst. Der Konzern stieg ins Luxussegment ein, kaufte zu und über allem regierte Piëch, erst als Vorstandschef, ab 2002 dann als Aufsichtsratsvorsitzender. Und einer, der mit ihm zusammenarbeitete, erwähnt im Rückblick das Wort Allmachtsfantasien.

Das Ziel: Großvater Ferdinand Porsche übertrumpfen

2015 stand Piëch dann kurz vor seinem Ziel: VW sollte der größte Autobauer der Welt werden. Mit zwölf Marken vom Kleinwagen bis zur Luxuslimousine hatte der Konzern alles im Programm, dazu Motorräder und Lastwagen. Im Besitz der Familien Porsche und Piëch. Und an der Spitze der Architekt des Ganzen: Ferdinand Piëch. Er hätte seinen Großvater Ferdinand Porsche übertrumpft. Doch es kam anders.

Zunächst war da der Streit mit dem damaligen VW-Konzernchef Martin Winterkorn, auch so ein Detailfanatiker mit großen Ambitionen, den Piëch verlor. Er zog sich daraufhin aus dem Aufsichtsrat des Konzerns zurück.

Wenige Monate später deckten die kalifornische Umweltbehörde Carb und die US-Umweltbehörden EPA auf, dass VW in Dieselmotoren eine Schummelsoftware nutzte, um nur im Testbetrieb die strengen Umweltauflagen einhalten zu können. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen. VW ist seither eine Großbaustelle und Piëchs Traum geplatzt.

Anschulduigungen gegen den VW-Aufsichtsrat

Und Piëch soll kürzlich behauptet haben, Winterkorn und auch Mitglieder des Aufsichtsrates wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Betriebsratschef Bernd Osterloh und sein Cousin Wolfgang Porsche hätten schon früher von dem Skandal gewusst als bisher bekannt. Und nicht gehandelt.

Für viele Beobachter sah das schon wie Nachtreten aus von einem, der das Verlieren nicht gewohnt ist. Die anderen Mitglieder der Familien Piëch und Porsche jedenfalls hatten offenbar genug. Vor gut einer Woche berichtete die „Bild am Sonntag“, dass sie offenbar nicht mehr mit Ferdinand Piëch planen, wenn es am 30. Mai gilt, auf der Hauptversammlung den Aufsichtsrat neu zu besetzen. Der langjährige VW-Lenker verlöre dadurch auch noch sein letztes Mandat.

Jetzt steigt er selbst aus. Wobei dann doch nicht ganz. Wahrscheinlich behält er knapp ein Prozent, wie zu hören ist. Ganz kann er es dann doch nicht lassen.