Berlin. Trotz Bußgeld werden viele Deutsche am Telefon von unerwünschten Anrufern belästigt. Der Gesetzgeber will jetzt die Regeln verschärfen.

Unerlaubte Werbeanrufe und Abzocke am Telefon sollte es nicht mehr geben. 2013 beschlossen Bund und Länder ein Gesetzespaket gegen unseriöse Geschäftspraktiken, unter anderem mit höheren Bußgeldern für unerlaubte Telefonwerbung. Doch die Zahl der Fälle ist seitdem nicht gesunken, sondern gestiegen: Nach Angaben der Bundesnetzagentur gab es im vergangenen Jahr 29.298 Beschwerden wegen unerlaubter Telefonwerbung; 2015 waren es nur 24.455.

Statt Abzocker am Telefon härter zu bestrafen, versucht der Gesetzgeber es nun auf anderem Weg: mit einem Angriff auf das Geschäftsmodell. Telefonisch geschlossene Verträge sollen künftig nur noch gelten, wenn der Kunde sie anschließend schriftlich bestätigt. So sieht es ein Gesetzentwurf vor, den das Land Baden-Württemberg jetzt vorgestellt hat.

Zustimmung muss in Textform vorliegen

Eine Unterschrift braucht ein mündlich und per Telefon geschlossener Vertrag damit zwar immer noch nicht. Die Zustimmung des Kunden muss aber in Textform vorliegen, also etwa per SMS oder E-Mail. Bis jetzt gibt es eine solche Regelung nur für Gewinnspielverträge. Künftig soll sie aber auch für alles andere gelten, vom Handyvertrag bis zum Stromanbieterwechsel – allerdings nur dann, wenn der Kunde angerufen wurde und sich nicht selbst gemeldet hat. Pizza ließe sich also auch ohne schriftliche Bestätigung weiter telefonisch bestellen.

„Das macht es Betrügern schwerer, dem Verbraucher etwas in die Schuhe zu schieben, dem er eigentlich nie zugestimmt hat“, erklärt Roland Stuhr vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) den Entwurf. Der Verbraucherschützer hofft, dass mit der Einführung der neuen Regelung auch die Zahl der Anrufe zurückgehen würde. „Denn die ist jetzt so hoch, weil das Geschäftsmodell so attraktiv ist. Es ist eben relativ leicht, Leute damit zu Zahlungen zu bewegen.“

Theoretisch sind die Verbraucher schon jetzt gut geschützt

Dabei drohen für illegale Telefonwerbung hohe Strafen: Bis zu 300.000 Euro Bußgeld darf die Bundesnetzagentur bei illegaler Telefonwerbung verhängen. Im vergangenen Jahr wurden insgesamt 895.849 Euro Strafen für Verstöße verhängt. Das ist deutlich mehr als noch 2015. Da waren es nur 467.350 Euro. Tatsächlich bezahlt wurde seit 2013, als die sogenannten Cold Calls verboten wurden, allerdings nur rund eine halbe Million Euro. Das ging aus der Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor.

Theoretisch sind Verbraucher schon jetzt ganz gut vor per Telefon untergejubelten Verträgen geschützt. Praktisch ist es für skrupellose Verkäufer aber zu leicht, diesen Schutz auszuhebeln. Denn für telefonisch geschlossene Verträge gilt zwar das Recht auf Widerruf: Genau wie zum Beispiel beim Onlineshopping dürfen Kunden innerhalb von 14 Tagen von einem Kaufvertrag zurücktreten, ohne Angabe von Gründen.

Viele Verbraucher wissen das aber nicht – vor allem Senioren oder Menschen mit Migrationshintergrund, zwei bevorzugte Zielgruppen der Telefonwerber. Und die gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das Widerrufsrecht verstecken Abzocker gern in „unverbindlich zugeschickten Infomaterialien“. Andere versuchen, den Kunden am Telefon mit Tricks zum Verzicht auf sein Widerrufsrecht zu bewegen.

Position der Verbraucher wird gestärkt

Gut möglich, dass Betrügern auch mit der neuen Regelung wieder solche und ähnliche Methoden einfallen. Die Position des Verbrauchers im Streitfall würde allerdings deutlich gestärkt, sagt Stuhr. „Entscheidend ist aber immer, dass der Verbraucher seine Rechte kennt und sich nicht unter Druck setzen lässt, zum Beispiel mit Inkasso-Drohungen.“

Ob und wann das Gesetz in Kraft dann tritt, ist noch unklar. Nach der ersten Lesung im Bundesrat beraten nun zunächst die Ausschüsse darüber. „Es ist unwahrscheinlich, dass da kurz vor der Wahl auf Bundesebene noch was passiert“, sagt Stuhr. „Aber erforderlich ist die Regelung in jedem Fall.“ Die Umsetzung sei daher dringend empfohlen, sagt der Verbraucherschützer – notfalls dann in der nächsten Legislaturperiode.