Peking. Wegen eines Bestechungsvorwurfs ist Samsungs Chef Jay Y. Lee festgenommen worden. Ein Schlag für den südkoreanischen Elektro-Konzern.

Jay Y. Lee, Chef des weltgrößten Elektronikkonzerns Samsung, muss ins Gefängnis. Er steht im Zentrum der Ermittlungen um Südkoreas großen Korruptionsskandal. Ein Gericht hat nach mehr als siebenstündiger Beratung der Inhaftierung des Samsung-Erbens und De-facto-Vorsitzenden des größten Elektronikkonzerns der Welt stattgegeben. Die Staatsanwaltschaft wirft Lee vor, die suspendierte Präsidentin Park Geun Hye und ihre langjährige Vertraute Choi Soon Sil mit Geldern in Höhe von umgerechnet 34,5 Millionen Euro bestochen zu haben.

Unlautere Geschäftsmethoden gab es bei Samsung schon unter Lees Vater, Lee Kun Hee: Der musste 2008 wegen Untreue, Steuerhinterziehung und Korruption von allen Posten zurücktreten. Doch über Sohn Jay Y. Lee behielt der mächtige Lee-Clan die Fäden weiter in der Hand. Als der Vater Lee Kun Hee 2014 einen Herzinfarkt erlitt, übernahm sein Sohn die Geschäfte. Seitdem steht er de facto als Chef an der Spitze des Großkonzerns.

Kontakte zu anderen Inhaftierten sind ihm untersagt

Dem 48-jährigen Lee steht eine harte Zeit bevor. Jetzt muss der Spross aus Südkoreas reichster Familie, dessen Privatvermögen auf 6,2 Milliarden Dollar geschätzt wird, vorerst auf seine vier Millionen Dollar teure Villa in Seoul verzichten und sich mit einer 6,5 Quadratmeter großen Einzelzelle begnügen. Zum Schlafen liegt dort nur eine Matratze auf dem Boden. Statt üppiger Dinners bekommt der geschiedene Vater zweier Kinder einfachste Reisgerichte serviert. Kontakte zu anderen Inhaftierten seien untersagt, sagte ein Gefängnisvertreter. Denn in der Haftanstalt am Rande der Hauptstadt sitzen bereits andere Beschuldigte in dem Korruptionsskandal ein.

Lees Gefängnisaufenthalt dürfte nach Ansicht von Experten zwar nicht direkt das Tagesgeschäft des Flaggschiffs Samsung Electronics beeinträchtigen, das beim kommenden Smartphone-Modell Galaxy S8 unter besonderem Erfolgsdruck steht. Aber strategische Entscheidungen der Gruppe wie langfristige Investitionen und wichtige Zukäufe würden wohl auf Eis gelegt. Das gelte auch für weitere Überlegungen zur Neuorganisation. Auch die turnusmäßige Personalrotation in dem Konzern mit rund einer halben Million Beschäftigten hängt in der Schwebe.

Neben Bestechung wird ihm Veruntreuung, Steuerflucht und Meineid vorgeworfen

In der heimischen Wirtschaft wächst nun die Angst vor weiteren Rückschlägen. „Ein Management-Vakuum bei Samsung – ein globales Unternehmen, das die Republik Korea repräsentiert – wird die Unsicherheit verstärken und das Vertrauen in der Welt untergraben. Das bedeutet eine große Belastung für die Wirtschaft, die ohnehin schon mit Problemen zu kämpfen hat“, erklärte der südkoreanische Arbeitgeberverband. „Das größte Problem ist, dass Lee der Einzige ist, der die Richtung von Samsung als Ganzem vorgibt“, sagte ein Firmensinsider.

Nachdem das Gericht im Januar einen ersten Haftantrag noch zurückgewiesen hatte, sammelten die Sonderermittler offenbar neue Verdachtsmomente. Sie kündigten eine Anklage an, in der Lee neben Bestechung auch Veruntreuung, Steuerflucht und Meineid vorgehalten werden. Der zuständige Richter sprach von einer „Notwendigkeit der Verhaftung“. Die Staatsanwaltschaft hat nun zehn Tage Zeit, um Anklage gegen Lee zu erheben. Bis dahin wird der Weltkonzern Samsung quasi aus dem Knast heraus geführt.

Korruptionsskandal von Präsidentin Park läuft schon seit Monaten

Damit ist Lee nun endgültig ins Zentrum der Ermittlungen um den Korruptionsskandal von Präsidentin Park und ihrer Freundin Choi gerückt, der das Land seit Monaten in Atem hält und eine schwere Regierungskrise ausgelöst hat. Hauptbeschuldigte ist die Präsidentinnenfreundin Choi. Ihr wird vorgeworfen, ihr enges Verhältnis zur Präsidentin genutzt zu haben, um Millionenspenden von Unternehmern einzutreiben für Stiftungen, über die sie sich persönlich bereichert haben soll. Als Gegenleistung soll Choi den Konzernen Vergünstigungen angeboten haben. Choi sitzt bereits in Untersuchungshaft. Gegen Park läuft ein Amtsenthebungsverfahren.

Der 48-jährige Lee Jae Yong ist der Enkel von Samsung-Gründer Lee Byung Chull und Sohn des amtierenden Samsung-Chefs Lee Kun Hee. Geboren in Washington DC wurde er schon in seinen jungen Jahren als „Prinz von Samsung“ bezeichnet. Anders als sein noch sehr konfuzianisch geprägter Großvater galt er als offen und weltgewandt. Den Konzern führt er autoritär.

Lee bestreitet die millionenschweren Zahlungen nicht

Auch von Reue gibt es bei Lee bislang keine Spur. So vermutet die südkoreanische Staatsanwaltschaft, dass Lee auch hinter Millionengeldern steckt, mit denen die Hautbeschuldigte Choi die Ausbildung ihrer Tochter an einer deutschen Reitschule finanziert haben soll. Lee und seine Anwälte bestreiten die Zahlungen nicht. Sie argumentieren aber, dass Lee dafür noch keine Gegenleistungen erhalten habe.

Deshalb könne es sich auch nicht um Bestechung handeln. Aktuell erklärte die Samsung- Gruppe am Freitag: „Wir werden unser Bestes tun, um sicherzustellen, dass bei künftigen Gerichtsverfahren die Wahrheit ans Licht kommt.“

Ob sie gegen die Verhaftung vorgehen oder einen Kautionsantrag stellen wird, ist nach Angaben eines Konzernsprechers noch nicht entschieden. Lee soll an diesem Samstag von den Ermittlern erneut vernommen werden.