München. Die Nürnberger Spielwarenfirma Cartronic verlagert die Herstellung aus China zurück nach Deutschland – und ist damit nicht alleine.

Kurt Hesse kann sich noch gut an seine erste Modellrennbahn erinnern. 1968 war das, der Unternehmer war gerade Vater geworden, da kaufte er eine „Carrera“ – offiziell für seinen kleinen Sohn. In Wahrheit waren es dann vor allem der Ingenieur und seine Studienfreunde, die in ihrer Freizeit immer wieder Wettrennen im Keller fuhren. Damals ahnte noch niemand, dass Hesse einst Geld mit den Modellflitzern verdienen sollte.

Heute ist Hesse 72 Jahre alt – und mischt mit seiner Marke Cartronic noch immer die Spielwarenbranche auf. Das Nürnberger Unternehmen, ein Konkurrent des Marktführers Carrera, verlagert die Produktion von Rennbahnen derzeit von China zurück nach Deutschland. Was bislang 100 Hilfsarbeiter in Fernost erledigten, sollen von diesem Frühjahr an Roboter in Nürnberg übernehmen.

Rennbahnen in China

„Wir werden die Kosten der chinesischen Fertigung mit Sicherheit unterbieten“, ist Hesse überzeugt. Zudem hofft Cartronic auf einen Image-Vorteil, wenn auf seinen Flitzern künftig wieder „Made in Germany“ steht, während etwa Carrera seine Rennbahnen in China fertigt. Cartronics Rückkehr nach Deutschland steht beispielhaft für die hiesige Spielwarenindustrie, die sich immer wieder Neues einfallen lassen muss: Zwar sollen die Produkte in erster Linie den Kindern gefallen. Doch was gekauft wird, entscheiden meistens die Eltern und Großeltern.

Runde um Runde kämpfen die Autos um die Spitzenposition.
Runde um Runde kämpfen die Autos um die Spitzenposition. © Cartronic | Cartronic

Ihnen ist wichtig, dass das Spielzeug sicher ist, möglichst lange hält und die Kinder etwas lernen können. Da kann „Made in Germany“ durchaus ein Kaufgrund sein. Der Handelsverband Spielwaren (BVS) schätzt, dass Verbraucher im vergangenen Jahr Gesellschaftspiele, Puppen und Modellwaren für gut drei Milliarden Euro gekauft haben. „Die Deutschen haben noch nie so viel für Spielzeug ausgegeben“, sagt Geschäftsführer Willy Fischel. Endgültige Zahlen stehen im März fest.

Roboter per App programmieren

Entscheidend für die Zukunft der Branche ist, dass Kinder nicht nur auf dem Smartphone oder Tablet der Eltern, sondern auch künftig noch mit echtem Spielzeug aus Holz und Plastik spielen. Deshalb versuchen die Hersteller, mehr Technik in ihre Klassiker einzubauen: Beispielsweise verkauft Lego nun kleine Roboter, die man per Handy-App programmieren kann. Und damit das Spielzeughaus stabiler wird, gibt es jetzt Bauklötze, die magnetisch aneinanderhaften. Noch bis Montag stellen die Hersteller ihre Neuheiten bei der weltgrößten Spielwarenmesse in Nürnberg aus.

Kurt Hesse glaubt, dass seine Cartronic-Modellautos auch im digitalen Zeitalter ankommen, vor allem bei Vätern und Söhnen. „Ich bin davon überzeugt, dass die Autorennbahn ein Klassiker ist, der leichter Zugang zu neuen Generationen findet als etwa die Modelleisenbahn“, sagt der Unternehmer. Schließlich stehe beim Autorennen der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund. Doch hat sich auch Cartronic breit aufgestellt: Die fränkische Firma verkauft etwa ferngesteuerte Modellhelikopter oder kleine Drohnen, die einen Salto fliegen können.

Dekoration der Modellbahn

Dieses Technikspielzeug lässt Cartronic in China fertigen; in Nürnberg sitzt nur der Vertrieb. Doch nun holt Hesse die Produktion seiner Rennbahnen von China nach Franken zurück. Dort werden nicht mehr Arbeiter die Blechschienen von Hand in die schwarzen Plastikteile der Rennstrecke einlegen, sondern Roboter, 24 Stunden am Tag. Auch für die Dekoration der Modellbahn, etwa die rot-weißen Streifen am Streckenrand, hat Cartronic eine neue Technik entwickelt. Ende Februar soll die Fabrik in Nürnberg bezugsfertig sein.

Sechs neue Arbeitsplätze entstehen dort. „Und zwar Techniker, keine Hilfskräfte“, betont Hesse. Knapp vier Millionen Euro investiert Cartronic in die neue Fertigung in der Heimat. Hesse ist überzeugt, dass sich das lohnt: Er spart den teuren Transport aus Fernost, kann die Qualität vor Ort sichern und seine Patente besser geheim halten. Das Beispiel Cartronic zeigt, dass Globalisierung und Automatisierung zwar Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet haben, vor allem Hilfstätigkeiten.

Transport aus Fernost

Einer der windschnittig designten roten Flitzer.
Einer der windschnittig designten roten Flitzer. © cartronic | cartronic

Gleichzeitig entstehen aber neue Jobs für Fachkräfte, die nun etwa die Roboter der Rennbahnfirma warten und überwachen. Zumal Cartronic nicht das einzige Unternehmen ist, das seine Produktion aus dem Ausland zurück nach Deutschland holt. „Das verarbeitende Gewerbe hat vor allem Ende der 90- und Anfang der 2000er-Jahre Kapazitäten ins Ausland verlagert“, sagt Steffen Kinkel. Der Professor der Hochschule Karlsruhe erforscht regelmäßig, wo deutsche Unternehmen produzieren.

„Seit 2003 ist dieser Trend rückläufig.“ Inzwischen komme auf jedes vierte Unternehmen, das seine Fabriken ins Ausland verlagert, ein Rückkehrer, sagt Kinkel. Zwar sind Löhne und Abgaben hierzulande höher als in Asien oder Osteuropa; der Unterschied wird aber immer kleiner. Und je mehr Aufgaben Roboter und Maschinen übernehmen, desto weniger fallen die Arbeitskosten noch ins Gewicht. Außerdem kostet der Transport aus Fernost Zeit und Geld.

Fabriken nach Deutschland verlagern

„Unternehmen können kurzfristige Kundenanfragen nicht schnell genug bedienen, wenn sechs bis acht Wochen Seeweg zwischen der Fabrik und dem Kunden liegen“, sagt Wissenschaftler Kinkel. Auch Spielwarenhersteller haben deshalb Fabriken zurück nach Deutschland verlagert, etwa die Modelleisenbahnfirma Märklin oder der Kuscheltierhersteller Steiff.

Bekannte Marken wie Carrera argumentieren dagegen, man müsse in China präsent sein, um den großen Markt dort beliefern zu können.So gibt es in der mittelständisch geprägten Branche beides: Unternehmen wie Ravensburger stellen Puzzles und Brettspiele in Deutschland und Tschechien her, importieren aber etwa ihre Lerncomputer aus Fernost.

15.000 Beschäftigte im Handel

Insgesamt beschäftigt die Spielwarenindustrie noch gut 10.000 Mitarbeiter hierzulande; hinzu kommen gut 15.000 Beschäftigte im Handel. Kurt Hesse hofft, dass noch vor Ostern die ersten Cartronic-Rennbahnen in Franken vom Band laufen werden.

„Was wir hier in Nürnberg machen, soll nur der Anfang sein“, kündigt der 72-Jährige an. Aus der Zeit nach der Wiedervereinigung hat der Unternehmer noch ein Firmengelände in Thüringen in seinem Besitz. Wenn sich die Bahnen und Flitzer „Made in Germany“ gut verkaufen, will er die Produktion in Deutschland weiter ausbauen.