Kassel. Eine kleines Unternehmen aus Kassel schützt seine Kunden mit Sensoren vor unerwünschten Flugobjekten. Damit ist es Weltmarktführer.

Nach einem Gespräch mit Ingo Seebach hat man einen anderen Blick auf Drohnen. Jene Fluggeräte, mit denen Hobbyfilmer gern spektakuläre Bilder einfangen und die auf Wunschlisten vieler Jugendlicher für Geburtstage und Weihnachten ganz oben stehen. Seebach spricht vom Ausspionieren eines Autoherstellers aus der Luft. Auch Schmuggel und das Versprühen gefährlicher Chemikalien erwähnt er. Ebenso Hackerangriffe per Drohne. Seebach und seine Kollegen wollen so etwas verhindern: Ihr Unternehmen Dedrone aus Kassel liefert eine Art Alarmanlage gegen Drohnen und ist damit weltweit Marktführer.

Wie man eine Waffe ins Gefängnis liefert, haben sie in Kassel bereits demonstriert. Der Drohnenpilot trug dabei eine Spezialbrille, die das Videobild, das die Drohne aufnahm, in Echtzeit zeigte, sodass der Pilot genau steuern konnte. Das ist alles sehr plakativ, soll aber zeigen, dass die Gefahr durch Drohnen unterschätzt wird.

Imageschaden für Betreiber

„Gebäude sind heutzutage in der Regel mit Zäunen und Mauern geschützt, über den Luftraum macht sich kaum jemand Gedanken“, sagt Geschäftsführer Seebach. Und fragt: „Was, wenn jemand eine Drohne in die Lüftung eines Rechenzentrums stürzen lässt, dessen Kühlung dann ausfällt?“ Der technische Schaden sei vielleicht überschaubar, aber der Imageschaden für den Betreiber enorm.

Nicht nur für harmlose Foto- und Videoprojekte oder Paketlieferungen können Drohnen genutzt werden, sondern auch zur Spionage oder für Hackerangriffe. Die Firma Dedrone will ihre Kunden davor schützen.
Nicht nur für harmlose Foto- und Videoprojekte oder Paketlieferungen können Drohnen genutzt werden, sondern auch zur Spionage oder für Hackerangriffe. Die Firma Dedrone will ihre Kunden davor schützen. © dpa | Sven Hoppe

Auslöser für die Geschäftsidee von Dedrone war überraschenderweise ein Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Dresden im Jahr 2013. Damals ließ ein Mitglied der Piratenpartei eine Drohne direkt vor Merkel und anderen CDU-Spitzen in Richtung Podium schweben. Die Drohne stürzte vor Merkel auf die Bühne. Die Politiker reagierten damals eher belustigt. Seebach, Jörg Lamprecht und Rene Seeber aber fragten sich, was geschehen wäre, wenn die Drohne eine Bombe getragen hätte? Was sie zu einer weiteren Frage führte: Wie erkenne ich eine fliegende Drohne, bevor es zu spät ist?

Künstliche Intelligenz

Die Frage klingt einfach, die Lösung ist aber „technisch sehr komplex“. Radar, wie es am Flughafen genutzt wird, erfasst die vergleichsweise kleinen Fluggeräte nicht. Und: „Aus der Entfernung sieht die Drohne aus wie ein Vogel, eine Kamera reicht also nicht“, sagt Seebach. „Aber ein Vogel sendet keine Funkdaten aus.“

Dedrone nutzt verschiedene Sensoren, eingebaut in ein weißes Gerät, das wie ein Propeller aussieht: In der Mitte ist eine Kamera installiert, in den vier Flügeln stecken die Antennen und Sensoren, unter anderem Scanner für Wifi und Funkfrequenzen, Ultraschall für die Motorenfrequenzen, Infrarotkamera und ein spezielles Radar. Wichtigste Teile sind allerdings die Software, die die Daten mit künstlicher Intelligenz analysiert, und eine Benutzeroberfläche auf dem Rechner, die dem Kunden die Daten auch verständlich anzeigt. Seebach sieht das Unternehmen auch eher als Softwarefirma.

Flugbahn und Geschwindigkeit

Aus allen Daten ermittelt die Software, welche Art Drohne unterwegs ist. Die Fluggeräte haben alle eine bestimmte Kennung. Schlägt das Programm Alarm, kann es die Drohne, ihre Daten, Flugbahn und Geschwindigkeit gerichtsverwertbar zeigen. Der Nutzer sieht, was die Kamera gerade aufnimmt – die Drohne muss die Daten ja an denjenigen, der sie steuert, zurücksenden. So ist es auch möglich, den Standort des Piloten festzustellen.

Und wenn die Drohne dann erkannt ist? „Stören ist technisch nicht aufwendig, aber meist nicht legal“, sagt Seebach. Sie einfach abzuschießen oder mit einem Netz einzufangen, könnte jedenfalls Probleme bereiten. Auch die Funkfrequenzen zu stören, über die die Drohne gesteuert wird, das sogenannte Jammen, ist nicht jedem erlaubt – in Deutschland etwa nur der Polizei und dem Militär, und nur unter besonderen Umständen. „Eine Alarmanlage erschießt den Einbrecher ja auch nicht“, sagt Seebach.

Hauptsitz in San Francisco

Weltmarktführer mit seiner Firma Dedrone: Dr. Ingo Seebach.
Weltmarktführer mit seiner Firma Dedrone: Dr. Ingo Seebach. © Nikolaus Frank/Dedrone | Nikolaus Frank

Ein Hotel mit Präsidentensuite könnte also im Alarmfall die Jalousien herunterfahren, in Gefängnissen könnten die Zellen geschlossen werden. „Und wir versuchen ja, den Piloten zu finden. Das ist besser als Jammen, weil die Drohne sonst womöglich am nächsten Tag wiederkommt.“ Gegründet wurde Dedrone 2014 in Kassel, hier kümmert sich die Firma um Entwicklung und Produktion. Seinen Hauptsitz hat das Unternehmen heute allerdings in San Francisco. „Der US-Markt ist groß, und wir sind eine Firma, die viel Geld investieren muss“, sagt Seebach.

Und Geld ist vor allem im Silicon Valley zu finden. Gerade haben fünf erfolgreiche US-Manager sich am Unternehmen beteiligt. Die Mehrheit des Unternehmens gehört allerdings noch den drei Gründern, ebenfalls beteiligt sind zwei Risikokapitalgeber aus München und dem Silicon Valley. Das Geld der Investoren, bisher insgesamt 14 Millionen, floss hauptsächlich in die Entwicklung. Denn auch wenn das Ergebnis auf dem Bildschirm einfach und übersichtlich aussieht, „ist die Produktentwicklung aufwendig“, sagt Seebach.

Fernsehduelle von Hillary Clinton

Unter den derzeit rund 60 Mitarbeitern beschäftigt Dedrone mehrere Mathematiker. Die Aufträge könnten spannender kaum sein: Geschützt wurden die Fernsehduelle von Hillary Clinton und Donald Trump vor den US-Wahlen 2016, die Königsfamilie von Katar, das Suffolk-County-Gefängnis in New York und das Stadion der New York Mets. Zuletzt waren Systeme von Dedrone beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Einsatz, wo sich mehr als 3000 Topmanager und Spitzenpolitiker zum Gedankenaustausch trafen.

Viele andere Kunden wollen nicht genannt werden. Auch die Telekom ließ sich überzeugen. Sie bietet Kunden Dedrones DroneTracker an – ein großer Schritt für das noch junge Unternehmen. Zu Zahlen macht Dedrone keine genauen Aussagen. Seebach sagt nur: „Wir rechnen für 2017 mit gutem Umsatz.“