Washington/Berlin. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft belegt: Trumps Kritik an ausländischen Autokonzernen ist ökonomischer Unsinn.

Als Donald Trump jüngst die Bosse großer Autokonzerne zum Arbeitsfrühstück ins Weiße Haus lud, waren deutsche Vertreter nicht am Tisch. Dabei geht sie die Botschaft des neuen amerikanischen Präsidenten besonders an: Baut in den USA. Oder ihr werdet mit Strafzöllen von 35 Prozent belegt. Den deutschen Konzernen wirft der neue US-Präsident vor, die amerikanische Wirtschaft durch ihre Exporte zu schädigen, denn sie würden Handel als Einbahnstraße definieren.

Für VW (Audi, Porsche, etc), Daimler und BMW würden Strafzölle weitaus höhere Verkaufspreise und sinkende Absatzzahlen bedeuten. Zusammen verkaufte das Trio im vergangenen Jahr knapp 1,3 Millionen Autos in den Vereinigten Staaten. Doch Trumps Kritik an den deutschen Automobilkonzernen ziele ökonomisch betrachtet ins Leere, besagt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), die dieser Zeitung vorliegt.

Fabriken in den USA eröffnet

Der US-Präsident erwecke den Anschein, ein protektionistisches Exempel statuieren zu müssen, um den Niedergang der heimischen Autoindustrie aufzuhalten, doch die Fakten sehen laut IW anders aus: Die Fahrzeugproduktion in den USA ist in den letzten 20 Jahren nicht, wie von Trump unterstellt, gesunken, erklärt das Institut. Eine umfassende Verlagerung von Produktionskapazitäten habe auch nicht stattgefunden, sondern eine Verschiebung innerhalb der USA.

Japanische und deutsche Hersteller haben in den letzten 20 Jahren Fabriken in den USA eröffnet, aber primär in den Südstaaten, nicht im Rust Belt, den Industriestandorten im Nordosten. US-Konzerne haben zwar die Fertigung von kleineren Fahrzeugen nach Mexiko verlagert, was aber vom Produktionszuwachs der ausländischen Marken kompensiert wurde, erklärt das IW. Und als größter Exporteur von Autos aus den USA nützt vor allem ein deutscher Konzern dem Exportland Amerika: BMW.

Made in USA

Konkret ist die Zahl der in den USA produzierten Fahrzeuge laut Weltautomobilverband (OICA) von 12,1 Millionen Fahrzeugen im Jahr 1997 auf 12,5 Millionen Fahrzeuge im Jahr 2016 gestiegen. Das liege auch an den deutschen Herstellern, die 2016 mit etwa 850.000 gefertigten Wagen knapp sieben Prozent der US-Produktion ausmachten, errechnete das IW. In Mexiko fertigten sie bisher nur 420.000 Pkw.

„Trump greift mit seiner Kritik die falsche Branche an“, sagt IW-Ökonom und Studienautor Thomas Puls. Auch den Vorwurf des US-Präsidenten, wonach nur deutsche Autos in die USA geliefert würden und nicht umgekehrt, weist Puls als evidenten Unsinn zurück: „Alle BMW-Geländewagen, mit Ausnahme des X1, die auf deutschen Straßen fahren, sind ‚made in USA‘.“ Richtig ist, dass alle deutschen Autobauer auch im Billiglohnland Mexiko aktiv sind.

Strafzoll-Androhung

VW betreibt beim südlichen Nachbarn bereits große Werke, BMW und Daimler planen oder bauen gerade neue. Setzt Trump seine Strafzoll-Politik um, was nur mit Zustimmung des Kongresses ginge, würde das tiefe Einschnitte bedeuten. Was nach Trumps Treffen mit den Autobauern durchsickerte, blieb diffus. Trump bot Steuernachlässe und das Streichen von Investitionshemmnissen im Gegenzug für zusätzliche Produktionsarbeitsplätze in den USA an. Die Strafzoll-Androhung nahm er nicht zurück.

Ford und GM hatten bereits signalisiert, Investitionen im Heimatland zu verstärken. Eine mögliche Verhandlungslinie wurde erkennbar: Wenn die Trump-Regierung die von Vorgänger Obama bis zum Jahr 2025 gesetzten Ziele bei der Optimierung des Kraftstoffverbrauchs plus CO2-Ausstoß aufweichen würde, könnten die Hersteller bis zu 400.000 neue Jobs in den USA schaffen, kalkulieren Analysten von Barclays.

US-Standorte ausbauen

Ob die höfliche Aufforderung der deutschen Auto-Industrie an die Adresse Trumps, die protektionistische Zollmaßnahme zu überdenken, fruchtet, erscheint zweifelhaft. Alle Hersteller betonen, dass sie ihre US-Standorte ausbauen wollen. Bereits heute stehen die deutschen Autobauer inklusive Zulieferern für weit über 100.000 Arbeitsplätze in den USA.

Mit dem neuen Justizminister Jeff Sessions aus Alabama (dort ist Mercedes aktiv) und UN-Botschafterin Nikki Haley aus South Carolina (dort produziert BMW) hofft man auf Fürsprecher, die früher voll des Lobes für deutsche Konzerne waren. Eine Übersicht des Engagements der deutschen Autobauer in den USA:

BMW: Hat in Spartanburg (South Carolina) sein weltweit größtes Werk. 8000 Beschäftigte bauten dort 2016 rund 410.000 Geländewagen der X-Reihe. BMW ist der größte Auto-Exporteur in den USA. Eigentlich vorbildlich. Aber: Ab 2019 will der Münchner Premiumhersteller in Mexiko ein neues Werk für die 3er-Baureihe eröffnen. Ob Trumps Drohungen die Pläne verändern, ist offen.

Mercedes-Benz: Hat in Tuscaloosa/Alabama ein Werk, in dem 3500 Mitarbeiter pro Jahr 300.000 Geländewagen und die C-Klasse herstellen können. Aber: Ab 2018 will Daimler gemeinsam mit Renault /Nissan (Frankreich/Japan) in Mexiko auch ein Werk für Kompaktwagen der A-Klasse oder den SUV GLA eröffnen. Auswirkungen durch Trumps Politik? Offen.

Volkswagen: Hat in Chattanooga/Tennessee sein einziges US-Werk. 3200 Mitarbeiter stellen dort pro Jahr rund 150.000 Passat her. Für die Produktion des neuen Großraum-SUV Atlas will der noch immer vom Dieselskandal gebeutelte Konzern 900 Millionen Dollar investieren. Aber: VW beschäftigt seit über einem halben Jahrhundert auch in Mexiko 15.000 Mitarbeiter, die dort Modelle wie Jetta und Beetle für den US-Markt herstellen; demnächst auch den SUV Tiguan.

Noch ungünstiger sieht es für die VW-Tochter Audi aus, die in Amerika nicht produziert. Vor wenigen Monaten haben die Ingolstädter in Mexiko für rund eine Milliarde Euro eine Fabrik für den Geländewagen Q 5 eröffnet. Das Fahrzeug wird nur noch dort für den gesamten Weltmarkt produziert. Ein großer Anteil geht nach Amerika.