Berlin. Experten rechnen für das laufende Jahr mit einem Aufschwung in vielen Ländern. Die Briten leiden bereits unter dem anstehenden Brexit.

Was war 2016 nur für ein Jahr für die Wirtschaft: Brexit-Entscheidung, Preisverfall beim Öl, Börsen-Crash in China und die Wahl des Freihandels­gegners Donald Trump zum US-Präsidenten. Wird 2017 besser? Es sieht so aus: Experten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) und verschiedener Wirtschaftsinstitute sind einigermaßen optimistisch, dass es mit der Weltwirtschaft in diesem Jahr nach oben geht. Ein Blick auf die wichtigsten Wirtschaftszonen:

Deutschland: Die Bundesrepublik bleibt nach Ansicht von OECD-Experten auch 2017 eine Insel der Seligen: Die Konjunkturforscher erwarten, dass sich der Aufschwung hierzulande fortsetzt. Die deutsche Wirtschaft ist nach Pro­gnose der meisten Institute im vergangenen Jahr um 1,8 Prozent gewachsen. Für 2017 wird zwar eine Abschwächung auf etwa 1,4 Prozent erwartet – das liegt aber vor allem an der im Vergleich zu 2016 geringeren Zahl an Arbeitstagen.

Wichtig für die Exportnation Deutschland ist vor allem der Außenhandel: Für 2017 rechnet der Bundesverband Großhandel (BGA) mit einem Wachstum der Ausfuhren von bis zu 2,5 Prozent auf 1,23 Billionen Euro. Trotzdem bleibt der BGA-Präsident Anton Börner vorsichtig: „Der deutsche Außenhandel ist allerdings nicht immun gegen internationale Krisen, und das nächste Jahr wird nicht einfacher, denn zu den bereits bestehenden Risiken für das Auslandsgeschäft sind inzwischen einige neue hinzukommen.“

Der genaue Ablauf und die Bedingungen des Brexits sind nach wie vor unklar, in Italien herrscht nach dem gescheiterten Referendum politische Unsicherheit – und das mitten in einer Banken-Krise. Die Gefahr, dass sich die Euro-Schuldenkrise fortsetzt, ist also nicht gebannt.

Ein Containerschiff fährt in Köln (Nordrhein-Westfalen) über den Rhein.
Ein Containerschiff fährt in Köln (Nordrhein-Westfalen) über den Rhein. © dpa | Oliver Berg

Entscheidender Wachstumstreiber der deutschen Konjunktur bleibt der private Verbrauch. Allerdings dürfte der Konsum an Tempo verlieren, wenn steigende Preise, vor allem bei Energie, den Verbrauchern weniger Geld im Portemonnaie lassen. Bislang gibt es dafür jedoch keine Anzeichen.

Euro-Zone: Die EU-Kommission konnte am Freitag für das neue Jahr schon mal Positives verkünden: Die Wirtschaftsstimmung in der Euro-Zone ist im Dezember auf den höchsten Stand seit fast sechs Jahren gestiegen. Diese Stimmung wird im sogenannten Economic Sentiment Indicator zusammengefasst, der die Stimmung in Unternehmen und privaten Haushalten misst. Dieser kletterte um 1,2 auf 107,8 Punkte, der höchste Stand seit März 2011. Was sich gering ausnimmt, ist mehr als gedacht: Experten hatten mit einem geringeren Anstieg gerechnet. Besonders deutlich stiegen die Werte im Einzelhandel und in der Industrie.

Das ebenfalls von der Kommission erhobene Geschäftsklima, das nur die Stimmung im verarbeitenden Gewerbe misst, kletterte ebenfalls überraschend auf den höchsten Stand seit 2011. Für die Euro-Zone insgesamt sagen die Institute ein Wirtschaftswachstum von 1,6 Prozent in 2017 und 1,7 Prozent in 2018 vorher.

USA: Sollte der designierte US-Präsident Donald Trump seine Ankündigung „America first“ tatsächlich wahr machen, würde diese nach Überzeugung der OECD wie eine Schönheitskur für die US-Konjunktur wirken. Nach den Berechnungen der Experten würde die US-Wirtschaft um rund 0,4 Prozentpunkte stärker wachsen als ohne Umsetzung der Pläne.

Von den Maßnahmen würde aber nicht nur die US-Wirtschaft profitieren, sondern die gesamte Weltwirtschaft: Mehr Jobs, höhere Löhne und ein besseres wirtschaftliches Klima dürften für höhere Kauflaune bei den US-Verbrauchern sorgen. „Die kräftigere Endnachfrage in den Vereinigten Staaten kurbelt auch das Importwachstum an“, heißt es bei den Experten. Und wenn die Amerikaner mehr importieren, profitieren andere Länder – nicht zuletzt die exportstarke deutsche Wirtschaft.

Insgesamt könnte durch die von Trump ausgelösten Konjunkturmaßnahmen die weltweite Wirtschaftsleistung um rund 74 Milliarden Dollar (70 Milliarden Euro) zusätzlich wachsen. Denn die USA sind die Lokomotive der weltweiten Wirtschaft. Doch es gibt viele Fragezeichen. Denn sollte die neue Trump-Verwaltung die im Wahlkampf angekündigten protektionistischen Vorhaben ebenfalls durchsetzen – etwa Strafzölle oder ein Rückzug der USA aus der Welthandelsorganisation WTO – wäre das ein schwerer Schlag für das weltweite Wachstum.

Containerschiff im Hamburger Hafen.
Containerschiff im Hamburger Hafen. © picture alliance / Arco Images | dpa Picture-Alliance / J. T. Werner

Der scheidende Präsident Barack Obama hinterlässt seinem Nachfolger zumindest einen robusten Arbeitsmarkt: Private Firmen und der Staat schufen 2016 zusammen 2,16 Millionen neue Stellen, die Erwerbslosenquote ist mit 4,7 Prozent sehr niedrig, die Stundenlöhne legten im Dezember mit 2,9 Prozent so stark zu wie seit sechseinhalb Jahren nicht mehr.

Für die Vereinigten Staaten erwartet die OECD daher auch, dass die Wirtschaft im laufenden Jahr um 2,3 Prozent und im kommenden um satte drei Prozent wächst.

China: Das Reich der Mitte bleibt ein Unsicherheitsfaktor. Die US-Ratingagentur Fitch rechnet für 2017 nur noch mit einem Wachstum der chinesischen Wirtschaft von 6,4 Prozent. 2016 lag der Wert noch bei 6,7 Prozent. Das war bereits das schwächste Wachstum seit mehr als 25 Jahren. Sorge bereitet Experten vor allem Chinas weiter rasant steigende Staatsverschuldung. Sie ziehen Parallelen zu Japan in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre, als die Verschuldung binnen fünf Jahren um 45 Prozent stieg, und zu Südkorea mit einem ähnlichen Anstieg zehn Jahre später. Beides mündete in schweren Finanzkrisen.

Russland: Der Topmanager des größten russischen Autohändlers, der Rolf-Gruppe, ist optimistisch: „Die nächsten Monate werden zwar noch schwierig, aber ab der Jahresmitte dürften die Geschäfte wieder anziehen“, sagt Wladimir Miroschnikow. Er ist mit seinem Optimismus für die Entwicklung von Russlands Wirtschaft nicht allein. Viele internationale Anleger trauen sich wieder, Aktien und Anleihen aus dem Riesenreich zu kaufen.

Lkws in Polen in der Nähe von Lukasz.
Lkws in Polen in der Nähe von Lukasz. © dpa | Marcin Bielecki

Fachleute erwarten, dass die Wirtschaft in Russland 2017 um mehr als ein Prozent zulegt, 2018 sogar um zwei Prozent. Das ist zwar von den Wachstumsraten vor der weltweiten Finanzkrise weit entfernt, aber für Experten ein gutes Zeichen. Denn 2015 war das russische Bruttoinlandsprodukt noch um knapp vier Prozent geschrumpft.

Führende Investmentbanken wie JP Morgan, UBS und Deutsche Bank empfehlen ebenfalls wieder Investitionen in Russland. Das Land sei auf dem Weg vom Erholungs- auf einen Wachstumspfad, betont etwa die Bank Goldman Sachs. Zudem profitiert das Land von den wieder anziehenden Ölpreisen. Die Nordsee-Sorte Brent kostet wegen der Aussicht auf eine Verknappung des Rohstoffs wieder fast 60 Dollar je Fass (159 Liter), doppelt so viel wie Anfang 2016.

Brics-Staaten: Auch für die Brics-Staaten genannten Schwellenländer gibt es gute Nachrichten: Die Rezession in Brasilien wird voraussichtlich 2017 enden. Brasilien könne sich nach Jahren der politischen Turbulenzen auf seine Reformen konzentrieren, sagt Rabobank-Volkswirt Wim Boonstra. „Es gibt erste hoffnungsvolle Zeichen.“ Für 2017 erwarten die OECD-Experten im größten südamerikanischen Land ein Wirtschaftswachstum von knapp unter null Prozent, Tendenz steigend.

Auch für Indien, einer der weltweit am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften, hegen Experten Hoffnungen. Die OECD rechnet mit 7,6 Prozent Wachstum. Die indische Regierung selbst geht nach ihrer umstrittenen Bargeldreform nur noch von 7,1 Prozent aus – immer noch üppig.

Andere Staaten: Ein Land kämpft bereits enorm mit einem Trump-Effekt: Mexiko musste am Freitag erneut versuchen, mit Dollar-Verkäufen im Milliardenwert den Verfall seiner Landeswährung Peso zu bremsen. Trump hatte bereits im Wahlkampf Front gegen mexikanische Billigimporte gemacht.