Berlin. Am Jahresanfang versuchen Händler, Kunden mit Tricks und Preisnachlässen zu ködern. Der Onlinehandel steigert die Preistransparenz.

Die Zeichen stehen auf Ansturm. Die große Rabattschlacht naht. Den traditionellen Winterschlussverkauf im Textilhandel gibt es immer noch, wenn auch in modernisierter Form. „Manche Händler starten einige Tage vor dem empfohlenen Termin am 30. Januar“, sagt Stefan Hertel vom Handelsverband Deutschland (HDE). „Der Schlussverkauf weitet sich außerdem auf die Möbel-, Baumarkt- und Elektronikbranche aus.“

Bis 2004 war der Schlussverkauf gesetzlich geregelt und auf jährlich zwei Perioden – ab Ende Januar und Ende Juli – begrenzt. Seitdem dürfen Händler die Preise auch mehrmals flächendeckend senken. Viele halten sich dennoch an Empfehlungen wie der des Handelsverbandes Textil, den diesjährigen Winterschlussverkauf am letzten Montag im Januar zu starten. Wobei manche Rabattaktion länger läuft als die traditionellen zwei Wochen.

„Super Samstag“ und „Framstag“

Neben dem klassischen Schlussverkauf kommt der Handel auf immer neue Aktionen. Die Ziele: Aufmerksamkeit ziehen, Umsätze steigern – und der Konkurrenz Kunden abjagen. Ein schönes Beispiel ist der „Super Samstag“ einer großen deutschen Discountkette, die unter dieser Überschrift Weintrauben, Dosensuppen oder Wurst zum Wochenende billiger verkauft. Eine andere Kette bietet am „Framstag“, einer Kombination aus Freitag und Samstag, Energydrinks oder Cappuccino um die Hälfte günstiger an.

Mal versprechen die Händler, den Kunden die Mehrwertsteuer zu erlassen. Mal loben Autohändler beim Neukauf Rücknahmeprämien für den alten Wagen in Höhe von mehreren Tausend Euro aus. Auch zinslose Konsumentenkredite erfreuen sich großer Beliebtheit. Der Onlinehandel und elektronische Bezahlsysteme eröffnen zusätzliche Rabattchancen. So schicken manche Händler den Verbrauchern Coupons auf die Smartphones, mit denen man eine Ware günstiger bekommen kann.

Bonuskarten mit Preisvorteilen

Auch mit der Smartphone-App eines Anbieters wird manches billiger. Und in der Regel sind Kunden- oder Bonuskarten mit Preisvorteilen verbunden, die man beim Kauf eines Produkts einlöst. Doch Vorsicht: Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen etwa warnt davor, jedes Versprechen der Unternehmen zu glauben. Ein beliebter Händlertrick bestehe darin, den vermeintlichen Rabatt ins Verhältnis zu einem angeblichen Normalpreis zu setzen.

Letzteren bezeichnen manche Firmen als „unverbindliche Preisempfehlung“ (UVP) – einst eine seriöse Empfehlung des Herstellers für den Endkundenpreis. Mittlerweile entpuppe sich die UVP oft als unrealistischer „Mondpreis“, kritisieren die Verbraucherschützer. Der werde mitunter so hoch angesetzt, dass der vermeintliche Rabatt keinen wirklichen Vorteil mehr biete. Die Verbraucherzentrale rät deshalb dazu, Rabattpreise mit anderen Anbietern zu vergleichen, um ein Gefühl für die durchschnittlichen Kosten zu erhalten.

Kunden fordern Preisnachlass

In den vergangenen Jahren hat sich die Rabattwelt aber auch deshalb verändert, weil die Konsumenten einen stärkeren Druck auf die Händler ausüben. „Die Kunden werden smarter“, sagt Handelsexperte Martin Fassnacht von der privaten Otto Beisheim Management-Hochschule. „Durch den Onlinehandel steigen insbesondere die Preistransparenz und die Vergleichbarkeit“, ergänzt HDE-Sprecher Hertel. Verbraucher können sich heute aus vielen Quellen informieren, ehe sie zum Kauf schreiten.

Unternehmen reagieren, indem sie ihren Preis auf das Niveau des billigsten Konkurrenten senken – oder knapp darunter. Hinzu kommt: Im Gegensatz zu früher darf man heute auch offiziell in den Geschäften handeln und offensiv einen Preisnachlass fordern. Handelsexperte Hertel sagt allerdings: „Feilschen beim Einkauf hat hierzulande keine Tradition und ist deshalb in Deutschland kein Massenphänomen. Zusätzlicher Druck auf die Preise entsteht dadurch kaum.“

Traditioneller Handel unter Druck

Als Preissenker wirkt das Internet. Weil Netzanbieter auf Vor-Ort-Geschäfte verzichten und dadurch meist geringere Kosten haben, offerieren sie günstiger. Das setzt die traditionellen Anbieter unter Druck und fördert Rabattaktionen. Einer Studie des Marktforschungsinstituts GfK Geomarketing zufolge lag der Anteil des Onlinehandels am gesamten deutschen Einzelhandel 2014 bei 8,5 Prozent, ohne Lebensmittel bei 19 Prozent. Die Experten rechnen mit weiterem, wenn auch geringerem Wachstum der modernen Konkurrenz.

Diese setzt den traditionellen Handel auch künftig unter Druck. Weitere Mechanismen verschärfen den Konkurrenz- und Preisdruck. Einerseits treten immer wieder Unternehmen neu in den Einzelhandel ein, die vorher ausschließlich Hersteller waren. Ein Beispiel ist Apple. Der US-Konzern fertigt seine Geräte nicht nur, sondern verkauft sie mittlerweile auch in eigenen Geschäften.

Werbung wird schärfer

Andererseits wächst in manchen Branchen die Konzentration. Etwa im Lebensmitteleinzelhandel: Waren 1999 noch acht große Handelsketten auf dem deutschen Markt, so sind es jetzt im Wesentlichen nur noch fünf – Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Metro. Die bekriegen sich gegenseitig und ihre kleineren Wettbewerber mit teils aggressiven Rabattaktionen. Die Milliardenunter­nehmen können sich das leisten.

Unter dem Strich allerdings formuliert HDE-Sprecher Hertel eine erstaunlich gelassene Aussage: „Wir haben keine Indizien dafür, dass Rabattaktionen zu- oder abnehmen.“ Auch andere Experten sehen das so. Vielleicht entsteht der Eindruck der großen Rabattschlacht zum Teil auch dadurch, dass die Werbung schärfer und einprägsamer wird.