Frankfurt/Main. Für das bevorstehende Börsenjahr 2017 erwarten Ökonomen Konjunkturprogramme und eine stabile Entwicklung – trotz aller Unsicherheit.

Wer das Börsenjahr 2016 Revue passieren lässt, denkt an den Brexit, die Trump-Wahl und vielleicht noch an die endlos scheinende Zinsdiskussion. Es gab aber noch viele andere Belastungsfaktoren. Einige davon nehmen die Anleger mit ins neue Jahr.

Wenn im Januar Donald Trump als neuer US-Präsident ins Weiße Haus einziehen wird, schaut die Finanzwelt gebannt auf heikle Fragen, die sich mit seinen Aussagen im Wahlkampf verbinden. Trotzdem löste ausgerechnet die US-Wahl an den Börsen eine Jahresendrallye aus, die dem deutschen Aktienindex moderate und dem US-Markt satte Gewinne bescherte: Der Dax beendet 2016 nahe am Jahreshoch, der Dow Jones kratzt an der 20.000-Punkte-Marke. Nicht die einzigen Überraschungen eines Jahres, das vor allem Meinungsforschern die größte Schlappe seit Langem beigebracht hat. Wenn sie Recht behalten hätten, wäre Hillary Clinton die kommende US-Präsidentin und die Briten hätten sich für den Verbleib in der EU entschieden.

Brexit, Chinas schwächelnde Wirtschaft, der niedrige Ölpreis

Der Brexit hat mit dem Absturz des britischen Pfundes die tiefsten Spuren an den Finanzmärkten hinterlassen. Die Bank of England hatte erstmals seit sieben Jahren den Leitzins gesenkt. Zuvor hatten vor allem Sorgen um Chinas Wirtschaft das Bild bestimmt. Das Reich der Mitte sorgte mit schwachen Wirtschaftsdaten vor allem im ersten Halbjahr für kräftige Turbulenzen. Im Mai brach der Markt in Schanghai um sieben Prozent ein. Erstmals in der Geschichte der chinesischen Festlandbörse wurde der Handel vorzeitig beendet.

Ein weiterer Belastungsfaktor: der niedrige Ölpreis, von Anlegern als Ausweis der Schwäche der Weltwirtschaft interpretiert. Das Blatt wendete sich, als die Opec und andere Förderstaaten die Fördermenge kappten. Beobachter rechnen im kommenden Jahr mit moderat anziehenden Preisen. Das Angebot werde aber hoch bleiben, weil andere Ölförderer wieder einsteigen würden, für die sich das Geschäft aktuell nicht lohnt, heißt es.

Verhaltene Prognosen für das kommende Jahr

Überhaupt sind die Prognosen für 2017 eher verhalten. „Mit dem Brexit und der Wahl Donald Trumps wurde die Welt stärker auf den Kopf gestellt, als den meisten lieb war“, sagt Martin Hüfner, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Assenagon. In einem solchen Umfeld müssten auch Anleger vermehrt mit Überraschungen rechnen. „Das sind die Risiken, die man nicht kennt und deren Eintreten man nicht mit Wahrscheinlichkeiten belegen kann. Um mit ihnen zu leben, muss man den Kopf frei haben.“

Die Geldpolitik der Notenbanken bleibt ein wichtiger Taktgeber an den Märkten. In den USA werden für 2017 drei weitere Zinsschritte erwartet, im Euroraum dürften die Zinsen unangetastet bleiben. Das hieße: Der Dollar würde stärker, der Euro schwächer. Ein Euro könnte bald einen Dollar kosten.

Es wird bei den niedrigen Zinsen bleiben

Im Euroraum dürften die Anleihezinsen höchstens moderat steigen. 2016 war die Umlaufrendite, also der durchschnittlich für alle gehandelten Bundespapiere gewährte Zins, erstmals in den negativen Bereich gefallen. Dass es bei den niedrigen Zinsen bleiben wird, gilt als ausgemachte Sache.

Bei der Fondsgesellschaft Allianz Global Investors sieht man allerdings eine schwindende Bedeutung der Geldpolitik voraus: „Die Notenbanken haben im abgelaufenen Jahr mit ihrer extremen Geldpolitik fast ihr gesamtes Pulver verschossen.“ Damit rücken die Staaten mit ihrer Fiskalpolitik in den Blickpunkt – und damit Konjunkturprogramme sowie weitere Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin, glaubt an umfassende staatliche Maßnahmen: „Die Erwartungen an baldige Geschenke sind an den Finanzmärkten hoch.“

Es gibt auch Optimisten

Über die Auswirkungen für Aktien sind sich die Experten uneins. Sicher scheint: Die Bäume dürften nicht in den Himmel wachsen. Im Schnitt gehen die Prognosen von stagnierenden Börsen aus. „Wir rechnen mit weiter leicht steigenden Zinsen und unter Schwankungen aufwärts gerichteten Aktienmärkten“, sagt Jens Wilhelm, der im Vorstand der Fondsgesellschaft Union Investment die Anlagestrategie verantwortet. Dabei favorisiert Wilhelm auch weiterhin Aktienmärkte.

Zurückhaltender gibt sich die Deka Bank. Die Investmentstrategen der Fondsgesellschaft der Sparkassen sehen den Dax auf 11.000 Punkte sinken, während die DZ Bank und die Helaba dem deutschen Leitindex Potenzial bis 12.000 Punkte attestieren. Zu den größten Optimisten zählt Manfred Hübner, Gründer des Analysehauses Sentix. Er sieht den Dax Ende 2017 bei 14.000 Punkten.

Szenarien vom Autoscooter bis zur Geisterbahn

Die Helaba beschreibt ihr Anlageszenario 2017 als „Rummelplatz“. In jedem Fahrgeschäft könnten Besucher in eine andere Welt abtauchen. Chefvolkswirtin Gertrud Traud: „2017 fahren alle Autoscooter.“ Die Finanzmärkte sieht sie turbulent, aber in geordneten Bahnen – mit Ausnahmen. „Die Forschen provozieren gerne Kollisionen. Schubsen, Drängeln und verbale Entgleisungen sind die Risiken, denen man ausgesetzt ist“, warnt Traud, beruhigt aber zugleich: „Wirklich ernsthafte Unfälle treten beim Autoscooter normalerweise nicht auf.“ Eher in der „Geisterbahn“.

Für dieses Szenario sieht die Helaba eine Wahrscheinlichkeit von 15 Prozent. „Sollten wir uns 2017 ins Gruselkabinett begeben, dominieren Fratzen und Gespenster“, sagt Traud. „Gegenseitiges Misstrauen beeinträchtigt dann den Welthandel, nationalistische Tendenzen setzen sich durch.“