Berlin. Air-Berlin-Großaktionär Etihad will sich offenbar vom Europa-Geschäft trennen. Konzernchef Hogan muss nach zehn Jahren wohl gehen.

Etwas mehr als zehn Jahre leitet James Hogan jetzt Etihad. Die staatliche Fluggesellschaft des Emirats Abu Dhabi wollte er zur besten der Welt ausbauen – es bleibt wohl beim Versuch. Wie aus dem Umfeld des Konzerns zu hören ist, wird Hogan voraussichtlich im ersten Quartal 2017 das Unternehmen verlassen.

Der Eigentümer, das Herrscherhaus des Emirats, ist mit der Entwicklung des Unternehmens vor allem in Europa nicht zufrieden und denkt über einen Verkauf nach – und Europa bedeutet vor allem Air Berlin. Ein Etihad-Sprecher sagte, man kommentiere unbegründete Gerüchte nicht.

Vor allem Air Berlin macht Probleme

Unter Hogan hat sich Etihad 2011 rund 29 Prozent an der verlustreichen Berliner Fluggesellschaft gesichert. Zudem kaufte das Unternehmen eine Beteiligung an Air Serbia und an der ebenfalls angeschlagenen Alitalia. Vor allem bei Air Berlin gibt es Probleme.

Fünf Jahre nach dem Einstieg steuert die Fluggesellschaft wieder auf einen üppigen Verlust zu. 2015 waren es 446,6 Millionen Euro, in den ersten neun Monaten 2016 bereits 317,1 Millionen Euro – bei sinkendem Umsatz.

2,5 Milliarden Euro Verlust in Europa

Für Etihad ist das europäische Abenteuer bisher eher teuer gewesen. Etwa 2,5 Milliarden Euro Verlust flogen die Beteiligungen bisher ein – auch für die staatliche Fluglinie eines ölreichen Landes viel Geld. Etihad traute Air-Berlin-Chef Stefan Pichler nicht mehr zu, die Lage in den Griff zu bekommen und verhandelte den radikalen Umbau selbst.

So kauften die Araber Air Berlin die Anteile am Ferienflieger Niki ab und bringen sie in eine neue gemeinsame Ferienfluggesellschaft mit dem Reisekonzern TUI ein. Mit den 300 Millionen Euro Verkaufserlös ist Air Berlin wieder liquide.

Air Berlin vorerst stabilisiert

Zudem handelte Etihad mit der Lufthansa aus, dass Air Berlin 38 Maschinen einschließlich Besatzungen für mehrere Jahre an die Frankfurter verleast. Teil des Abkommens sind auch zunächst vier Gemeinschaftsflüge, sogenannte Code-Shares, von Etihad und Lufthansa.

Damit ist Air Berlin stabilisiert – vorerst. Geplant ist, sich mit 75 Maschinen auf die Drehkreuze Düsseldorf und Berlin zu konzentrieren und das Fernfluggeschäft auszubauen. Allerdings drücken hohe Schulden das Unternehmen.

Geht der komplette Air-Berlin-Betrieb an Lufthansa?

Lufthansa-Manager Thomas Winkelmann wechselt zu Air Berlin.
Lufthansa-Manager Thomas Winkelmann wechselt zu Air Berlin. © dpa | Sven Hoppe

Darüber, wie es weitergehen könnte, kursiert in der Branche folgendes Szenario: Sollte Air Berlin weiterkriseln, wovon Experten ausgehen, könnte Ende 2017 oder Anfang 2018 der gesamte Geschäftsbetrieb an Lufthansa gehen, die dann Eurowings in großem Stil ausbauen könnte. Vielleicht bleibe die starke Marke Air Berlin auch bestehen, heißt es. Ein Hinweis darauf, dass da etwas dran sein könnte, ist der neue Chef, der Air Berlin von Februar an leiten soll: Thomas Winkelmann kommt von der Lufthansa und steuerte früher die Billigfluglinie Germanwings.

Wesentliches Problem bei solch einem Geschäft neben der Zustimmung der Kartellbehörden: die eine Milliarde Euro Schulden von Air Berlin, die Lufthansa-Chef Carsten Spohr sicher nicht übernehmen will. Etihad könnte deshalb die Schulden tilgen; im Gegenzug, so wird offenbar überlegt, könnte sich das Emirat Abu Dhabi über eine Kapitalerhöhung an der Lufthansa beteiligen.

Abschied vom Europa-Geschäft womöglich bereits ab Januar

Damit wäre aber die bestehende Europa-Strategie Etihads gescheitert. Dem „Handelsblatt“ zufolge will der Konzern sogar schon im Januar mit dem Rückbau des Europa-Geschäfts beginnen, das vom Potsdamer Platz in Berlin aus gesteuert wird. Geprüft werde etwa ein Notverkauf deutlich unter Wert.

Lufthansa wäre dann allerdings noch nicht bereit, einzusteigen: Konzernvorstandsmitglied Karl Ulrich Garnadt sagte in München, sein Haus habe genug mit der Integration von Germanwings und Eurowings, der Leasingübernahme der Air-Berlin-Flieger und der Übernahme von Brussels Airlines zu tun. „Da sind wir nicht in der Lage, mehr zu machen 2017.“

Sparkurs bei Etihad verkündet

Etihad wurde 2003 gegründet. Das Unternehmen fliegt mit derzeit 123 Maschinen, davon acht A380, insgesamt 117 Ziele weltweit an. Das Unternehmen beschäftigt rund 27.000 Mitarbeiter. Zuletzt haben die Araber allerdings angekündigt, Personal streichen zu wollen. Frei werdende Stellen sollen nicht wieder besetzt werden. Wegen des Ölpreisverfalls halten sich viele Konzerne mit Geschäftsreisen zurück – einem der Haupteinnahmequellen verschiedener Golf-Fluglinien, die mit opulenten Business-Bereichen werben.