Berlin. Das Crowdfunding-Unternehmen Locomore will den Zugverkehr zwischen Stuttgart und Berlin aufmischen. Der erste Zug startet am Mittwoch.

Am kommenden Mittwoch, Punkt 6.21 Uhr, startet der knallorangene Zug des Bahnneulings Locomore zu seiner ersten Fahrt von Stuttgart Richtung Berlin. Nach rund sieben Stunden mit Tempo 200 soll er dort pünktlich ankommen. Das hofft Darek Ladewig, Gründer von Locomore. Mit günstigen Preisen will er der Deutschen Bahn Kunden abjagen.

Ladewig schickt einen renovierten IC auf das Gleis. Wer Tickets kauft, soll mehr Platz und Gemütlichkeit als beim Branchenprimus genießen. In den Sechserabteilen werden nur drei Plätze vergeben, damit die Fahrgäste mehr Platz haben. Es gibt auch Themenabteile, in denen Gleichgesinnte über Literatur oder Sport parlieren können. Das Motto wird bei der Buchung angezeigt. Für Familien mit Kindern sind mit Spielzeug oder Büchern ausgestattete Abteile vorgesehen. Zudem gibt es eine begrenzte Möglichkeit, das eigene Fahrrad mitzunehmen.

Im Business-Tarif maximal drei Passagiere im Abteil

Der maximale Basispreis für die Fahrt soll immer unterhalb des normalen Preises mit Bahncard 50 der Deutschen Bahn liegen. Die einfache Fahrt zwischen Stuttgart und Berlin kostet je nach Auslastung höchstens 65 Euro. An weniger begehrten Tagen kann das Ticket aber auch schon für 22 Euro angeboten werden. Die erste Klasse heißt bei Locomore Business-Tarif und kostet auf der gesamten Strecke zwischen 38 Euro und 98 Euro für die einfache Fahrt. Dafür sitzen die Reisenden im Dreierabteil, erhalten Zeitungen, einen Snack und ein Getränk. Der Kaffee ist bio und fair gehandelt. Das kleine Schnitzel mit Gurkensalat steht für 6,80 Euro auf der Karte der kalten Speisen. Warme gibt es nicht.

Wirtschaftlich begibt sich Ladewig auf ein schwieriges Terrain. Bisher konnten neue Anbieter im Wettbewerb mit der Deutschen Bahn keinen Blumentopf gewinnen. Die Interconnex-Linie zwischen Leipzig und Rostock wurde wieder eingestellt. Das Start-up derschnellzug gab im Frühjahr auf. Einzig der HKX-Express zwischen Hamburg und Köln hat sich halten können, pendelt aber nur noch über die verlängerten Wochenendtage zwischen beiden Städten.

Einstieg ins Bahngeschäft erfordert viel Kapital

Neue Anbieter stehen vor zwei großen Problemen. Das Geschäft erfordert reichlich Kapital. Und es gibt kaum gebrauchte Züge auf dem Markt. Größter Anbieter dafür ist die Deutsche Bahn, die aber selbst kaum genügend Waggons im Bestand hat. „Das ist eine Resterampe“, sagt Ladewig zu dem alten Material. Es sei die größte Schwierigkeit gewesen, den IC für Locomore zu modernisieren.

Das notwendige Kapital sammelte Locomore per Crowdfunding ein. 460.000 Euro mussten mindestens zusammenkommen. Inzwischen sind laut Ladewig über 600.000 Euro eingegangen. Nun wird sich zeigen, ob sich die Beteiligung lohnt. Nach drei Monaten werde der Zug in die schwarzen Zahlen fahren, hofft Ladewig. Dann könnten auch die Vorbereitungen für eine Linie bis nach München oder die Eröffnung einer Strecke zwischen Binz und Bonn losgehen.

Vielleicht erweist sich dabei eine kleine Besonderheit in den Abteilen des Locomore-Zuges als Wettbewerbsvorteil, die älteren Bahnreisenden noch in Erinnerung sein dürfte: Die Sitze können so ausgezogen werden, dass daraus eine Liegefläche wird, auf der sich Fahrgäste bequem ausstrecken können.