Frankfurt/Rom. Das Italien-Referendum setzt die Wirtschaft unter Druck. Eine Rückkehr der Schuldenkrise halten Experten aber für unwahrscheinlich.

Europa ist in Sorge. Kommt die Schuldenkrise mit Wucht zurück? Das Nein der Italiener zur Verfassungsreform könnte die Probleme der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone massiv verschärfen.

Auch wenn die Reaktion der Aktien- und Devisenmärkte bisher eher glimpflich ausfiel: Für Staatsanleihen des hoch verschuldeten Landes stiegen an den Kapitalmärkten die Risikoaufschläge bereits am Tag nach der Abstimmung vom Sonntag. Italien muss also höhere Zinsen zahlen, wenn es sich weiteres Geld leiht. Steht also der nächste Feuerwehreinsatz der Europäischen Zentralbank (EZB) bevor?

EZB dürfte erneut für Stabilität sorgen müssen

„Im EZB-Tower dürfte man sich nach dem Abstimmungsergebnis und dem angekündigten Rücktritt von Matteo Renzi wieder einmal im Krisenmodus befinden“, erklärt Dirk Gojny von der National-Bank. Erneut dürfte der EZB die Aufgabe zufallen, für die Stabilisierung des Euroraums zu sorgen – „obwohl das ein politischer Auftrag und keiner für eine Notenbank ist“, wie Gojny betont.

Zumindest hat das Votum der Italiener unter Ökonomen die letzten Zweifel beseitigt, ob der EZB-Rat bei seiner nächsten Sitzung an diesem Donnerstag (8. Dezember) in Frankfurt das milliardenschwere Anleihen-Kaufprogramm über den März 2017 hinaus verlängern wird.

„Mario Draghi wird nicht noch zusätzliches Öl ins Feuer gießen wollen. Die Diskussion um einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Wertpapier-Aufkaufprogramm dürfte vom Tisch sein“, schreiben die Experten der VP-Bank. „Der Blick auf den Donnerstag wirkt am heutigen Tag für die Finanzmärkte wie eine Art Fallschirm.“

Seit März liegt Leitzins bei null Prozent

EZB-Chef Draghi hatte erst jüngst betont, die wirtschaftliche Erholung des Euroraums sei „noch in erheblichem Maße von der lockeren Geldpolitik abhängig“. In einem Interview der spanischen Tageszeitung „El País“ wenige Tage vor der Abstimmung in seinem Heimatland bekräftigte der Italiener: „Die niedrigen Zinsen sind wesentlich für eine vollständige Erholung. Und wenn das erreicht ist, werden die Zinsen steigen.“

Seit März liegt der Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent. Banken bekommen EZB-Geld also zum Nulltarif – was zum Beispiel für kriselnde italienische Banken überlebenswichtig ist. Zudem kauft die Notenbank den Regierungen Zeit über ihr seit März 2015 laufendes Billionen-Programm zum Erwerb von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Inzwischen fließen auf diesem Weg monatlich 80 Milliarden Euro. Insgesamt rund 1,2 Billionen Euro nahm die EZB nach jüngsten Zahlen bislang im Rahmen dieses Programms (PSPP) in die Hand – darunter 188,5 Milliarden Euro für italienische Staatsanleihen.

Da die Währungshüter bereit stehen, hält Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise ein unmittelbares Wiederaufflammen der Schuldenkrise für unwahrscheinlich: „Das Anleihen-Kaufprogramm der Europäischen Zentralbank bietet einen effizienten Schutz vor massiven Verkäufen italienischer Staatsanleihen.“

EZB muss Bedingungen für Käufe lockern

Es gibt allerdings ein Problem für die Währungshüter: Sie haben sich selbst Grenzen gesetzt für ihr gewaltiges Kaufprogramm („Quantitative Easing“/QE), das auch im EZB-Rat umstritten ist. So darf die EZB etwa keine Papiere kaufen, deren Zinsen unterhalb des Einlagen-Zinssatzes von derzeit minus 0,4 Prozent liegen.

Doch weil die Notenbank die Nachfrage anheizt, wird zum Beispiel bei den als besonders sicher geltenden Bundesanleihen das Angebot knapp. Möglicherweise ist die EZB daher gezwungen, die Bedingungen für ihre Käufe zu lockern.

Trügerische Sicherheit

Unterdessen wächst die Kritik, dass die Notenbank der reformmüden Politik immer neue Zeit kauft. „Am wichtigsten wäre mir (...), dass Draghi seine „Whatever it takes"-Aussage zurücknimmt“, sagte Munich-Re-Chef Nikolaus von Bomhard jüngst der „Neuen Züricher Zeitung“.

„Er wiegt Politiker und Marktteilnehmer in einer Sicherheit, die eine Zeitlang richtig war, die aber jetzt schädlich ist. Man verlässt sich zu sehr darauf und tut nicht das Nötige.“ Ulrike Kastens von Sal. Oppenheim warnt: „Die Aussicht auf weitere Ankäufe durch die EZB überlagert die heimischen Probleme Italiens faktisch immer noch.“

Zentralbank stellt Notnagel in Aussicht

Draghis Machtwort aus dem Sommer 2012 – das gestehen ihm sogar seine Kritiker zu – hat die Eurozone in der tiefsten Krise ihrer jungen Geschichte stabilisiert: „Die EZB wird alles tun, um den Euro zu retten.“ Dieses „Whatever it takes“-Versprechen des EZB-Präsidenten gilt bis heute.

Ebenso wie das kurz danach beschlossene OMT-Programm: Die EZB erklärte sich bereit, unter Bedingungen notfalls unbegrenzt Anleihen von Euro-Krisenstaaten zu erwerben. Im Falle des Falles könnte das ein Notnagel für Italien sein – allerdings müsste Rom zuvor unter einen Euro-Rettungsschirm (EFSF/ESM) schlüpfen und dann strenge Reformvorgaben der EU-Partner erfüllen. (dpa)