Berlin. Das Produktions-Kartell Opec drosselt erstmals seit sechs Jahren die Fördermengen. Kunden müssen mit höheren Energiekosten rechnen.

Das Ölkartell Opec hat erstmals seit dem Jahr 2008 eine Förderkürzung beschlossen, um den Preis zu stabilisieren. Nach der Einigung auf eine geringere Ölproduktion erwartet die Internationale Energieagentur (IEA) künftig stärker schwankende Preise bei dem Rohstoff. Das hat Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Preis vieler Produkte des täglichen Lebens – was Verbraucher dazu wissen sollten:

Was ist die Opec?

Die Opec (Deutsch: Organisation Erdöl exportierender Länder) wurde 1960 gegründet und fördert global etwa ein Drittel des Erdöls. Ihr Anteil am internationalen Handel liegt bei über 50 Prozent. Die genauen Zahlen sind umstritten, aber in den Ölfeldern der Opec könnten sogar über 80 Prozent der globalen Reserven lagern. Das wichtigste Mitgliedsland ist Saudi-Arabien, aber auch Iran, Irak, Kuwait und Venezuela sind große Erdölexporteure der Opec. Sitz der Organisation ist Wien – ein neutraler Boden für die Länder, die sich politisch oft uneins sind.

Was hat das Kartell entschieden?

Die Opec hat beschlossen, von Januar bis Mitte des Jahres ihre Produktion um 1,2 Millionen Fass Öl auf 32,5 Millionen Barrel zu kappen. Das sind 1,3 Prozent der weltweiten Fördermenge. Den Großteil der Last trägt der mit Abstand größte Produzent: Saudi-Arabien. Allerdings haben sich auch Länder außerhalb der Opec, darunter Russland, verpflichtet, ihre Produktion etwas zu kürzen. So sollen zwei Prozent der Weltproduktion zusammenkommen. Der derzeitige Opec-Präsident, Katars Ölminister Mohammed Bin Saleh al-Sada, sprach von einer „historischen Übereinkunft, die dabei helfen wird, den Markt wieder in eine Balance zu bringen“.

Warum treibt die Verknappung den Ölpreis nach oben?

Dort, wo Öl zum Einsatz kommt, ist es meist unverzichtbar. Wer mit dem Auto zur Arbeit fährt, lässt es wegen höherer Preise in der Regel nicht stehen. Auch die petrochemische Industrie fährt wegen höherer Notierungen nicht einfach die Produktion herunter. Deshalb muss der Preis sehr deutlich steigen, um auch nur eine kleine Verknappung durch einen niedrigeren Verbrauch auszugleichen. Das Gleiche gilt aber auch in die andere Richtung: Das Überangebot der vergangenen Jahre auf dem Weltmarkt war nicht besonders groß, dennoch sind die Ölpreise seit Mitte 2014 von über 100 auf deutlich unter 50 Dollar gefallen, zeitweise sogar noch erheblich weniger.

Kartelle sind illegal – warum darf die Opec Absprachen treffen?

Regeln gegen Preisabsprachen sind meist nationale Gesetze und richten sich gegen Unternehmen. Da die Opec-Länder ihre Förderunternehmen aber verstaatlicht haben, gibt es weniger Handhabe. Gerichte in den USA sind zum Beispiel der Meinung, dass nationale kartellrechtliche Vorgaben nicht greifen. Eine Möglichkeit, auf internationaler Ebene gegen die Opec vorzugehen, wären die Regeln der Welthandelsorganisation WTO.

Mit Bezug auf diese Regeln könnte ein Staat beantragen, wegen der Preisabsprachen Strafzölle und Handelssanktionen gegen die Opec-Länder einzuführen. Vor allem in den USA gab es immer wieder politische Initiativen, das zu tun. Doch ein Handelskrieg mit den wichtigsten Ölexporteuren hätte dramatische Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft. Das hat sich schon in der ersten schweren Ölpreiskrise 1973 gezeigt. Deshalb schrecken die Import-Länder davor zurück. Neue Brisanz bekommt diese Frage, falls Saudi-Arabien seinen Ölmonopolisten Saudi Aramco wie geplant 2018 an die internationalen Börsen bringt und damit auch strengeren Spielregeln unterwirft.

Wem nützt der höhere Ölpreis?

Hohe Preise nutzen vor allem den Erdölproduzenten. Venezuela versinkt seit Monaten im Chaos und braucht dringend höhere Staatseinnahmen, um die Lage zu stabilisieren. Saudi-Arabiens Herrscherhaus musste sich ebenfalls verschulden und kann die niedrigen Preise nur noch kurze Zeit durchhalten. Auch Iran, Irak und die anderen Ölstaaten brauchen dringend höhere Einnahmen. Gleichzeitig profitieren auch alle anderen Produzenten, sowohl die staatlichen wie in Russland als auch die privaten wie in den USA. Die in den USA stark gestiegene Ölgewinnung mittels neuer Fördertechniken, bei denen ölhaltiges Gestein mit einem Chemie-Wasser-Gemisch aufgesprengt wird (Fracking), war aufgrund der niedrigen Preise zuletzt etwas zurückgegangen.

Warum kommt die Kürzung jetzt?

Die neue Konkurrenz aus den USA war ein wichtiger Grund, warum vor allem Saudi-Arabien lange Zeit keiner Förderkürzung zustimmen wollte. Die Fracking-Firmen sollten langfristig geschwächt und aus dem Geschäft gedrängt werden. Das ist kaum gelungen. Allerdings wurden viele teure Großprojekte, zum Beispiel die Förderung in der Arktis, auf Eis gelegt. Saudi-Arabien konnte die Strategie nun nicht mehr durchhalten.

Wem schadet teures Öl besonders stark?

Den Schaden haben alle, die mehr Öl verbrauchen als fördern. Deutschland, wo fast kein Öl gewonnen werden kann, müsste bei einem dauerhaft um zehn Dollar höheren Ölpreis rund acht Milliarden Euro mehr pro Jahr für Importe ausgeben. Das ist aber eine sehr kurzfristige Betrachtung. Die starke deutsche Exportwirtschaft, zum Beispiel die Anlagen- und Maschinenbauer, aber auch die Autoindustrie, haben lange Zeit massiv von der hohen Nachfrage aus den arabischen Ölstaaten profitiert. Die Petrodollar werden so „recycelt“. Zudem destabilisiert ein ruinös niedriger Ölpreis zahlreiche Länder. Ein vollständiger Kollaps und politisches Chaos in Staaten wie Venezuela und Saudi-Arabien hätte verheerende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft.

Erhöhen sich die Preise für die deutschen Verbraucher?

Ja, die Preise für Benzin, Diesel und Heizöl steigen in der Regel unverzüglich, wenn Öl wie nach der Opec-Entscheidung teurer wird. Im Handel ist es üblich, mit dem Wiederbeschaffungswert zu kalkulieren. In den kommenden Tagen wird es für Autofahrer also teurer an den Zapfsäulen, wo aber stark schwankende Preise im Tagesverlauf oft die grundsätzliche Preisrichtung überdecken. Für Autofahrer wird der prozentuale Preisanstieg allerdings abgedämpft, weil ein großer Preisbestandteil Mineralölsteuern sind, die sich durch die Öl-Hausse nicht verändern. Fluglinien kalkulieren ebenfalls mit den aktuellen Preisen, auch wenn sie gegen Schwankungen oft über Termingeschäfte an der Börse abgesichert sind. Häufig ändern sie ihre Preise zudem nicht sofort, um sich im Wettbewerb der Airlines nicht zu schaden.

Wie sind Wärmekunden betroffen?

Heizöl ist deutlich niedriger besteuert als Kraftstoffe für Fahrzeuge, deshalb fällt der prozentuale Anstieg höher aus. Der Preis stieg nach der Opec-Entscheidung sofort deutlich von rund 53 auf 56 Cent pro Liter. Beim Gas ist die Lage kompliziert, seit immer weniger Verträge im Großhandel auf einer Ölpreisformel basieren. In der Regel beeinflusst aber der Ölpreis letztlich auch den Gaspreis, aber stark zeitverzögert.

Wie geht es weiter am Ölmarkt?

Wenn die Opec entschlossen den Förderhahn zudreht, muss sich die Weltwirtschaft dauerhaft auf ein viel höheres Ölpreisniveau einstellen. Theoretisch reicht die Marktmacht der Opec aus, um den Preis fast nach Belieben zu diktieren. Allerdings sprechen zwei Gründe dagegen, dass es so kommen wird:
Erstens haben die Opec-Staaten kein Interesse daran, sehr hohe Preise durchzusetzen, denn langfristig werden dadurch Alternativen zum Öl nach vorne gebracht – von neuen Ölförderprojekten wie in den USA und Kanada bis zu Alternativen wie dem Elektro-Auto.

Zweitens ist die Disziplin des Kartells sehr brüchig. In der Vergangenheit haben viele Länder trotz Absprachen einfach mehr produziert und damit von den höheren Preisen profitiert, ohne das Volumen zu senken.