Frankfurt/Main. Der Pilotenstreik bei Lufthansa geht weiter. Inzwischen wird Kritik laut – nicht nur in der EU-Kommission, auch in den eigenen Reihen.

Angesichts des anhaltenden Streiks bei der Lufthansa hat die EU-Kommission zu einer raschen Einigung aufgerufen und vor negativen Folgen für die europäische Wirtschaft gewarnt. „Das Recht zu streiken ist ein Grundrecht der Arbeitnehmer in der Europäischen Union. Daran gibt es keinen Zweifel“, sagte EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc der Zeitung „Die Welt“ (Mittwochausgabe). Sie appellierte aber zugleich an alle Beteiligten, sich dabei „konstruktiv zu verhalten“ und einen Lösungsweg zu finden.

Bulc warnte vor hohen Kosten für die Wirtschaft. „Die Akteure im Luftfahrtsektor sind so eng miteinander verwoben, dass das Verhalten einzelner nationaler Interessengruppen erhebliche Kosten für alle Beteiligten in Europa verursachen kann“, sagte die Verkehrskommissarin. „Das kann so nicht weiter gehen, wir müssen da gemeinsam an einer Lösung arbeiten.“

Bodenpersonal demonstriert gegen Pilotenstreik

Die Piloten bei der Lufthansa setzen derweil ihren Streik wie angekündigt am Mittwoch fort. „Von den 890 gestrichenen Flügen sind rund 98.000 Passagiere betroffen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens am frühen Morgen. Ein Sonderflugplan solle die Folgen des Arbeitskampfs bei Deutschlands größter Fluggesellschaft mildern. Die Flieger der Töchter Eurowings und Germanwings heben wie geplant ab.

Für viele Reisende bedeutet der andauernde Streik langes Warten, Umbuchungen, Ärger.
Für viele Reisende bedeutet der andauernde Streik langes Warten, Umbuchungen, Ärger. © dpa | Peter Kneffel

In dem zugespitzten Arbeitskampf kommt es mittlerweile auch zu einem öffentlichen Kräftemessen zwischen den streikenden Piloten und Teilen der übrigen Belegschaft. Für diesen Mittwoch haben sowohl die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) als auch der Betriebsrat des Frankfurter Bodenpersonals zu entgegengesetzten Demonstrationen vor der Lufthansa-Unternehmenszentrale aufgerufen.

Teile der Belegschaft sehen Streik als Bedrohung

Der Boden-Betriebsrat Frankfurt fordert in seinem Aufruf ein schnelles Ende des „zerstörerischen Streits“ und verlangt von der VC, in eine Schlichtung einzuwilligen. Die Durchsetzung von Partikularinteressen gehe auf Kosten aller anderen Kollegen. „Vielmehr muss es darum gehen, den notwendigen Konzernumbau im Sinne aller Lufthanseaten konstruktiv und in die Zukunft gerichtet zu begleiten. Tarifforderungen müssen sich den realen Marktbedingungen stellen“, heißt es in dem nicht namentlich unterzeichneten Aufruf.

Der Streik der Piloten wird von Teilen der Lufthansa-Belegschaft als zunehmende Bedrohung für das Unternehmen wahrgenommen. „Was immer die Piloten herausholen, muss am Ende des Tages an anderen Stellen im Unternehmen gegenfinanziert werden“, sagte das Mitglied des Lufthansa-Betriebsrates Frankfurt Boden, Ruediger Fell.

Lufthansa-Mitarbeiter ebenso in Geiselhaft wie Fluggäste

„Es herrscht große Angst um die Unternehmenszukunft am Boden, bei der Technik und der Cargo“, sagte das Betriebsratsmitglied, das sich der nicht-gewerkschaftlichen „Vereinigung Boden“ zugehörig fühlt. Die Piloten nähmen mit ihren fortgesetzten Streiks die Lufthansa- Mitarbeiter ebenso in Geiselhaft wie die Passagiere. Bei Lufthansa gebe es eine schweigende Mehrheit, die von den Streiks die Nase voll hätten.

Die Kabinengewerkschaft Ufo distanzierte sich ausdrücklich von der Demonstration gegen die Piloten. Der Aufruf sei ein „bitteres Armutszeugnis“ für das Gremium, erklärte Ufo-Tarifvorstand Nicoley Baublies. Verdi distanzierte sich ebenfalls. „Wir halten die Demonstration für falsch und haben unsere Mitglieder aufgefordert, daran nicht teilzunehmen“, sagte Bundesvorstandsmitglied Christine Behle. Die Verdi-Vertreter im Betriebsrat hätten sich ausdrücklich gegen die Aktion gewendet.

Buchungsrückgang macht sich bemerkbar

Insgesamt sind laut Lufthansa an sechs Streiktagen bislang mehr als 525.000 Passagiere von 4461 Flugausfällen betroffen. Weitere Streiks seien mit einem Vorlauf von 24 Stunden jederzeit möglich, warnte ein Sprecher der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC).

Auch am Mittwoch bleiben die Lufthansa-Flieger wieder am Boden. Das Unternehmen muss bereits mit Buchungsrückgängen kämpfen.
Auch am Mittwoch bleiben die Lufthansa-Flieger wieder am Boden. Das Unternehmen muss bereits mit Buchungsrückgängen kämpfen. © dpa | Peter Kneffel

Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung (Mittwoch) macht sich bei der Lufthansa bereits ein Buchungsrückgang bemerkbar. Unter Berufung auf Unternehmenskreise und Kreise der Vereinigung Cockpit (VC) berichtet die Zeitung über Rückmeldungen aus dem Lufthansa-Management, wonach die Buchungsrückgänge „deutlich spürbar sind“.

Tarifstreit dauert schon länger als zwei Jahre

Nach Angaben des Blattes liegen die Kosten des Pilotenstreiks für die Lufthansa mittlerweile bei rund 15 Millionen Euro pro Tag. Der vergangenen Woche begonnene Ausstand habe damit schon Kosten von rund 75 Millionen Euro verursacht.

Der Tarifstreit zieht sich seit April 2014 hin. Die Gewerkschaft fordert für 5400 Lufthansa-Piloten 3,7 Prozent mehr Geld im Jahr – einschließlich Nachzahlungen für vier Jahre. Die Lufthansa bietet 0,7 Prozent über eine Laufzeit von gut sechs Jahren. Darüber hinaus geht es um die Alters- und Vorruhestandsversorgung der Flugzeugführer und den Ausbau des konzerneigenen Billigfliegers Eurowings. (dpa/rtr)