Essen. RWE-Vorstandschef Rolf Martin Schmitz über die Krise der Energiebranche, seinen Führungsstil und die Strategie des Energiekonzerns.

Der Energiekonzern RWE hat im Oktober sein Zukunftsgeschäft mit erneuerbaren Energien unter dem Namen Innogy an der Börse platziert. Mit dem neuen RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sprach diese Zeitung über die Zukunft von Kohlekraftwerken und die Strategie von Deutschlands zweitgrößtem Stromkonzern.

Seit Oktober sind Sie Chef von RWE. Fühlen Sie sich auch als Chef der gut 40.000 Innogy-Beschäftigten?

Rolf Martin Schmitz: Ich bin Chef von RWE, aber nicht Chef von Innogy. Wir führen Innogy als reine Finanzbeteiligung. Die Trennung ist ganz klar so gewollt.

Sind Sie denn zumindest Chef Ihres Vorgängers Peter Terium?

Schmitz: Auch das nicht. Wir verstehen uns gut. Aber ich mische mich nicht in das Geschäft von Innogy ein.

Welche Zukunft hat RWE, wenn das vermeintliche Zukunftsgeschäft bei Innogy ist?

Schmitz: Der Börsengang hat nicht nur Innogy, sondern auch RWE einen Schub gegeben. Wir haben neuen finanziellen Spielraum und gehen nun in die Offensive. Wir entwickeln gerade eine neue Story für RWE, die wir im Frühjahr vorstellen werden. Mir geht es darum, RWE langfristig zukunftsfähig aufzustellen.

Steht mit der neuen Strategie eine Neuerfindung von RWE an?

Schmitz: Unser Engagement wird sich nahe an unserem bisherigen Kerngeschäft orientieren. Unser Schwerpunkt liegt in Europa. Ein wichtiges Thema in Zeiten der Energiewende sind Kraftwerkskapazitäten für Versorgungssicherheit und die Speicherung von Strom. Schließlich steht Energie aus Wind und Sonne nicht permanent zur Verfügung. Noch sind Batterien zu teuer, aber sie werden gebraucht.

Spötter sprechen im Zusammenhang mit RWE von „Rolfs Resterampe“ ...

Schmitz: Das habe ich auch als scherzhaft-liebevollen Ausspruch von Mitarbeitern gehört. Aber im Ernst: RWE ist ein gesundes Unternehmen mit viel Potenzial.

RWE darf Innogy bis Ende 2019 keine Konkurrenz machen. Welcher Spielraum bleibt?

Schmitz: Die Vereinbarung mit Innogy schränkt uns nicht ein. Im Gegenteil: Es wäre nicht klug, auf ähnliche Geschäftsfelder wie Innogy zu setzen. Es ist sinnvoller, sich breiter aufzustellen, um Risiken einer einseitigen Ausrichtung zu vermeiden.

Wie schnell wird RWE den Anteil an Innogy reduzieren? Geht es um ein, zwei oder eher um vier, fünf Jahre?

Schmitz: Lassen Sie sich überraschen. Wir befinden uns in einer sechsmonatigen Phase, in der wir keine Innogy-Aktien abgeben. Alles Weitere werden wir zu gegebener Zeit entscheiden. Wir haben keinen Druck.

Können Sie sich vorstellen, dass der Konzern RWE irgendwann die Mehrheit an Innogy abgibt?

Schmitz: Es gibt einen klaren Aufsichtsratsbeschluss, dieser gilt. Innogy ist eine lukrative Beteiligung. Etwas Besseres zu finden, ist gar nicht so einfach.

Können Sie sich vorstellen, dass RWE noch ein konventionelles Kraftwerk baut?

Schmitz: Ein neues Kohlekraftwerk rechnet sich bei diesen Preisen nicht. Bei Gas sieht die Sache schon anders aus. Aber derzeit stellt sich die Frage nicht.

In der konventionellen Stromerzeugung haben Unternehmen wie die Steag, Uniper und auch viele Stadtwerke ähnliche Probleme wie RWE. Können Sie sich Kooperationen vorstellen, um gemeinsam aus der Krise zu kommen?

Schmitz: Der Verfall der Strompreise im Großhandel trifft die ganze Branche. Salopp formuliert: Wir stecken alle im selben Mist. Aber RWE hat jetzt neuen Bewegungsspielraum und wir sind sehr gut aufgestellt.

Wären auch Übernahmen denkbar?

Schmitz: Natürlich schauen wir nicht nur auf uns selbst, sondern gucken auch, was rechts und links um uns herum geschieht.

Lassen Sie uns über Ihren Führungsstil sprechen: Gehören Sie zu den Chefs, die Mails am Wochenende verschicken?

Nein, im Gegenteil. Oft schreibe ich Mitarbeitern, die mich am Samstag oder Sonntag kontaktieren: „Hätte das nicht bis Montag Zeit gehabt?“ Es gibt natürlich Dinge, die schnell erledigt werden müssen. Aber nicht jeder Vorgang hat Eilbedürftigkeit.