Berlin. Ab 2017 sollen Unternehmen Rechenschaft darüber ablegen, ob sie Sozial- und Umweltstandards erfüllen. Das sieht ein neues Gesetz vor.

Umsatz und Gewinn bestimmen längst nicht mehr allein den Wert von Unternehmen. Mussten Kinder in der Fabrik arbeiten? Unterstützt die Firma korrupte Regime? Wie sehr belastet die Produktion die Umwelt? Investoren und Verbraucher fordern Antworten von der Wirtschaft auf diese Fragen. Per Gesetz will Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) Unternehmen zu mehr Transparenz bei ihren Geschäften verpflichten. Gutachten von Umwelt- und Verbraucherschützern, aber auch von Wirtschaftsprüfern zeigen jedoch, dass der Entwurf etliche Lücken aufweist.

Hintergrund für die Gesetzesvorlage ist eine EU-Richtlinie, die die Bundesregierung umsetzen muss. Ab dem Geschäftsjahr 2017 sollen die Unternehmen Berichte abliefern, in denen sie über Öko- und Sozialstandards berichten. Das Gesetz muss bis zum 6. Dezember im Bundestag verabschiedet sein, sonst droht ein Vertragsverletzungsverfahren.

Pflicht zur Berichterstattung

Die Pflicht zur Berichterstattung betrifft bisher nur Unternehmen, die an der Börse notiert sind oder Anleihen ausgeben, und Firmen, die mehr als 500 Mitarbeiter haben. Viele Familienunternehmen aber auch Mittelständler müssen nicht berichten – obwohl sie Geschäfte in Ländern machen, die immer wieder in die Schlagzeilen geraten, weil Menschen bedroht und ausgebeutet werden oder Raubbau an der Umwelt begangen wird.

Verbraucher- und Umweltschützer fordern eine deutliche Ausweitung des Firmenkreises. „Aldi, Würth, Lidl, Ferrero oder Dr. Oetker fallen alle nicht unter die Berichtspflicht, obwohl sie marktbeherrschende Unternehmen sind“, sagt Ingmar Streese vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

Marktführer außen vor lassen

„Sie haben großen Einfluss auf Menschenrechte in den Entwicklungsländern, auf Arbeitsrechte und die Ökologie.“ Man könne nicht die Marktführer außen vor lassen. Der Verbraucherschützer fordert deshalb, alle Unternehmen zu verpflichten, die 250 Mitarbeiter und mehr haben. Zudem fordert er verständliche und lesbare Informationen von den Firmen und keine Imagebroschüren. Schließlich sollen die Verbraucher einen echten Mehrwert durch die Berichte haben.

Auf Kritik stößt in den Stellungnahmen der Experten vor allem eine Schutzklausel. Sie erlaubt es Firmen auf die Berichterstattung zu verzichten, wenn sie – aus Unternehmenssicht – zum Nachteil für die Firma wird. Für Cornelia Heydenreich, Expertin für Unternehmensverantwortung bei Germanwatch, ist eine solche Ausnahmeregelung völlig unverständlich.

„Firmen können sich ganz einfach vor der Berichterstattung drücken“, sagt Heydenreich. Vor allem auch dann, wenn entlang der Produktions- und Lieferkette tatsächlich Verstöße gegen den Arbeitsschutz oder Kinderarbeit nachgewiesen würden.