Berlin. Finanzminister Schäuble (CDU) will private Investoren am geplanten Autobahnbetreiber beteiligen. Zahlen müssen wohl die Autofahrer.

Autobahnen und Bundesstraßen gehören in Deutschland dem Staat. Das soll so bleiben, doch für Bau und Betrieb der Fernstraßen treibt Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) eine Teilprivatisierung voran. Banken und Versicherungen könnten einsteigen und für das eingesetzte Geld Gewinne erhalten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Wie ist der Stand der Dinge?

Die Bundesländer haben eingewilligt, dass künftig nur noch der Bund für Autobahnen und Bundesstraßen zuständig sein soll. Dafür soll das Grundgesetz geändert und eine neue, privatwirtschaftlich organisierte Bundesgesellschaft gegründet werden, etwa eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft (AG).

Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Der Bund verkauft bis zu 49,9 Prozent der Anteile dieser Gesellschaft an Kapitalinvestoren, Banken und Versicherungen. Oder die Regierung verkauft keine Anteile, vergibt aber mit Hilfe der neuen Gesellschaft mehr Aufträge für den Ausbau und Betrieb vor allem der Autobahnen an private Unternehmen. Solche öffentlich-privaten Partnerschaften organisiert heute schon die Verkehrsinfrastrukturgesellschaft, die dem Verkehrsministerium untersteht. Bisher tendiert das Finanzministerium dazu, die Gesellschaft mittelfristig für Investoren zu öffnen.

Können Private besser bauen?

Ein entscheidender Vorteil der neuen Gesellschaft bestehe darin, dass sie „effizient operieren“ könne, sagte eine Sprecherin Schäubles. Soll heißen: Im Gegensatz zu staatlichen Bauämtern mit ihren langwierigen Verfahren planen private Manager schneller und kostengünstiger. „Ein gutes Beispiel ist die Autobahn A1 zwischen Hamburg und Bremen“, erläutert Thomas Puls vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. „In weniger als vier Jahren wurde sie unter der Leitung von Privatunternehmen komplett sechsspurig ausgebaut. Die drei Bundesländer Hamburg, Niedersachsen und Bremen hätten wohl deutlich länger gebraucht.“

Gustav Horn, Direktor des Instituts für Makroökonomie der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung, hält dagegen: „Private sind nicht grundsätzlich schneller. Auch öffentliche Verwaltungen haben inzwischen gelernt, wie man wirksame Verträge mit Baufirmen abschließt, damit diese die Kostenrahmen und Zeitpläne einhalten.“

Hat der Staat nicht genug Personal?

Wegen der öffentlichen Verschuldung und der Sparpolitik der vergangenen Jahrzehnte haben die staatlichen Planungsbehörden viele Experten verloren. Nun fehlen Bauingenieure, Architekten und Finanzcontroller. Zudem hindern die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes die Verwaltungen oft daran, Fachkräfte einzustellen. Diese nehmen lieber Stellen in privaten Unternehmen an, weil sie dort besser bezahlt werden. „Wenn man die Autobahngesellschaft beispielsweise als privatrechtliche AG organisiert, ist sie nicht mehr an den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes gebunden“, sagt IW-Ökonom Puls. „Weil sie dann marktgerechte Gehälter zahlen kann, findet sie schneller und besser begehrte Fachleute.“

Brauchen Versicherungen zusätzliche Anlageobjekte?

Mit der Investition in Autobahnen und ihren Betrieb eröffnen sich Banken und Versicherungen neue Renditechancen angesichts der Niedrigzinsen. Die Finanzinstitute haben deshalb Probleme, ihre Zinszusagen zugunsten jener Privathaushalte zu finanzieren, die beispielsweise Lebensversicherungen abgeschlossen haben – mit teils deutlich höherer Verzinsung, als derzeit am Markt zu erzielen ist. Sehr kurz gefasst: Autobahnen sichern die private Altersvorsorge – mindestens teilweise.

Wer bezahlt?

Falls Autobahnen und Bundesstraßen mit privatem Geld gebaut und betrieben werden, muss der Staat, der diese Leistungen beauftragt, mit zusätzlichen Kosten kalkulieren. Dass privat finanzierte Autobahnen für die Allgemeinheit erheblich teurer sind als die staatliche Variante, hat auch bereits der Bundesrechnungshof bemängelt. Ein Modell, die Gewinne der privaten Autobahnbetreiber zu finanzieren, besteht in zusätzlichen Straßengebühren, etwa der Pkw-Maut. Oder die Lkw-Maut könnte steigen.

Wie kann ein Kompromiss aussehen?

Ökonom Horn plädiert dafür, die neue Gesellschaft zu gründen. Sie solle aber komplett in der Hand des Staates bleiben und nur, wie bisher, Aufträge an private Baufirmen vergeben. Das sei eine gute Lösung, „weil sie die Möglichkeit beinhaltet, die Schuldenbremse zu umgehen“, sagt Horn, „dadurch könnte die öffentliche Hand mehr investieren.“ Bisher kann scheut der Staat zu große Investitionen in die Infrastruktur, weil er sich dafür verschulden muss was die Schuldenbremse verhindert.

Wie halten das andere europäische Länder?

Frankreich hat Bau und Betrieb von rund 8000 der 11 600 Kilometer Autobahnen privatisiert. Das Netz wird von mehreren Gesellschaften betreut, die dafür Maut verlangen. Das Mautsystem stamm aus den Siebziger Jahren. Damals führte der Staat es aus Geldnot ein. Erst seit 2006 gibt es ausschließlich private Betreiber. In Italien werden die Autobahnen überwiegend von privaten Betreibern gemanagt, die dafür Maut erheben. Ebenso sieht ein Portugal aus.