Berlin. Deutsche Unternehmen und Verbände reagieren verunsichert auf Trumps Wahlsieg. Die Finanzmärkte dagegen bleiben erstaunlich gelassen.

Es gab vor den US-Präsidentenwahlen bereits ein „Trump-o-Meter“ an den Finanzmärkten. Je höher die Chancen des Republikaners Donald Trump auf einen Wahlsieg eingeschätzt wurden, desto stärker war der Druck auf den mexikanischen Peso. Der Grund: Trump hatte im Wahlkampf Mexiko mit einem Handelskrieg und dem Bau einer Mauer an der Grenze gedroht.

Als der Sieg des Republikaners am frühen Mittwochmorgen deutscher Zeit immer wahrscheinlicher wurde, fiel der Peso dann auch prompt auf ein Rekordtief. Er gab im Verhältnis zum US-Dollar um über acht Prozent nach. Wie sind die ersten Reaktionen der Wirtschaft auf die Präsidentschaft Trumps?

Deutscher Aktienindex dreht ins Plus

Zunächst führte das Wahlergebnis an den internationalen Börsen zu Schockreaktionen. Der japanische Nikkei-Index sank um fast sechs Prozent. Der Deutsche Aktienindex Dax brach nach Handelsstart um knapp drei Prozent ein. Vor allem exportstarke Werte verloren deutlich. Die Anleger flüchteten in vermeintlich sichere Werte wie deutsche Staatspapiere und Gold. Doch dann erholten sich die Märkte relativ schnell. Der Dax drehte ins Plus. Und der US-Index Dow Jones startete gar mit Gewinnen.

In Deutschland hatte man sogar Vorkehrungen getroffen, um den Handel im Fall eines Kurseinbruchs zu entschleunigen. Sie waren nicht nötig. Der V-Index, der Kursschwankungen widerspiegelt, gilt auf dem Parkett als „Angstbarometer“. Er reichte am Mittwoch nicht an das Niveau nach dem Ausstiegs-Referendum in Großbritannien heran.

„Wir müssen ruhig sein, ruhiger als die Märkte“

Doch die kurzfristigen Indizien sagen nichts über die Zukunft aus. Die Kursausschläge waren am Mittwoch schwächer als nach der Entscheidung der Briten für einen Austritt aus der EU im Juni, eine Erholung folgte schnell. Die langfristigen wirtschaftlichen Folgen von Trumps Sieg – je nach Ausrichtung seiner Politik – könnten rund um den Globus viel gravierender sein. Mit einem Protektionisten Trump im Weißen Haus drohten schwere Handelskonflikte. Peter Praet, Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, mahnte denn auch, Ruhe zu bewahren. Es sei zu früh, um Schlüsse aus der Wahl zu ziehen. „Wir müssen ruhig sein, ruhiger als die Märkte“, sagte er.

Für die deutsche Wirtschaft sind die USA der wichtigste Handelspartner. Der Wert der deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten betrug im vergangenen Jahr 113,99 Milliarden Euro. In Deutschland hängen mehr als eine Million Arbeitsplätze am Export in die USA. Ökonom Marcel Fratzscher ist schon lange im Geschäft und kennt diese Zahlen. Der Berater der Bundesregierung hat schon einige Krisen erlebt.

Irrsinnige Ideen in der Steuerpolitik

Fratzscher sieht die Wirtschaft – zumindest die deutsche Wirtschaft – gut genug aufgestellt, den Trump-Sieg zu verdauen. „Für die Wirtschaft entscheidend ist das stabile politische System der USA, die Macht des Präsidenten in der Wirtschaftspolitik wird stark überschätzt. Der Kongress ist sehr mächtig“, sagte Fratzscher dieser Redaktion. Trump werde sehr schnell feststellen, dass er keine seiner „irrsinnigen Ideen“ in der Steuerpolitik, Ausgabenpolitik oder beim Handel durchsetzen könne.

Der Republikaner bräuchte zum Beispiel für das Verlassen des nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta die Zustimmung des Kongresses, so der Forscher. Fratzschers Prognose: „Wirtschaftspolitisch wird es meiner Einschätzung nach zu einem Stillstand kommen, es bleibt beim Status Quo für die nächsten vier Jahre.“

Nicht jeder teilt diese Ansicht. Die deutsche Wirtschaft reagierte in großen Teilen geschockt. Die Verunsicherung bei deutschen Unternehmen sei groß, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben dieser Redaktion. „Sie hoffen nun darauf, dass wesentliche Säulen der internationalen Zusammenarbeit von der neuen US-Regierung nicht aufs Spiel gesetzt werden.“

Experte warnt vor Abschottung

Industriepräsident Ulrich Grillo setzt darauf, dass die Vereinigten Staaten sich von den offenen Märkten nicht verabschieden. „Alles andere wäre Gift für die US-Wirtschaft.“ Er forderte, die Wahlkampfrhetorik zu beenden. Auch sei Trump gut beraten, die US-Wirtschaft nicht abzuschotten. „Sonst wird die Unklarheit über den künftigen Kurs zu erheblichen negativen Effekten für die Weltwirtschaft führen“, warnte der Präsident des BDI.

Bei Volkswagen ist das Thema USA wegen des Abgas-Skandals, der dort ans Licht kam, ohnehin schon heikel. Die Wolfsburger haben wegen der Manipulation von Abgaswerten einen ersten Vergleich für Dieselfahrzeuge geschlossen, verhandeln aber mit dem US-Justizministerium über einen weiteren Vergleich für Autos mit großen Dieselmotoren. „Ich hoffe, dass sich das Wahlergebnis nicht noch nachteiliger auf den VW-Konzern auswirkt“, sagte Vorstandschef Matthias Müller. „Wir warten gespannt ab, wie die Behörden neu besetzt werden.“

„Gehörige Portion Skepsis“

Daimler-Chef Dieter Zetsche sagte, er versuche, sich offenzuhalten und zu hören, was Trump nach seinem Amtsantritt tue. „Was sich in Wahlkämpfen abspielt, beschreibt nur bedingt, was nach der Wahl zu erwarten ist“, sagte er. Aber: „Dass nach dem Wahlkampf eine gehörige Portion an Skepsis da ist, ist klar.“ Auch hier gilt also: Genaues weiß man nicht.

Bei anderen deutschen Firmen, die ebenfalls stark in den Vereinigten Staaten vertreten sind, herrscht Zweckoptimismus. Man hoffe, dass sich so schnell nichts ändere, hieß es etwa bei der Deutschen Post. Ein Siemens-Sprecher sagte: „Wir sind sicher, dass es viele Bereiche gibt in denen wir mit der neuen US-Administration konstruktiv zusammenarbeiten werden.“

HeidelbergCement könnte vom Zaunbau zu Mexiko profitieren

Der Chef von HeidelbergCement, Bernd Scheifele, gewinnt dem Sieg sogar positive Seiten ab. Kurzfristig werde die Unsicherheit von Investoren zwar groß sein und bis zum kommenden Jahr einen Bremseffekt auf die amerikanische Wirtschaft haben. „Mittelfristig bin ich positiv gestimmt“, sagte Scheifele. Es sei damit zu rechnen, dass der Staat unter Trump mehr in Infrastruktur investieren und für Beschäftigung sorgen werde. Sollte Trump tatsächlich die Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen lassen, könnte HeidelbergCement als Lieferant in Texas und Arizona davon profitieren.