Berlin/Frankfurt. Die Deutsche Bahn schließt die Türen an Fernzügen früher, um pünktlicher zu werden. Am Kapitalmarkt legt der Konzern die Bremse ein.

Bahnfahrer müssen sich jetzt sputen: Bei Fernzügen schließen die Türen bereits eine halbe Minute vor der Abfahrt – nicht, wie heute, erst zehn Sekunden vor dem Start. Von der Frühverriegelung erhofft sich die Bahn pünktlichere Abfahrts- und Ankunftszeiten. Während der Konzern beim Einsteigen aufs Tempo drückt, zieht er am Kapitalmarkt die Notbremse: Der geplante Börsengang der Töchter Arriva und Schenker ist gestoppt. Vorerst jedenfalls.

Die neuen Schließzeiten haben mit der Kundenoffensive der Deutschen Bahn zu tun, die im heftigen Wettbewerb etwa mit dem Fernbusanbieter Flixbus steht, und ihr Angebot verbessern muss. Zum Jahreswechsel bekommen die Fernzüge endlich auch in der zweiten Klasse kostenloses und vor allem schnelles Wlan.

Jeder vierte Zug verspätet sich um mehr als fünf Minuten

Doch das beste Angebot nutzt nichts, wenn der Fahrgast seinen Anschlusszug verpasst, weil ein Zug verspätet ist. Deshalb schließen sich seit dem 17. Oktober die Fernzugtüren früher. Die Bahn hat das Konzept an den besonders stark genutzten Bahnhöfen in Köln und Hannover getestet.

Pech haben allerdings diejenigen, die immer auf die letzte Sekunde zum Zug kommen und Umsteiger aus verspäteten Zügen. Und die neuen Schließregeln nützen auch nichts, wenn etwa der Zug aus Köln Richtung Berlin bereits in Hannover zehn Minuten Verspätung hat. Derzeit kommt jeder vierte Fernzug mehr als fünf Minuten zu spät.

Fahrgastverband zeigt sich skeptisch

Der Fahrgastverband Pro Bahn ist skeptisch: „Man muss sehen, dass die letzte Tür – dort wo der Zugbegleiter einsteigt – bis ganz kurz vor der Abfahrt offen bleibt“, sagte Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Verbandes. Es müsse auch immer klar sein, wo das Fahrradabteil und die erste Klasse zu finden sind. „Das hilft, dass die Züge pünktlich abfahren“, sagte Naumann. „Da muss die Bahn noch deutlich mehr tun.“

4,5 Milliarden Euro wollte sich die Staatsbahn über den Teilbörsengang der beiden Tochterunternehmen Arriva und DB Schenker beschaffen, um entsprechend investieren zu können. Dafür wird jetzt der Eigentümer einspringen: Der Bund hat bereits im September angekündigt, der Bahn eine Milliarde Euro zu überweisen. Zudem wird die Bahn vier Jahre lang nur 600 statt 950 Millionen Euro Dividende ausschütten müssen. Insgesamt kann sie also über 2,4 Milliarden Euro zusätzlich verfügen. Weitere 1,4 Milliarden Euro sollen aus der Bundeskasse zusätzlich fürs Schienennetz fließen. Der Haushaltsausschuss des Bundestags soll kommende Woche darüber befinden.

Brexit bremst die Pläne der Bahn aus

Den Börsengang sagt die Bahn vor allem wegen des geplanten Austritts der Briten aus der Europäischen Union ab. Die Bahntochter Arriva mit Sitz in Großbritannien sollte auch dort an die Börse. Das Pfund allerdings ist seit der Brexit-Entscheidung der Briten im Juni im Vergleich zum Euro dramatisch gefallen, die Bahn erhielte bei einem Börsengang der Tochter deutlich weniger, als sie bisher erwartet.

„Wir würden also Geld aus dem Fenster werfen – und ein solches Handeln wäre töricht“, sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nannte die Absage „wahrscheinlich eine richtige Idee von Herrn Grube“.

„Pendel schlägt wieder zurück in Richtung Staatsbahn“

Auch an den Finanzmärkten stieß die Entscheidung der Bahn auf viel Verständnis. „Man muss Qualität nicht zum billigsten Preis verkaufen“, urteilte etwa Analyst Robert Halver von der Baader Bank. „Niemand würde wollen, dass sich die Bahn mit einem Pausenbrot abfinden lässt.“ Dass das Staatsunternehmen auch auf den Teilverkauf der Logistiktochter Schenker in Essen verzichte, sei folgerichtig und konsequent.

Dass der Bund den Kapitalmarkt ersetzt, verringert nach Ansicht von Experten die finanzielle Beinfreiheit der Bahn. „Das Pendel schlägt wieder zurück in Richtung Staatsbahn“, sagte Maria Leenen, Geschäftsführerin der Beratungsfirma SCI Verkehr. Die Bahn büße damit deutlich unternehmerische Spielräume ein. Das sei ein Rückschritt. „Die Bahnreform hatte ja gerade das Ziel, die Bahn vom politischen Einfluss zu befreien und als Unternehmen aufzustellen.“